50 | Trainingspläne

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Lou POV

Moritz, Jule und ich sitzen zusammen vorm Fernseher. Es läuft das Viertelfinale der Champions League zwischen Paris Saint Germain und Stuttgart. Natürlich schauen wir Sveas Spiel. Es geht ins Elfmeterschießen. Die Anspannung ist kaum auszuhalten. Nachdem wir ausgeschieden sind, unterstützten wir Svea jetzt voll und ganz. Es läuft gut für den VfB. Während sie die Nerven behalten, scheinen diese bei den Pariserinnen blank zu liegen. Wenn die vierte Schützin vom VfB trifft, haben sie gewonnen. Dann tritt Svea vor. ,,Warum macht sie das?“, rufe ich aus. Ja, Svea hat früher schon  den ein oder anderen Elfmeter geschossen, aber jetzt ist die Situation eine andere. Sie ist nicht die selbstsicherste. Kann sie überhaupt dem Druck standhalten? Ist sie schon soweit? ,,Glaub an sie. Svea schafft das“, meint Moritz. Jule sagt gar nichts. Svea läuft an, schießt und trifft. Jule vergräbt den Kopf in ihren Händen. Ich glaube, sie war genauso besorgt wie ich. ,,Sag ich doch.“ Moritz greift zu seinem Handy, um wie immer Svea sofort nach dem Spiel zu schreiben. Seit die beiden getrennt sind, ist ihr Verhältnis noch besser geworden. Ich merke die Erleichterung. Jule und ich beginnen ein Gespräch über die verbliebenen vier Teams in der Champions League.

,,Seid Mal still. Svea wird interviewt“, sagt Moritz plötzlich. Irgendwie ist es immer noch etwas komisch Sveas Gesicht so groß auf dem Fernsehbildschirm zu sehen. ,,Svea, Sie haben mit großem Kampf das Halbfinale erreicht. Wie haben sie das Spiel wahrgenommen, zuerst von außen und dann als sie selbst auf dem Platz standen?“ ,,Die Fragen sind immer noch die gleiche wie vor 25 Jahren“, bemerkt Jule. Doch Svea antwortet wie man es eben erwartet. ,,Es war ein sehr enges Spiel, genau wie auch schon letzte Woche. Demnach waren wir darauf eingestellt, dass wir immer geduldig und aufmerksam sein müssen, was wir, denk ich, gut umgesetzt haben. Natürlich hätten wir das Spiel früher für uns entschieden können, denn die Chancen waren da, aber jetzt sind wir im Halbfinale und das ist heute alles was zählt.“ Natürlich ist es eine Standardantwort, aber trotzdem merkt man, dass es Svea wirklich so meint. ,,Sie haben die letzten Spiele mit muskulären Problemen verpasst. War alles auf Ihre Rückkehr zu diesem Spiel gerichtet?“ ,,Tatsächlich schon. Aber vor allem, weil ich dieses Spiel spielen wollte. Die Champions League ist ein ganz besonderer Wettbewerb und ich bin froh, dass wir so ein gutes Team in der Physiotherapie haben, sodass ich heute letztendlich länger spielen konnte, als ursprünglich gedacht.“ Jule und ich schauen uns an. Klar, eine Einwechselsspielerin wird normal eher weniger wieder ausgewechselt. Wahrscheinlich hat Svea aber auch einfach gesagt, dass es noch geht.

,,Sie haben den entscheidenden Elfmeter geschossen. Was bedeutet Ihnen das?“ ,,Was ist das denn für ne doofe Frage“, meint Moritz. ,,Am Ende geht es nicht um einzelne Personen, sondern darum, dass wir als Team weitergekommen sind. Ohne unsere zuvor verwandelten Elfmeter und den, den Xenia gehalten hat, wäre ich nicht in der Situation den entscheidenden zu schießen. Hätten wir in einer anderen Reihenfolge geschossen, wäre das nicht unbedingt ich gewesen. Von daher ist es für den Teamerfolg, der im Vordergrund steht, vollkommen irrelevant. Nur weil ich den letzten Elfmeter verwandelt habe, habe ich nicht mehr geleistet wie andere Spielerinnen. Trotzdem muss ich sagen, dass ich für mich persönlich einfach nur froh bin, dass ich den Elfmeter verwandelt habe. Natürlich war mir die Situation bewusst und der Druck ist hoch. Aber ich konnte dem Druck standhalten und so meinem Team helfen und das macht mich sehr glücklich.“ Sie wirkt so professionell. ,,Jetzt sind Sie im Halbfinale der Champions League, im Halbfinale des DFB-Pokals und in der Liga sieht es auch gut aus. Ist das Triple möglich?“ ,,Theoretisch natürlich. Doch wir wissen, dass es sehr viel harte Arbeit braucht, um das zu erreichen. Wir spielen das Halbfinale in der Champions League gegen Arsenal, was auch wieder ein Spiel auf Augenhöhe wird. Im Pokal wartet Wolfsburg auf uns und auch, wenn dort aktuell nicht alles rund läuft, wissen wir, dass sie wenn es darauf ankommt, alles geben und kaum zu schlagen sind. Und die verbleibenden Spiele in der Liga gewinnen sich natürlich auch nicht von selbst. Deswegen müssen wir unseren Fokus hochhalten, um diesen Traum am Ende erfüllen zu können.“ Damit ist das Interview beendet.

,,Wann ist denn meine kleine Svea so erwachsen geworden?“, fragt Jule. ,,Gute Frage“, erwidere ich abwesend. Svea hat meinen wunden Punkt thematisiert. Nach der Länderspielpause haben wir ein wenig den Faden verloren. Dieses Mal waren viel mehr Spielerinnen bei den Nationalmannschaften dabei, sodass wir das Training ziemlich umstellen mussten. Dazu kam, dass das halbe Trainerteam inklusive mir krank war und dadurch nicht nur in anderer Form, sondern auch weniger trainiert wurde. Als dann die Nationalspielerinnen wieder kamen, haben wir das nicht richtig zusammen bekommen. So haben wir gegen Freiburg erst nur unentschieden gespielt und gegen Bayern 3:0 verloren. Das hat nicht nur in unserer aktuellen Situation richtig weh getan, sondern auch allgemein. Aufgrund der Historie, dass Bayern und Wolfsburg früher über ganz viele Jahre lang die Meisterschaft unter sich ausgetragen haben, ist dies immer noch mit das wichtigste Spiel für beide Mannschaften, da es einfach um die Ehre geht. Aber unsere Niederlage ist eindeutig dem aktuell nicht rundlaufenden Training geschuldet. Das geht natürlich auf meine Kappe und macht mir Mal wieder etwas zu schaffen. Ich weiß, dass es schon Stimmen gab, die über Wechsel an der Cheftrainerposition – zumindest zur neuen Saison – geredet haben. Aber mittlerweile lese ich solche Berichte nicht und Sendungen, in denen über sowas geredet wird, habe ich noch nie angeschaut. Die Vereinsführung hat mir das Vertrauen ausgesprochen und ich werde das wieder hinbekommen. Auch wenn es mir damit gerade nicht gut geht. Heute lief das Training wieder normal und im Anschluss haben Eva und ich uns zusammen gesetzt und das Spiel gegen Bayern zu zweit nochmal von vorne bis hinten analysiert, um die Schwachpunkt ganz eindeutig zu identifizieren. Mit den Ergebnissen haben wir einen neuen Trainingsplan für die nächsten zwei Wochen bis zum Pokalspiel gegen Stuttgart erstellt. Damit sollte es jetzt wieder funktionieren.


,,Sag Mal, wollen wir über die Ostertage zusammen wegfahren?“, fragt Svea am Telefon. Wir telefonieren wie mittlerweile jeden Donnerstag. ,,Wir beide haben ja ein paar wirklich freie Tage und Moritz und Jule haben auch Ferien“, fährt sie fort. ,,Das können wir machen. Ich glaube, es tut uns gut, Mal wieder etwas rauszukommen und Zeit als komplette Familie zu verbringen.“ ,,Das sehe ich auch so. Ich hab schon Mal etwas rumgestöbert und ein schönes Ferienhaus am Stadtrand von Rotterdam gefunden. Wär das etwas?“ Svea scheint sich wirklich schon sehr mit der Planung beschäftigt zu haben. ,,Das klingt gut. Ich glaube, in Rotterdam war ich noch nie. Kannst du das dann buchen und dich darum kümmern? Bei mir ist gerade alles etwas viel“, bitte ich sie. ,,Klar, kein Problem. Ich hatte das ja sowieso schon rausgesucht. Und wie wir es dann mit hinfahren machen, ob ich davor zu euch komme, können wir ja dann immer noch besprechen“, meint sie. Ja, ich glaube es wird wirklich gut sein, Mal ein paar Tage etwas anderes im Kopf zu haben als den Fußballalltag.




Hoffen wir, dass 2051 die Bahnen zuverlässiger fahren als zur heutigen Zeit :)

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