77. Zweifel

599 15 0
                                    

Max Sicht

Meine Laune war am Tiefpunkt. Nicht mal über Q1 hinaus zukommen war deprimierend, obwohl mir ja eh klar war, dass ich morgen von ganz hinten starten würde. Aber heute passten weder die Streckenverhältnisse noch mein technisches Setup. Immer wieder hatte ich über Funk nachgefragt, warum nichts geändert wurde, aber alle antworteten mir, dass sie kein Risiko eingehen wollten. 

Diese Diskussion führte ich auch noch weiter, nachdem ich meinen Wagen in der Box abgestellt hatte. Ich hatte mitbekommen, dass Victoria und Kathi zusammen vor einem Bildschirm saßen und mich beobachteten, doch im Moment musste ich erst einmal etwas anderes klären. 

Irgendwann unterbrach Victoria mich und den Mechaniker mit dem ich meine Diskussion führte, in dem sie mit der Hand vor meinem Gesicht rum fuchtelte. "Was willst du?", herrschte ich sie an. Doch im selben Augenblick tat es mir schon leid. "Unser Vater hat Kathi grade eine Ansage gemacht! Und das auf seine typische Art und Weise.", erklärte sie ihre Unterbrechung. 

Als ich mich zu der Ecke umdrehte, in der sie zuvor saßen, war keiner mehr da. Weder mein Vater, noch Kathi. Ich zog Victoria mit mir aus der Garage. "Was genau hat er gesagt?", wollte ich genau von meiner Schwester wissen. Sie sah mir fest in die Augen, bevor sie anfing zu erzählen.

"Eigentlich das übliche. Anscheinend war er sehr unzufrieden mit deiner Leistung und obwohl ich mir sicher bin, dass er genau weiß warum du im Q1 ausgeschieden bist, hat er ihr die Schuld dafür gegeben. Sie sei nur eine Ablenkung für dich und schlecht für deine Karriere.", fasste sie das Gespräch von meinem Vater zusammen. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob man es überhaupt so nennen konnte. 

"Wie hat sie reagiert? Weißt du wo sie hin ist?", fragte ich besorgt. Ich hatte keine Ahnung was solche Worte in ihr auslösen würden. Anscheinend wollten es mir meine Eltern echt nicht leicht mit ihr machen. Erst der schlechte Start mit unserer Mutter und jetzt das. 

"Ich weiß nicht ob sie noch irgendwas zu ihm gesagt hat. Während ich dabei war hat sie kein Wort von sich gegeben, war wie erstarrt... Als er immer weiter auf sie eingeredet hat, wollte ich dich holen gehen... Ich weiß nicht wo sie hin ist...", mit jedem Wort wurde auch Victoria unruhiger. 

"Max, kommst du? Wir haben jetzt Strategie-Besprechung.", rief mich Christian aus der Box. "Kannst du mal schauen ob du sie findest? Ich muss da leider noch hin.", fragte ich sie und wollte mich schon von ihr abwenden. 

"Ja klar. Gib Jos nicht noch mehr Angriffsfläche für Kathi und geh deinem Job nach!", versuchte sie mich ein wenig zu beruhigen. Am liebsten hätte ich mich selber auf die Suche nach Kathi gemacht, doch die Strategiebesprechung konnte ich nicht sausen lassen. "Danke.", flüsterte ich, während ich mich schon abwendete und Richtung Besprechungsraum ging. 

Mein Vater lief mir zum Glück nicht über den Weg.

***

Das Meeting dauerte natürlich länger als sonst und zog sich echt. Normalerweise zog ich mich vor den Besprechungen um, aber heute nicht. Dafür hatte ich keine Zeit mehr gehabt. Als ich in meinem Raum ankam griff ich zu erst nach meinem Handy welches auf einem Tisch lag. Auf dem Display waren mehrere eingegangene Nachrichten zu sehen. Anscheinend gab es eine neue Gruppe mit Pierre, Charles, Daniel usw. welche heiß diskutierten, was wir heute Abend starten konnten. Unter den anderen Nachrichten war eine von meiner Schwester und auch eine von Kathi, welche ich direkt öffnete. 

Mir geht es nicht so gut. Mache mich auf den Weg zurück zum Hotel. K❤️ 

 las ich. Das sie so knapp geschrieben hatte, bereitete mir Sorgen, da das total unüblich für sie war. Victoria hatte mir geschrieben, dass sie ebenfalls wieder im Hotel war, da sie Kathi an der Strecke nicht gefunden hatte. Ich zog mich schnell um und machte mich auf den Weg. Immer wieder versuchte ich Kathi telefonisch zu erreichen, doch sie ging nie dran.

