13 | Neckar

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Svea POV

Zurück in Stuttgart bekommen wir erstmal zwei Tage frei. Viele nutzen diese, um zu ihren Familien zu fahren. Mir ist das allerdings zu viel Stress in zwei Tagen nach Wolfsburg und wieder zurück zu fahren. Außerdem muss Jule sowieso arbeiten und Lou ist ja noch in Marbella. Marbella… unser ach so tolles Trainingslager. Eigentlich war es wirklich gut. Wir haben viel gearbeitet und die Verbesserung hat man zumindest im Training gemerkt. Klammert man das Spiel aus, war es ein erfolgreiches Trainingslager. Wobei das Spiel ja eigentlich auch erfolgreich war. Immerhin haben wir gewonnen. Doch trotzdem war es katastrophal. Nicht fürs Team, sondern für mich. Ich habe versagt. Und zwar sowas von. So etwas hatte ich wirklich noch nie. Dass ich aufgrund meiner Nervosität manchmal ein paar Minuten mehr brauche, um ins Spiel zu kommen, ist normal. Aber dass ich gar nicht reinfinde und nur Fehler mache, habe ich wirklich noch nie erlebt. Und dann auch noch beim ersten Spiel für den VfB Stuttgart, bei dem so viele auf mich, als deren junges Talent, schauen. Ich hätte mir keinen dümmeren Zeitpunkt dafür aussuchen können. Wobei ich mir das ja nicht selbst ausgesucht habe. Ich habe absolut keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich kann es mir beim besten Willen nicht erklären und das obwohl ich die ganze Zeit darüber nachdenke. Ich schaffe es nicht meine Gedanken auf irgendetwas anderes zu lenken. Ständig gehe ich im Kopf diese 15 Minuten durch. Alles, was ich falsch gemacht habe. Ich frage mich warum. Ich komme zu keiner Antwort. Ich grübele weiter darüber nach. So geht es die ganze Zeit. Doch ich sage kein Wort zu Emy und Jade. Ich merke, dass sie wissen, dass es mir nicht so gut geht, aber sie lassen mich in Ruhe. Ich bin dankbar dafür, denn ich will sie nicht mit meinen Problemen belasten. Vor allem beim Gedanken an Jade zieht sich mein Herz noch mehr zusammen. Die Art und Weise wie Lou sie angesehen hat, versetzt mir jedes Mal einen Stich. Aber warum? Was hat sie für ein Problem mit Jade? Sie hat ihr überhaupt nichts getan und trotzdem habe ich gesehen, dass sie etwas gegen sie hat. Und das stört mich. Eigentlich wollte ich mich mit meiner Mom aussprechen, aber nach dem beschissenen Spiel und ihren Blick zu Jade konnte ich es einfach nicht. Es steht mittlerweile einfach zu viel zwischen uns.

Zurück im Training gibt es erstmal einen großen Analyseblock. Das Trainerteam hat sich intensiv mit den Leistungen aus dem Training und dem Spiel beschäftigt. Die Ergebnisse bekommen wir in einem Vortrag vorgestellt. Auf dem Platz soll das dann direkt umgesetzt werden. Schließlich rückt die Saison mit großen Schritten auf uns zu. In zweieinhalb Wochen geht es los. Nach dem Aufwärmen beginnen wir mit einigen Übungen zu unserem Zweikampfverhalten. Gerade im Spiel sind da noch große Defizite aufgefallen. Bei mir natürlich sowieso. Das was ich normal mit am liebsten mache, kann ich jetzt am wenigsten. Ich will mich umso mehr anstrengen. Vielleicht geht es ja doch noch. Immer zwei von uns sollen jetzt gegeneinander im Zweikampf antreten, eine davon mit Ball, um es möglichst spielnah zu gestalten. Es läuft überhaupt nicht bei mir. Gegen Jade verliere ich deutlich. Gegen Emy spiele ich den defensiv Part und kann sie nicht aufhalten. Dann muss ich wieder defensiv gegen Hanna ran und scheitere auch dabei. Ich spüre wie die Tränen in mir aufsteigen, als ich zurück in die Reihe gehe. Jetzt bloß nicht anfangen zu weinen! Melly, die unsere Gruppe betreut, kommt auf mich zu. ,,Glaub an dich“, meint sie. Dann ist sie wieder weg. Wie soll ich an mich glauben, wenn ich jede Hoffnung schon verloren habe? Ich kann nicht an mich glauben. Immerhin meinen letzten Zweikampf gegen Jenny kann ich gewinnen. Allerdings nur, weil sie ausrutscht und hinfällt. Während die anderen lauthals lachen, kann ich mich grad so zu einem Grinsen abringen. Immerhin lassen wir die Zweikämpfe danach hinter uns. Wir beenden die Einheit mit einer Runde Jung gegen Alt Elfmeter schießen. Das ist überhaupt nicht meine Kernkompetenz und eigentlich ist das auch bekannt im Team, aber trotzdem fühle ich mich schlecht, dass ich mich nicht zum Sieg beitragen kann. Es ist einfach nicht mein Tag.

In der Kabine sitzen wir noch etwas zusammen und reden. Um nicht aufzufallen, beteilige ich mich auch an den Gesprächen. Recht schnell machen Emy, Jade und ich uns aber auf den Weg nach draußen. Dort kommt uns Melly entgegen. ,,Svea, hast du jetzt noch was vor?“, spricht sie mich an. ,,Ähm nein“, erwidere ich. ,,Magst du bitte mit mir mitkommen?“ ,,Klar.“ Ich bin etwas verwirrt. Warum sucht Melly das Gespräch mit mir? Ich verabschiede mich schnell von Emy und Jade. Dann verlasse ich mit Melly das Gebäude. ,,Lass uns zum Neckar runter gehen.“ Ich nicke und folge ihr. Heute ist es Mal nicht ganz so warm, wie die letzten Tage und dadurch ziemlich angenehm. ,,Wie geht’s dir?“, fragt Melly schließlich. Eine Weile waren wir schweigend nebeneinander gelaufen und setzen uns jetzt auf eine Bank mit Blick auf den Neckar. Ich wusste sowieso nicht was ich sagen sollte und Melly hat auch nichts gesagt. ,,Ganz okay“, antworte ich. ,,Vielleicht sollte ich anders anfangen. Ich war schon etwas älter, oder sagen wir lieber erfahrener, als ich deine Mutter kennengelernt habe. Dadurch habe ich nochmal einen ganz anderen Blick auf den Sport bekommen. Natürlich wusste auch ich damals schon, dass es nicht immer einfach ist, aber bei Lou habe ich mitbekommen, wie sehr ein Mensch darunter leiden kann. Ich habe mich danach viel mit der Thematik beschäftigt. Lous Geschichte hat mich sehr berührt und mitgenommen. Ich habe mir eine Zeit lang ein Zimmer mit ihr geteilt und gesehen, wie sie gelitten hat. Sport kann uns Leiden zufügen. Aber durch Gespräche und dem richtigen Umgang mit schwierigen Phasen kann man vieles vorbeugen. Ich will dich zu nichts drängen, aber ich sehe, dass es dir nicht so gut geht, wie du gerade meintest“, erklärt sie vorsichtig. In mir zieht sich etwas zusammen. Sie hat Recht. Ich spüre die Tränen aufkommen. Mit aller Kraft halte ich sie zurück. Ich will nicht weinen. Melly und ich kennen uns ja wirklich schon lange, aber trotzdem ist es mit diesem Trainerin-Spielerin-Verhältnis irgendwie anders zwischen uns. Es ist formeller zwischen uns. Früher haben wir uns als Freunde der Familie gesehen und jetzt sehen wir uns im Beruf. ,,Du musst nicht mit mir reden, aber ich möchte, dass du dir das durch den Kopf gehen lässt und wenigstens irgendjemanden in dich reinblicken lässt“, meint Melly, als ich immer noch nichts geantwortet habe.

,,Ich weiß auch nicht. Es lief doch alles so gut und dann…“, setze ich an. Jetzt läuft die erste Träne über meine Wange. ,,Alles ist gut. Genau deswegen habe ich doch das Gespräch mit dir gesucht. Wir wollen wirklich nur das Beste für dich.“ Ich nicke. Es ist mir selten leicht gefallen mich richtig zu öffnen. Eigentlich konnte ich das nur Emy gegenüber, aber ich will sie nicht immer mit meinen Problemen belasten, denn das habe ich schon so oft getan. ,,Mich macht das so fertig, was bei dem Testspiel passiert ist. Ich versuche mir zu erklären, was da los war und das zieht mich gerade total runter“, sage ich schließlich. ,,Ich wollte dich nicht auswechseln, um dich zu bestrafen. Ich wollte dich schützen und nicht noch weiter belasten.“ ,,Danke. Es ist hart. Ich hatte mich so auf das Spiel gefreut und dann habe ich so einen Totalausfall. Ich dachte, ich hätte so gut gearbeitet und dann setze ich das nicht um. Ich dachte, ich hätte meine Nervosität im Griff gehabt und dann spielen sie komplett verrückt.“ ,,Ich verstehe, dass dich das frustriert und du enttäuscht von dir bist. Aber solche Dinge sind in gewisser Weise normal. Du bist noch jung. Du kannst noch ganz viel lernen und da gehören auch solche Spiele dazu. Natürlich ist es wichtig sich damit auseinander zu setzen, aber man darf sich trotzdem nicht davon runterziehen lassen. Du hast noch ganz viel vor dir Svea“, sagt Melly. ,,Ich versuche es. Ich will ja auch mein Bestes geben, aber es hat vorhin im Training einfach nicht funktioniert. Es ist wie eine Blockade, die mich gerade zu viel nachdenken lässt“, erwidere ich. ,,Hilft es dir denn darüber zu reden?“ Ich atme einmal tief durch. ,,Ja, schon.“ ,,Dann komm bitte auf mich zu, wenn du Hilfe benötigst oder einfach reden möchtest. Wir brauchen dich für die Saison und wir planen auch mit dir als eine unserer Schlüsselspielerinnen. Aber dafür brauchen wir eine Svea, die kämpft und nicht aufgibt. Denn dann kann es für dich wirklich weit gehen in Zukunft. Ich glaube an dich, aber du musst auch an dich glauben.“

Flowers grow back Where stories live. Discover now