Kapitel 19

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Cecilia

Olivia so zu sehen, ist für mich ein Schock. Und es gibt nichts, was ich tun kann. Sie übergibt sich erneut und als ich das Blut sehe, welches aus ihr herauskommt und meine Freundin daraufhin das Bewusstsein verliert, werden meine Knie ganz weich.

Wäre Alex nicht da gewesen, um mich zu halten, wäre ich vermutlich zusammengesackt. Tränen laufen mir über die Wangen und ich spüre dieses bedrückende Gefühl in meiner Brust. Ich will helfen, doch ich kann nicht. Es ist ein schlimmes Gefühl, nicht helfen zu können. Generell ist es schrecklich, meine Freundin in diesem Zustand zu sehen.

„Beruhige dich", versucht Alex mir gut zuzureden und streicht behutsam mit seiner Hand über meinen Rücken, während seine andere Hand mich stützt. Schluchzend schüttele ich mit dem Kopf. Ich will etwas sagen, doch meine Kehle ist wie zugeschnürt.

Jake sieht sich nach mir um, konzentriert sich dann allerdings darauf, Olivia gemeinsam mit Zayn auf die Seite zu drehen. Es drängen sich mehr Jugendliche nach vorne und versperren mir schließlich die Sicht auf das, was vor unseren Augen geschieht.

„Komm", sagt Alex und führt mich weiter zurück, weg von dem Geschehen. Obwohl ich mich nicht von Jake entfernen möchte, gelingt es mir nicht, etwas dagegen einzuwenden. Meine Beine tragen mich einfach mit und trotz dessen, dass mir so viel auf der Zunge liegt, bin ich nicht dazu in der Lage, ein Wort zu sprechen.

Ich weiß nicht, wohin Alex mich führt. Und ich bin nicht dazu in der Lage, es zu analysieren. Mein Kopf ist völlig benebelt von dem, was sich nur wenige Meter hinter uns zuträgt.

Alex lässt mich los, als wir an einem Steg am See ankommen. Inzwischen ist es fast dunkel und die Lichter der Party liegen in der Ferne.

Allmählich gelingt es mir, etwas durchzuatmen und meine Stimme wiederzufinden. „Danke", sage ich und laufe ein paar Meter weiter, wobei ich Alex aus dem Blick lasse, um stattdessen in den Himmel zu blicken. Der prachtvolle Vollmond und die vielen Sterne erhellen die Dunkelheit und schenken mir ein wenig Trost.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mir als kleines Mädchen den Nachthimmel mit meinem Onkel angesehen habe. Es hatte schon immer eine beruhigende Wirkung. Ich erkenne sofort den großen Wagen und ein paar andere Sternbilder, die mein Onkel mir früher gezeigt hat. Ich vermisse ihn schrecklich, doch der Blick in den Nachthimmel lässt mich ihm nah fühlen.

Ich höre das Knarzen der Holzdielen, als Alex sich mir nähert. „Ich hoffe, dass ihr nichts Schlimmes widerfährt", seufze ich und spüre erneut die Tränen in meinen Augen brennen. Ich drehe mich zu Alex um. Obwohl es dunkel ist, erkenne ich seine Augen, die fest auf mir ruhen.

„Alles in Ordnung bei dir?", frage ich ihn und bekomme ein mulmiges Gefühl im Bauch. Er nähert sich mir um einen weiteren Schritt, weshalb ich nach hinten ausweiche. Ich stehe nun unmittelbar an der Kante des Stegs. Hinter mir befindet sich der See, der im Dunkeln ziemlich bedrohlich wirkt. Er ist tief. Und ich kann nicht schwimmen.

„Es wird alles gut, Cassie", versucht Alex mir gut zuzureden. Seine Gesichtszüge lockern sich und der Ausdruck in seinen Augen wirkt nun wieder liebevoll. Sofort entspannen sich auch meine angespannten Muskeln. In weiter Ferne ertönen die Sirenen des Krankenwagens und das Blaulicht erhellt die Nacht.

„Was, wenn sie stirbt?", schluchze ich und spüre wieder diese fürchterliche Angst. Ich wünschte, ich wäre niemals mit Jake an den See gegangen, um den Sonnenuntergang zu sehen. Wäre ich bei Olivia geblieben, wäre es vielleicht nicht passiert.

Alex greift nach meiner Hand und zieht mich an sich, um mich zu umarmen. Seine starken Arme schlingen sich um meinen bebenden Körper und er drückt mich fest an seine Brust. Ich lausche seinem Herzschlag. In Anbetracht der Situation ist dieser ungewöhnlich ruhig.