***

Den Aufzug zu nehmen dauerte mir zu lange, deswegen rannte ich die Treppen rauf. Jeden, der mich in der Lobby aufhalten wollte, ignorierte ich. Ich wollte einfach nur noch zu Kathi. 

Als ich unser Zimmer betrat, fiel mir ein riesen Stein vom Herzen. Kathi lag zusammen gerollt auf dem Bett und schlief. Das erklärte, warum sie nicht an ihr Handy ging. Vorsichtig ließ ich mir neben ihr auf der Matratze nieder und stich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie wirkte blass und hatte dunkle Schatten unter den Augen.  

Da es gleich Abendessen geben würde, versuchte ich sie sanft zu wecken. "Aufwachen, kleine Schlafmütze. Es gibt gleich Abendessen!", flüsterte ich und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihre Augenlider flatterten leicht, bevor sie sie öffnete und die Earpods aus den Ohren nahm. "Hey, du bist schon zurück.", krächzte sie und lächelte leicht. "Tut mir leid das ich dich geweckt habe, aber das Abendessen beginnt gleich." Sie sah mich an und ich merkte, dass es in ihrem Kopf arbeitete, aber was in ihr vorging wusste ich nicht. 

"Ich hab keinen Hunger.", nuschelte sie und wandte ihren Blick ab und knetete ihre Finger. Ich nahm eine ihrer Hände in meine Hand und legte ihr meine andere an die Wange. Sachte drückte ich ihr Gesicht hoch, damit sie mich wieder an sah. 

"Was hat mein Vater zu dir gesagt?", suchte ich vorsichtig das Gespräch mit ihr während ich mich ihr gegenüber auf die Matratze setzte. Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie versuchte diese schnell wegzublinzeln. "Das ich nicht gut genug und eine Ablenkung für dich sei." brachte sie mit gebrochener Stimme hervor. 

Victoria hatte es mir ja bereits erzählt, aber es nochmal von Kathi selber zu hören, machte mich unfassbar wütend. Doch wenn ich meiner Wut jetzt freien Lauf lassen würde, würde es Kathi auch nichts bringen.

"Du weißt aber, dass das nicht stimmt oder?", erwartungsvoll sah ich sie an. "Ja... Schon...", brachte sie stockend hervor. Grade als ich was sagen wollte, fuhr sie fort. "Aber wenn er vielleicht doch recht hat, du es dir selber aber noch nicht bewusst bist? Und selbst wenn es nicht so sein sollte, scheint dein Vater einfach ein Problem mit mir zu haben!", sagte sie jetzt wieder mit etwas festerer Stimme. Ich wusste nicht wirklich, was ich darauf antworten sollte. Hatte mein Vater sie wirklich so zum Zweifeln gebracht? Glaubte sie an das was sie grade gesagt hat wirklich? 

"Kathi, dass ist der größte Schwachsinn den ich je gehört habe. Ich kann dir gerne so oft wie möglich sagen, dass ich glücklich mit dir bin... Das du mich glücklich machst... Das ich mir eine Zukunft mit dir vorstellen kann... Mit dir und unserem Knirps... Sag mir was ich tun kann, damit du mir das glaubst? ", leichte Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit. "Ich glaube dir doch und an dir liegt es nicht, dass ich ins zweifeln gekommen bin. Ich habe es bisher nur selten eine solche Abneigung gegen mich erlebt... Bisher eigentlich nur bei deiner Mutter... Und ich weiß einfach nicht damit umzugehen. Ich weiß nicht wie es weiter gehen soll... Deine Mutter scheint mich wenigstens zu akzeptieren, aber dein Vater wird es niemals... Und ich möchte nicht zwischen dir und deinen Eltern stehen! Familie ist das wichtigste was man haben kann!" Mir war bewusst, dass das Thema Familie ein wunder Punkt bei ihr war. Das ist ja auch verständlich. Nur jemand der bereits all das verloren hat, kann wissen wie wertvoll sowas ist. 

Aber ich wollte Kathi zu meiner Familie dazu zählen und wenn unser Würmchen auf der Welt ist, mit den beiden eine eigene Familie haben. Keiner von uns sagte was. Mir fehlten einfach die richtigen Worte. 

"Ich verspreche dir, dass sowas wie heute nie wieder vorkommen wird.", und um dieses Versprechen halten zu können, würde ich alles tun. 

Von Anfang an anders (Max Verstappen FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt