Kapitel 21

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Cecilia

Es fühlt sich wieder an wie an jenem Tag, als ich meine Familie verlassen habe. In weniger als einer Stunde werden weitere Männer meines Vaters kommen, um uns von hier abzuholen.

Wohin es geht, weiß ich nicht. Nur, dass es hier nicht mehr sicher ist, seitdem fest steht, dass es sich bei dem Vorfall von gestern Abend um einen Anschlag gehandelt hat.

Es macht mir unfassbare Angst. Irgendwo läuft ein Mensch herum, der es darauf abgesehen hat, mich zu töten. Jake glaubt, dass Alex dahinter steckt und er etwas in die Cola gemischt hat, die er mir geben wollte. Ich erinnere mich noch, wie Olivia sie ihm aus der Hand genommen hat und damit auf die Tanzfläche verschwand.

Keine halbe Stunde später wäre sie beinahe gestorben.

Ich werfe einen Blick in den Badezimmerspiegel. Meine Augen zieren dunkle Schatten. Generell sehe ich heute erschöpfter aus als sonst. Ich fühle mich auch so.

Jake hat bereits seinen Koffer gepackt und wartet nur noch auf mich. Wir müssen vor unserer Abreise noch in das Büro von Mr Darcy. Am liebsten wäre ich in meinem Zimmer geblieben, aber Jake hat darauf bestanden, dass ich ihn begleite. Er will mich nicht aus den Augen lassen.

Seufzend wende ich mich vom Spiegel ab und öffne die Badezimmertür. Als ich mein Zimmer betrete und Jake mit einer Waffe in den Händen entdecke, stocke ich. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf die Waffe, welche er blitzschnell unter seinem Shirt verschwinden lässt.

„Sie dient zu deiner Sicherheit", erklärt er mir auf meinen verstörten Blick hin. Es ist nicht das erste Mal, dass ich eine Waffe sehe. Doch sie in Jakes Händen zu sehen macht mir schmerzlich bewusst, in welcher Lage wir uns befinden und welche Rolle Jake in meinem Leben spielt.

Statt etwas darauf zu antworten, wechsele ich das Thema. „Ich bin soweit", teile ich ihm mit. Jake nickt einverstanden und möchte nach meinem Koffer greifen, doch ich komme ihm zuvor. „Ich nehme den selbst."

Offensichtlich schlafen die anderen Schüler noch, denn die Gänge sind komplett leer. Irgendwie hat es etwas Unheimliches, dass sich niemand in den Gängen aufhält.

Zehn Minuten später erreichen Jake und ich das Büro des Schulleiters. Unsere Koffer lassen wir vor der Tür stehen, die Jake nachdem er angeklopft hat, vorsichtig öffnet.

„Jake", sagt Mr Darcy. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch, der aus einem massiven dunklen Holz besteht. Der Raum ist nicht eckig sondern rund, da sich sein Büro im Turm des Gebäudes befindet. Als ich Jake in den Raum folge, erhebt sich Mr Darcy augenblicklich von seinem Stuhl. Er verbeugt sich leicht vor mir, was Teil der Etikette ist, wenn ein Mitglied der royalen Familie den Raum betritt. „Prinzessin", begrüßt er mich und sieht mich daraufhin besorgt an. „Ich hoffe, es geht Euch gut", fügt er hinzu und hebt fragend die Augenbrauen.

„Den Umständen entsprechend", erwidere ich und nicke ihm anerkennend zu.

Mr Darcy deutet mit einer einladenden Geste auf die beiden freien Stühle auf der anderen Seite seines Schreibtisches. Nachdem ich mich gesetzt habe, lässt auch er sich wieder auf seinen großen Schreibtischstuhl sinken.

„Möchtet ihr einen Tee?", erkundigt er sich bei Jake und mir. Ich lehne dankend ab, Jake tut es mir nach.

„Sie wollten mich sprechen", kommt Jake direkt zum Punkt.

Mr Darcy nippt an seinem Tee und wirft uns über den Rand seiner Tasse hinweg kurze Blicke zu. „Es erschüttert mich, dass dieser Ort nicht sicher genug für die Prinzessin ist." Mr Darcy schielt in meine Richtung. Ich bin es gewohnt, dass man in meiner Anwesenheit über mich spricht, als sei ich nicht da. An sämtlichen Entscheidungen oder Neuigkeiten, die mich betreffen, bin ich selten aktiv involviert. „Euer Vater hat Euch mich anvertraut und ich wollte um jeden Preis für Eure Sicherheit sorgen, Prinzessin. Eure Sicherheit war meine höchste Priorität. Ich kann mir nicht erklären, wie es zu diesem schlimmen Vorfall kommen konnte"

„Danke für alles, was Sie für meine Familie und mich getan haben. Ich stehe in Ihrer Schuld", erwidere ich vorsichtig. Es ist einer der vielen Standardsätze, die mir am Hof beigebracht wurden. Es sind Höflichkeitsfloskeln, um ein unangenehmes Schweigen zu verhindern. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Für mich ist all das noch immer nicht zu fassen.