„Shh", macht Alex und streicht mir sanft über den Rücken. „Ihr wird es gut gehen. All das wird bald ein Ende haben, das verspreche ich dir, Cassie", versichert er mir und drückt mich noch ein wenig fester an sich. Die Art, wie er meinen Decknamen ausspricht, fühlt sich seltsam an. Ich werde mich wohl niemals an diesen Namen gewöhnen.

„Geh weg von ihr", ertönt Jakes Stimme. Seine schnellen, schweren Schritte nähern sich uns und ehe ich mich versehe, reißt er Alex an seinem Shirt zurück.

Alex lässt mich los, reißt sich aus Jakes Griff los und hebt abwehrend seine Arme. „Hey, ganz ruhig", versucht er meinen Leibwächter zu besänftigen. Jake jedoch wirkt alles andere, als ruhig. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und er mahlt mit seinem Kiefer.

„Komm ihr nicht zu nah", knurrt Jake, als Alex sich uns einen Schritt nähert.

„Entspann dich, ich habe sie nur getröstet. Es gibt nichts, worüber du eifersüchtig sein müsstest", erläutert Alex, obwohl er Jake keine Erklärung schuldet.

„Jake, was ist los mit dir?", frage ich Jake verwirrt, da er eindeutig gerade seine Rolle als meinen Bodyguard einnimmt. Er verhält sich, als sei Alex eine Gefahr, was absurd ist. Alex könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.

Statt auf meine Frage einzugehen, zieht er mich am Handgelenk hinter sich. Sein Griff fühlt sich grob an, weshalb ich scharf die Luft einziehe.

„Du tust ihr weh", merkt Alex an, als Jake mein Handgelenk auch wenige Sekunden später noch immer fest umklammert hält. Sofort lässt er es los und sieht sich besorgt nach mir um. „Cassie, geht es dir gut?", möchte Alex von mir wissen.

Jake sieht aus, als wolle er auf Alex losgehen. Um dies zu verhindern, greife ich nach seinem Arm. „Ich bin wirklich fertig.. lass uns einfach gehen, okay?", versuche ich ihn zu überzeugen, damit die Situation nicht völlig eskaliert. „Tut mir leid, Alex. Wir sehen uns"

Gemeinsam mit Jake verlasse ich den Steg, auf dem Alex noch eine Weile verharrt. Mein Herz fühlt sich noch immer schwer an und so sehr ich auch wissen möchte, was in Jake gefahren ist, bin ich mit meinen Gedanken noch immer bei Olivia. Wir erreichen die Party und beobachten gerade noch, wie sie auf einer Liege abtransportiert wird.

Allein bei diesem Anblick, kommen mir erneut die Tränen. Jake legt seinen Arm um meine Schultern, um mir Halt zu geben. „Oh Gott", schluchze ich und meine Sicht verschwimmt.

Einer der Rettungssanitäter hält ein Telefon in der Hand und ich schnappe einige seiner Worte auf, die mir endgültig den Boden unter den Füßen wegreißen. „17-jähriges Mädchen... mit hoher Wahrscheinlichkeit vergiftet.. in zehn.." Eine unserer Lehrkräfte steigt in den Krankenwagen mit ein. Daraufhin schließen sich die Türen und der Krankenwagen setzt sich mit Blaulicht und Sirene in Bewegung.

„Vergiftet?", bringe ich hervor. Meine Atmung wird schwerer und ich spüre einen sich aufbauenden Druck in meiner Brust, der mir das Atmen noch mehr erschwert. Mein Herz beginnt zu rasen. Panisch versuche ich nach Luft zu schnappen, was jedoch dazu führt, dass es mir immer schwerer fällt. Ich glaube, ich sterbe.

„Cecilia", flüstert Jake. „Cecilia, konzentriere dich auf mich." Er umfasst mein Gesicht mit beiden Händen und sieht mir tief in die Augen. Tränen strömen mir unaufhaltsam über das Gesicht. Jake nimmt einen tiefen Atemzug durch die Nase und stößt die Luft daraufhin durch den Mund wieder aus. Dies wiederholt er einige Male. Ich versuche, mich auf seine Atmung zu konzentrieren. Versuche, es ihm nachzutun. Und es hilft.

Gemeinsam atmen wir einige Male tief ein und aus, bis sich meine Atmung wieder beruhigt und der Druck in meiner Brust nachlässt. Erschöpft falle ich ihm in die Arme, in denen er mich sofort aufnimmt.

„Wer tut sowas? Und warum?", frage ich weinend.

Jake antwortet nicht. Doch sein Schweigen und sein beschützerisches Verhalten auf dem Steg ist Antwort genug, um zu realisieren, was vor sich geht.

Olivia ist nur ein Zufallsopfer.

Das eigentliche Ziel bin ich gewesen.

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Denkt ihr, dass Alex etwas mit der Vergiftung zutun hat? 👀

The Princess's SecretWhere stories live. Discover now