Kapitel 8

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Jake

„Sie macht sich sehr gut. Es gibt bislang keine Probleme", teile ich meinem Vater mit.

Die erste Woche ist verstrichen. Seitdem Cecilia und ich hier sind, habe ich erst zwei Mal mit ihm telefoniert. Und jedes Mal ging es dabei bloß um die Prinzessin.

Für ein privates Gespräch ist keine Zeit und es ist uns zudem strengstens untersagt. Doch Fakt ist, dass auch ich eine Familie zurücklassen musste. Und ich vermisse meine Eltern und meine kleine Schwester, die ich nicht kontaktieren darf.

„Ich vermisse euch", platze ich heraus. Ich habe schreckliches Heimweh und niemanden, mit dem ich darüber reden kann. Cecilia ist zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Und selbst wenn sie es nicht wäre, ich muss professionell bleiben.

„Jake", sagt mein Vater mit warnender Stimme.

„Dad", erwidere ich flehentlich. Mein Blick fällt auf die gegenüberliegende Wand. Ich sitze auf meinem Bett, meine Körperhaltung ist geknickt.

Heute ist kein guter Tag für mich.

„Reiß dich zusammen, mein Junge", murmelt er gedämpft, als befürchte er, jemand würde dem Gespräch lauschen.

„Gibt Mom und Katie einen Kuss von mir, ja?", bitte ich ihn lediglich. Die Tränen brennen in meinen Augen, doch ich bleibe gefasst.

„Das werde ich", versichert er mir.

Daraufhin verabschieden wir uns voneinander und ich werfe mein Handy quer durch den Raum. Es fliegt gegen die Wand und fällt auf den Boden. Ich stütze meine Ellenbogen auf meinen Knien ab und lasse den Kopf in meine Hände fallen.

Angespannt mahle ich mit dem Kiefer. Auch, wenn ich alleine bin, verbiete ich es mir, auch nur eine Träne zu verlieren. Ich möchte nicht schwach sein, obwohl ich innerlich gerade total zerbreche.

Mein Traurigkeit bewältige ich meistens damit, etwas zu zerschlagen. Allerdings gibt der viel zu kleine, enge Raum nichts her, dass ich kaputt machen könnte.

Ein Klopfen an der Tür lässt mich aufhorchen.

Das hat mir gerade noch gefehlt.

Für einen Moment halte ich inne, ehe ich mich von meinem Bett erhebe und auf die Tür zugehe. Ich schließe meine Augen und atme einmal tief durch. Dann öffne ich die Tür und blicke in das engelsgleiche Gesicht von Cecilia.

„Hey", sagt sie und mustert mich prüfend. „Ist bei dir.. alles in Ordnung?", erkundigt sie sich vorsichtig.

Ich schiebe meine Hände in die Hosentaschen und erwidere ihren Blick. Ihre braunen Augen ruhen nach wie vor auf mir und ich glaube in ihnen Besorgnis aufblitzen zu sehen.

„Alles bestens", antworte ich gefasst. Ihr Blick wandert an mir vorbei und bleibt an einem Punkt hinter mir hängen. Ich folge ihren Augen und entdecke mein Handy, welches auf dem Boden liegt und einen Riss im Display aufweist.

„Ich habe etwas gegen die Wand prallen hören", erzählt Cecilia mir.

Aus der Sache werde ich mich nicht rausreden können, allerdings bin ich auch nicht bereit dazu, vor ihr zuzugeben, dass ich völlig am Ende bin.

„Es ist alles bestens", wiederhole ich meine Worte, diesmal kann ich den genervten Unterton in meiner Stimme jedoch nicht verbergen.

Cecilias Ausdruck fällt sofort in sich zusammen. Die Besorgnis in ihren Augen verblasst und eine andere Emotion blitzt in ihnen auf.

Schmerz.