Doch eine Frage brennt mir auf der Seele. „Wie geht es Olivia?", erkundige ich mich bei dem Schulleiter dieses Internats. Er sieht mich kurz schweigend an und in seinen Augen sehe ich Besorgnis aufblitzen. „Ihr Zustand hat sich etwas stabilisiert, allerdings ist Olivia noch nicht wieder bei Bewusstsein. Das Gift hat schwere innere Blutungen hervorgerufen und sie hat viel Blut verloren. Ihre Eltern sind nun bei ihr und wir können nur hoffen, dass sie im Laufes des Tages aufwacht."

Womöglich kann man von Glück reden, dass sie überhaupt noch am Leben ist. Doch eigentlich habe ich gehofft zu erfahren, dass es Olivia gut geht und sie heute bereits aus dem Krankenhaus entlassen wird. Nun zu erfahren, dass sie nicht einmal bei Bewusstsein ist, lässt mir erneut die Tränen hochkommen.

„Es tut mir leid, dass ich Euch keine erfreulicheren Neuigkeiten geben kann", seufzt Mr Darcy entschuldigend und sieht mich mitleidig an.

Jake greift vorsichtig nach meiner Hand, mit der ich mich an der Stuhllehne festklammere und drückt sie sanft, um mich zu beruhigen. Ich bin unendlich froh, dass er da ist.

Mr Darcy mustert unsere Hände für den Bruchteil einer Sekunde, dann richtet er sich direkt an Jake. „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um den Schuldigen ausfindig zu machen", versichert er meinem Leibwächter.

„Fangen Sie bei Alex Scott an", kommt es von Jake.

Mr Darcy hebt seine Augenbrauen. „Alex Scott", wiederholt er und streicht sich nachdenklich über die grau melierten Barthaare an seinem Kinn. Dabei visiert er einen Punkt an der Wand hinter uns an. „Was lässt Sie denken, dass Alex etwas mit dem Vorfall zutun hat?"

Diese Frage scheint bei Jake für Misstrauen zu sorgen, denn er drückt meine Hand noch ein wenig fester, während seine freie Hand sich gefährlich nahe an der Waffe befindet, die Jake unter seinem Shirt bei sich trägt.

„Er bot Cecilia einen Becher mit Cola an, den sie allerdings nicht annahm. Stattdessen nahm Olivia ihn. Als sich die Wirkung des Gifts entfaltet hat, hat Alex sofort nach uns gerufen. Neben Olivia lag ein Becher auf dem Boden.."

„Den besagten Becher nahmen sie für eine Untersuchung mit ins Krankenhaus. Es wurden darin Rückstände desselben Gifts gefunden, den man in Olivias Blut nachweisen konnte", teilt Mr Darcy Jake mit und nickt zustimmend. Diese Tatsache lässt mich erschaudern. Damit steht nun eindeutig fest, dass Alex seine Finger im Spiel haben muss.

„Als ich mit Olivia abgelenkt war, ergriff Alex die Initiative und führte Cecilia zum Steg. Ich möchte wetten, dass ich rechtzeitig da war, um Schlimmeres zu verhindern..", schlussfolgert Jake. Zunächst habe ich noch gehofft, dass er sich irrt und Alex unschuldig ist. Allerdings macht all das, was er sagt, unglaublich viel Sinn.

Mr Darcy sieht Jake einen Moment lang erstaunt an, dann nickt er. „Wir werden das überprüfen", versichert er uns.

Jake nickt dankend und wirft einen Blick auf seine Uhr. „Wir müssen gehen", teilt er Mr Darcy mit. Daraufhin erheben wir uns alle. Mr Darcy schreitet voran in Richtung Tür, um sie uns zu öffnen.

Ein lauter Knall ertönt und Mr Darcy sinkt vor unseren Augen auf den Boden. Sein weißes Hemd ziert ein runder Blutfleck, der immer größer wird.

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Oh oh, was geschieht hier? 👀

Wer erwartet uns vor dieser Tür?

The Princess's SecretWhere stories live. Discover now