Kapitel 36

449 20 19
                                    

Cecilia

Blinzelnd öffne ich meine Augen und sehe mich in dem sterilen Zimmer um, in welchem ich mich befinde.

Es kostet mich einen Augenblick, bis mich die Erinnerungen an den Vorfall im Haus am See wieder einholen. Vor meinem inneren Auge blitzen Bilder auf.

Ich sehe die schemenhaften Umrisse der Person, die am Fenster steht und uns beobachtet. Ich höre die Schüsse, ich sehe all das Blut. Über all Blut. Ich spüre es durch meine Finger sickern, der eisenhaltige Geruch hat sich in meine Nase gebrannt. 

Und ich sehe die blauen Augen des Jungen, in den ich mich unsterblich verliebt habe. Ich sehe wieder und wieder, wie er vor meinen Augen stirbt. Wie sich seine Augen leicht nach hinten rollen und sein Kopf zur Seite fällt. Die Kälte, die es hinterließ, als sich sein Griff um meine Finger lockerte.

Ein Schluchzen entflieht meiner Kehle.

Das Piepen des Monitors, an dem ich angeschlossen bin, beschleunigt sich. Ein Blick auf den Bildschirm ist nicht nötig, um zu wissen, dass mein gebrochenes Herz rast.

Der sich aufbauende Druck in meiner Brust ist unerträglich. Ich muss mich aufrichten, halte mir eine Hand an den Brustkorb. Ich spüre ein starkes Ziehen, genau dort, wo mein Herz sitzt.

Tränen strömen mir über das Gesicht. Ich drohe an ihnen zu ersticken. Ich kann nicht atmen.

Erst jetzt merke ich, dass ich nicht allein bin. Emil steht an meinem Bett und sieht mich voller Sorge an.

„Prinzessin, beruhigt Euch. Ihr seid in Sicherheit", versucht er mir gut zuzureden, jedoch fühle ich mich alles andere als sicher.

Ich kneife meine Augen fest zusammen und versuche zu atmen. Doch es gelingt mir nicht. Meine Lungen füllen sich mit Luft, doch der Sauerstoff scheint nicht in meinem Gehirn anzukommen. Zusätzlich tritt nun auch noch dieser Schwindel auf, weshalb ich froh bin, im Bett zu sitzen.

Ich habe nicht mitbekommen, dass Emil Hilfe gerufen hat. Doch plötzlich betritt eine Krankenschwester dicht gefolgt von einem Arzt den Raum.

Die Krankenschwester schiebt Emil zur Seite und lässt sich auf der Kante meines Bettes nieder. Ich spüre die vorsichtige Berührung ihrer Hand, die sie an meinem Oberarm legt. „Konzentriert Euch auf meine Stimme", redet sie behutsam auf mich ein. Der Druck ihres Griffes verstärkt sich leicht, sodass meine Aufmerksamkeit nun voll und ganz auf sie gelenkt wird. „Ich bin Elisa", stellt sie sich mir vor und atmet tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus.

Elisa. Elisa. Elisa.

Ich konzentriere mich auf ihre Atmung, welche sie bewusst ausführt. „Wisst Ihr, welchen Wochentag wir heute haben?", erkundigt sie sich bei mir. Es ist eine belanglose Frage, doch sie lenkt mich ab.

Ich denke nach, doch es fällt mir nicht ein. Ist es Samstag? Oder Sonntag? Oder doch Mittwoch?

Ich schüttele mit dem Kopf. Elisa lächelt mich an. Es ist ein liebevolles Lächeln, ich mag ihr Lächeln. „Heute ist Samstag", teilt sie mir mit.

„Samstag", wiederhole ich ihre Worte mit belegter Stimme. Ich schlucke den Kloß herunter, der sich in meinem Hals gebildet hat. Allmählich beruhigt sich mein Herzschlag wieder und der Druck in meiner Brust baut sich ab.

„Atmen wir gemeinsam, ja?", spricht Elisa weiter und streicht mit dem Finger über meine Nase. Im selben Moment nimmt sie selbst einen tiefen Atemzug durch ihre Nase. Ich tue es ihr nach. Ich atme tief ein, halte den Atem kurz an und atme langsam und lange durch den Mund wieder aus.

Gemeinsam wiederholen wir diesen Vorhang, bis ich spüre, wie meine Schultern nach unten sinken. Die Anspannung verlässt meinen Körper und ich fühle mich erschöpft.

The Princess's SecretWhere stories live. Discover now