„Es gibt keinen Grund, so gemein zu mir zu sein, Jake", kommt es mit verletzten Unterton in der Stimme von ihr. Jetzt sieht sie mich wieder so Mitleid erregend an. Zumindest will ich es so sehen, weil ich einen Grund suche, um meinen Frust an ihr auszulassen. Ich weiß, dass es falsch ist, aber ich verliere sonst den Verstand.

Ein Schnauben entweicht meinen Lippen. „Du bist gottverdammt nochmal nicht die einzige, der es hier absolut beschissen geht!", fahre ich Cecilia an. Erschrocken weicht sie zurück und wirkt fassungslos über meinen Ausbruch.

Ihre Lippen öffnen sich, doch ich lasse sie gar nicht zu Wort kommen. „Ich habe auch eine Familie, die ich zurücklassen musste und die ich vermisse! Ich wäre auch lieber zu Hause, als hier mit dir auch nur eine Sekunde länger verbringen zu müssen!", setze ich noch einen obendrauf.

Cecilia sieht mich entsetzt an. Und dann wendet sie sich von mir ab und verschwindet schnellen Schrittes in ihrem Zimmer.

„Fuck", fluche ich.

Ich bereue sofort, was ich zu ihr gesagt habe und laufe ihr nach. Bevor sie die Tür vor meiner Nase zuschlagen kann, halte ich sie auf.

„Ich habe es nicht so gemeint", sage ich und sehe sie flehend an.

„Oh, ich habe genau verstanden, wie du es gemeint hast", erwidert sie und schenkt mir einen letzten enttäuschten Blick, ehe sie mir die Tür vor der Nase zuknallt. Ich höre, wie sie den Schlüssel im Schloss umdreht.

Erst jetzt bemerke ich die beiden Mädchen aus der Unterstufe, die nur wenige Meter von mir entfernt stehen und das Geschehen neugierig beobachten. „Was glotzt ihr denn so blöd? Habt ihr nichts Besseres zutun?, fahre ich sie an. Sofort suchen sie das Weite.

„Cassie, bitte mach die Tür auf", rufe ich und nenne sie dabei bewusst bei ihrem Decknamen.

Ich möchte einfach nicht das Risiko eingehen, dass doch jemand unserem Gespräch lauscht und Cecilias wahre Identität dadurch enthüllt wird.

„Es tut mir leid, bitte lass uns das klären", flehe ich sie durch die geschlossene Tür an. Ich weiß, wie hellhörig das Gebäude ist. Deshalb bin ich mir sicher, dass Cecilia jedes einzelne meiner Worte hört.

Für einen Moment halte ich inne und warte auf eine Reaktion von ihr. Doch die bekomme ich nicht.

Frustriert raufe ich mir das schwarze Haar und stapfe daraufhin zurück in mein eigenes Zimmer. Ich knalle die Tür hinter mir zu und trete gegen den Schrank.

„Fuck!", fluche ich erneut und spüre die Tränen, die in meinen Augen brennen.

Ich bin so dumm. So unfassbar dumm.

Was habe ich mir dabei gedacht, meinen Frust an ihr auszulassen? Es ist nicht ihre Schuld, dass wir hier sind.

Es war meine eigene Entscheidung, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters trete. Seit ich ein kleiner Junge bin, wollte ich immer so sein, wie er. Er ist mein Held gewesen.

Doch wenn ich eins daraus gelernt habe, dann, dass ich nicht im Geringsten wie mein Vater bin. Ich bin nicht annähernd so stark und mutig, wie er.

Und ich bin kein Held.

Mir wächst dieser Job bereits nach einer Woche über den Kopf. Ich fühle mich wie der allerletzte Nichtsnutz. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich so schnell an meine Grenzen komme.

Doch noch mehr macht mir die Tatsache zu schaffen, dass ich es mir mit Cecilia ziemlich übel verscherzt habe.

Ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen soll.

The Princess's SecretWhere stories live. Discover now