51 | Druck

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Svea POV

Mit dem Weiterkommen ins Halbfinale ist ein erstes Saisonziel erreicht. Öffentlich wurde es nie so ausgesprochen, aber vereinsintern war genau das kommuniziert. Ich bin immer noch etwas überwältig von dem Spiel. Ehrlich gesagt, hätte ich wirklich nicht gedacht, dass ich diesen Druck standhalte. Aber eigentlich zeigt das ja, dass das mentale Training langsam anschlägt, auch wenn ich bewusst noch nicht wirklich merke. Das meint auch Sandra in unserer nächsten Sitzung. Am Wochenende spielen wir gegen Hoffenheim. Ich komme wieder von der Bank, um kein Risiko einzugehen, dass ich muskuläre gesehen direkt nochmal Probleme bekomme. Als ich eingewechselt werde, führen wir bereits 2:0 und daran ändert sich dann nichts mehr. Damit festigen wir unseren Platz an der Tabellenspitze mit drei Punkten Vorsprung vor Bremen und vier vor Frankfurt. Wolfsburg liegt mit acht Punkten Rückstand auf Platz fünf. Dazwischen sind noch die Bayern. Immerhin haben wir gegen die schon gespielt, aber Bremen, Frankfurt und Wolfsburg warten im Laufe der Rückrunde noch auf uns. Das werden die wichtigen Spiele im Kampf um die Meisterschaft, aber trotzdem gilt es auch jedes weitere konzentriert und ernst anzugehen, denn jedes stolpern, kann sofort bestraft werden. Dafür sind die Abstände viel zu eng und die Leistungsdichte zu hoch.


,,Wie geht es dir damit, dass wir gegen Arsenal spielen?“ Jade und ich sitzen zusammen beim Frühstück. Wir stellen uns unsere Fragen immer noch. Doch dieses Thema haben wir bisher gemieden. ,,Naja, ich spiele ja nicht selbst, daher geht es eigentlich. Aber trotzdem ist es natürlich nicht schön zu wissen, dass entweder Mamas Team oder mein Team ins Finale kommt. Das ist so ein wichtiges Spiel, denn das Champions League Finale ist natürlich ein Traum für jeden und ist auch für beide Vereine eine tolle Geschichte das zu erreichen. Natürlich will ich, dass wir das schaffen, aber ich würde mich auch für Mama total freuen, wenn sie es schaffen würde, da sie ja als Spielerin nie wirklich Glück in der Champions League hatte. Aber da ich nicht spielen kann, ist es nochmal was anderes. So bin nicht ich direkt an der Entscheidung, die dann zwischen den beiden Teams fallen wird, beteiligt. Aber das brauch ich dir ja nicht erzählen“, meint Jade. ,,Ich versteh, was du meinst. Ich bin auch echt gespannt auf das Pokalspiel. Das ist einfach etwas anderes als das Ligaspiel.“ ,,Hast du Angst davor?“ ,,Ich weiß es nicht. Nicht vor dem Spiel an sich. Am Ende ist es so, wie du es gerade gesagt hast, nur dass ich eben mitspiele. Ich hab, glaube ich, aber eher Angst, dass ich mich selbst enttäusche und wieder mein Aussetzer-Spiel habe. Es ist ja nicht mal so, dass ich irgendwelche negativen Assoziationen damit habe, aber trotzdem würde es ins Schema passen, wenn ich da wieder komplett neben mir stehe. Ich will eigentlich nur gut spielen und natürlich weiterkommen, aber Hauptsache ich mache meine Sache gut.“ ,,Verstehe ich. Und den eigenen Druck bekommt man auch nicht weg. Man kann nichts dagegen tun. Deswegen, wenn du irgendwas brauchst, du weißt, ich bin immer da.“ Ich nehme ihre Hand, die auf dem Küchentisch liegt. ,,Ich weiß und ich bin so dankbar dafür. Immerhin ist es noch eine Woche hin. Aber trotzdem die Anspannung ist da“, sage ich ehrlich. Ich bin so froh, eine Person wie Jade zu haben. Eine Person, mit der ich so offen darüber reden kann. Die mich versteht. Die für mich da ist. Die mich immer unterstützt. Ich weiß nicht, wie es mir gehen würde, wenn ich Jade nicht hätte. Aber wahrscheinlich nicht so gut, wie es mir aktuell geht. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte keine Angst vor dem Spiel. Und genau deswegen ist es gut mit jedem, der einen wirklich versteht, offen darüber reden zu können.


Erstmal spielen wir am Wochenende aber gegen Augsburg. Um mich für das Pokalspiel weiter zu schonen, spiele ich nur zwanzig Minuten am Ende. Dabei kann ich noch unser letztes Tor zum 4:0 Entstand erzielen. Natürlich freue ich mich darüber, aber ich spüre den Druck wachsen. Ich versuche mich abzulenken, arbeite intensiver mit Meditation und anderen Techniken, aber ich kann mich nicht von dem Druck befreien. Sowas geht einfach nicht. Trotzdem versuche ich mich an meine guten Leistungen zu erinnern und rede mir ein, dass ich das kann und gut spielen werde. Jade unterstützt mich dabei. Immerhin spielen wir in Stuttgart, sodass wir ganz normal zu Hause schlafen können. So habe ich Jade die ganze Zeit bei mir. Mittlerweile ist ihr Bett ziemlich überflüssig in dieser Wohnung. Doch einschlafen kann ich trotzdem nicht. Wie immer in solchen Situationen.

Ich wache schreiend auf. Meine Atmung geht schnell. Ich schwitze. ,,Svea, alles okay?“, höre ich Jade neben mir fragen. ,,Ich habe nur schlecht geträumt“, schaffe ich zu antworten. Jade breitet die Arme aus und ich lege mich wieder hin. Ich spüre ihre Wärme und beruhige mich wieder. ,,Was hast du geträumt?“ ,,Dass ich versage. Wie schon so oft diese Saison. Ich habe geträumt, dass ich die dümmsten Fehlpässe spiele oder Pässe, bei denen der Ball ganz langsam über den Rasen kullert und gar nicht bei meiner Mitspielerin ankommt. Oder dass ich hundertprozentige Torchancen Meter am Tor vorbeischieße. Die einfachen Dinge, die dann eben schief gehen. Die Dinge, die ich eigentlich im Schlaf kann, aber in der Drucksituation plötzlich nicht mehr funktionieren. Total dumme Sachen einfach.“ Ich spüre die Tränen aufsteigen. Allein die Vorstellung morgen so zu spielen, bringt mich zum weinen. ,,Hey, es ist alles gut, ja? Es war nur ein Traum.“ Jade zieht mich näher an sich ran. ,,Aber was ist, wenn es ein Omen war? Wenn ich morgen genauso spiele?“, denn das ist es ja, was mich so fertig macht. ,,Das wirst du nicht. Du bist eine der stärksten Personen die ich kenne. Du bist eine grandiose Fußballerin. Vertrau in deine Stärken. Wenn du dir selbst vertraust, dann wird es auch gut gehen. Bitte, lass dich von dem Traum nicht runter ziehen“, sagt Jade. ,, Ich versuche es. Aber ich habe ehrlich Angst davor. Was, wenn ich wieder an meinem eigenen Druck zerbreche oder aus einem anderen Grund versage?“ ,,Sieh es nicht so, als würdest du versagen. Einen schlechten Tag hat wirklich jeder mal. Aber wenn es passieren sollte, dann ist es eine Erfahrung um weiter daraus zu lernen. Entweder du lernst daraus, weil du dem Druck standhältst, so wie vor zwei Wochen im Elfmeterschießen, oder du lernst, weil es einfach nicht funktioniert, was auch völlig okay ist. Es ist Teil von deinem Weg. Und denk immer daran, egal was passiert, du hast alles versucht und alles gegeben und ich stehe immer hinter dir.“ Ich wische mir eine weitere Träne weg. Sie hat so verdammt Recht und ich kann es trotzdem nicht sehen. ,,Ich werde es versuchen. Vielleicht wird ja doch alles gut.“ Mit dem Gedanken schlafe ich schließlich wieder ein.

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