17. neues Leben

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Eine gefühlte Ewigkeit sagte keiner von uns was. Und langsam versiegten auch meine Tränen wieder. 

"Warum hast du dir die Narbe tätowieren lassen?", brach Max unser Schweigen. Ganz leicht strich er mir mit dem Daumen darüber. Irgendwie war ich froh darüber, dass er nicht weiter auf meine Erzählung einging oder Fragen dazu stellte.

"Nachdem ich bei Marius eingezogen bin und er gemerkt hat, dass ich ein nervliches Wrack war, hat er mich zu einer Therapie bestärkt. Nach etlichen Thrapiesitzungen habe ich begriffen, dass auch wenn meine Eltern und Nico nicht mehr da sind, sie immer noch ein Teil von mir sind. Das war der Grund warum ich mich vor knapp einem Jahr für -you'll never walk alone- entschieden habe. Und das es über der Narbe tätowiert ist...", ich stockte kurz um nach den richtigen Worten zu suchen. "Sie hat mich ständig an meinen Unfall und Nico's Tod erinnert. Und mit dem Tattoo weiß ich zwar immer noch das sie da ist, ist jetzt aber schwerer zu erkennen.", beendete ich mit ehrlichen Worten den Satz. 

Ich hob meinen Kopf von seiner Schulter und sah ihm in sein schönes Gesicht. Mitfühlend sah er mich an. Dann legte er mir eine Hand an die Wange und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Bei dieser Geste musste ich leicht lächeln.

***

"Wieso bist du umgezogen? ", fragte Max mich als nächstes. Im ersten Moment wusste ich nicht ob ich es ihm erzählen wollte, doch ich hatte ihm jetzt so viel aus meiner Vergangenheit erzählt, dass es darauf jetzt auch nicht mehr ankam. 

"Trotz der schwierigen Zeit hatte ich meine Ausbildung abgeschlossen und die Kader-Mädels sind zu meiner Familie geworden. Sie unterstützen mich wo sie konnten. Im Haushalt, beim einkaufen und im Stall, da ich die erste Zeit meinen rechten Arm kaum bewegen konnte. Als wir Anfang 2018 den Landesmeisterschaftssieg von Melissa in einem Club feierten bemerkte ich leider nicht, dass mir irgendjemand etwas in meinen Drink getan hatte. Ich bekam alles mit, hatte aber jegliche Kontrolle über meinen Körper verloren.", mit jedem Wort wurde meine Stimme leiser. "Zum Glück hat mich Melissa's Freund gefunden, bevor mich dieser Kerl vergewaltigen konnte." Die Bilder von damals liefen vor meinem inneren Auge wie ein Film an mir vorbei. Der dunkle Gang, seine Küsse und Hände auf meinem Körper. Angeekelt verzog ich mein Gesicht und ein Schauer durchfuhr meinen Körper.

"Zwei Tage später habe ich meine Sachen gepackt und im Internet nach WG's geschaut. Mir war egal wohin mein Weg mich führen würde. Hauptsache weg. Auf irgendeiner Internetseite stieß ich auf das freie Zimmer bei Marius, allerdings stand dort in Großbuchstaben bei, dass er keine Frau als Mitbewohner haben wollte. Ich rief ihn trotzdem an und verklickerte ihm am Telefon das er es gar nicht mitbekommen würde, wenn ich bei ihm einziehen würde, da ich die meiste Zeit des Tages nicht zuhause sein würde. Schlussendlich willigte er ein. Dann suchte ich noch einen passenden Stall für Vita. Am darauffolgenden Tag schmiss ich all meine Sachen in den Pferdetransporter und machte mich mit Vita auf den Weg in unser neues Zuhause. Vita lebte sich schnell in ihrem neuen Stall ein und Marius und ich gingen uns aus dem Weg. Allerdings schien er mitbekommen zuhaben, dass ich mich jede Nacht in den Schlaf weinte. Wenn ich denn überhaupt mal schlief. Ich hatte Albträume und war nervlich am Ende. Irgendwann stand er eines Abends als ich im Bett lag in meinem Zimmer, setzte sich zu mir auf das Bett und versuchte mich zu beruhigen. Doch jede Berührung von ihm machte es anfangs noch schlimmer. Also setzte es sich in den Sessel, welcher neben meinem Schreibtisch stand und war einfach da. Er saß die ganze Nacht dort. Es muss mega unbequem gewesen sein, doch auch die nächsten Nächte ließ er mich nicht alleine.", bei dem Gedanken an damals musste ich schmunzeln. 

"Irgendwann suchte er dann das Gespräch. Erst war ich nicht bereit dazu, doch das war in Ordnung für ihn. Wir verbrachten immer mehr Zeit zusammen, bis ich mich irgendwann dazu in der Lage war, ihm alles zu erzählen und auch zu lernen Berührungen von ihm zu akzeptieren. Er unterstütze mich dabei einen Platz bei meiner Therapeutin zu bekommen und war meine Stütze wenn mich alles mal wieder überkam. Bevor ich bei ihm eingezogen war hatte er nichts mit Pferden zutun. Doch half er mir bei Vita wenn ich nicht dazu in der Lage war oder als Prime geborgen worden ist, hat er die Nacht mit mir im Stall verbracht. Ohne ihn hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft alles hinter mir zu lassen! Und so kam es dazu, dass wir heute beste Freunde sind." Nun wusste er alles und ich war auf seine Reaktion gespannt.

"Weißt du eigentlich wie stark du bist?", murmelte er gegen meine Haare während er mich fest in seine Arme schloss. Allerdings war dies sehr umständlich, da wir noch immer nebeneinander saßen. So zog er mich kurzerhand auf seinen Schoß. "Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es ist einen solchen Schicksalsschlag nach dem anderen hinnehmen zu müssen und ich möchte es auch niemals erfahren. Aber ich bewundere dich dafür wie du das hinbekommen hast!", sprach er weiter während seine Hände langsam meinen Rücken hinab wanderten. 

"Manchmal ist es immer noch schwer. Ich erschrecke mich bei plötzlichen Geräuschen und Berührungen und kann generell Köperkontakt zu fremden Menschen nicht aushalten. Auch große Menschenmengen sind mir unheimlich und dort fühle ich mich nicht wohl", erklärte ich ihm. "Das du dich erschreckt hast, als ich dich das erste Mal berührt habe, habe ich mitbekommen, aber zurück gewichen bist du nicht? ", sprach er leicht irritiert.

Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte, denn er hatte recht. Aber bei ihm hatte ich mich direkt wohlgefühlt. "Du glaubst gar nicht wie oft ich mir diese Frage die letzten Tage selber gestellt habe! Aber um ehrlich zu sein warst du mir von Anfang an sympathisch und ich fühle mich wohl in deiner Nähe. Nachdem du mich das erste Mal geküsst hattest war ich verwirrt. Du hast mich Emotionen und Gefühle fühlen lassen, welche ich seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte und zu keiner Zeit kamen Erinnerungen an früher auf.", flüsterte ich und sah verlegen nach unten. Wahrscheinlich hatte ich mich hier grade komplett zum Idioten gemacht.

Von Anfang an anders (Max Verstappen FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt