Der Ball - Teil 1

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Andere Zeiten, andere Sitten, oder wie sagt man so schön?

„Alex, dieses Kleid steht dir wirklich gut und es bringt mal wieder dein Dekolleté hervorragend zur Geltung. Hast du für die offenen Haare plädiert?" kam es in einem völlig neutralen Plauderton von meinem Mann. „Lady Melanie sah meine Tätowierung und befand, dass sie nicht jeder sehen sollte. Schon bei der Anprobe hatte ich Faith darauf angesprochen, Haytham. Aber ich muss sagen, dieser Anzug steht dir auch unglaublich gut." hauchte ich etwas atemlos, diese Farben unterstrichen seinen Körperbau, dazu der Lichteinfluss von den Kerzen und Kandelabern ... und prompt wurde ich wieder rot. „Ich werde trotzdem in Zukunft kein Handtuch zu solchen Anlässen tragen, mi sol." lachte Haytham leise.

Im Ballsaal warteten wir jetzt auf Faith und Shay. Die beiden hatten nur Augen für sich als sie eintraten. Ich sah ihnen verträumt zu, bis mich Haytham aus meinen Gedanken holte. „Alex, du gehst die Schrittfolge der beiden ja richtig mit. Gedulde dich, dann darfst auch du den beiden Gesellschaft leisten und wenn ich darf, nehme ich gerne daran teil." lachte er. Ich lehnte mich ebenfalls lachend an seine Schulter. Ich hatte das gar nicht bemerkt. 

 Nachdem nun der erste Tanz abgeschlossen war, durften auch die anderen Gäste daran teilnehmen. Als erstes waren die entsprechenden Damen mit den farbigen Kleidern für die einzelnen Feen und ihre Begleiter an der Reihe. Ich genoss es, mit meinem Mann so in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Melody immer wieder giftige Blicke in meine Richtung warf. Na warte du Miststück!, dachte ich, widmete mich dann wieder voll und ganz meinem Mann. Sie hingegen war völlig unbeholfen, hatte keine Lust, was man deutlich sah. Doch dafür konnte ich nichts.

Die plötzlich auftauchende Lust zum Tanzen in Melodys Augen, war meinem Mann geschuldet, nachdem mich ihr Gatte, der Duke of Bournemouth zum Tanzen aufgefordert hatte. Ihre gierigen Finger lagen nicht still, sie schmiegte sich an Haytham... „Mistress Kenway, ich entschuldige mich für die schlechten Manieren meiner Frau! Ich werde ihr dieses Verhalten noch austreiben müssen!" entschuldigte sich der Duke verlegen bei mir. „Macht euch keine Gedanke darüber, mein Ehemann weiß sich zu wehren." versicherte ich lächelnd meinen Tanzpartner. Als uns die Herren wieder „abgaben" und Melody sich ein Glas des leckeren Champagners nahm, lenkte ich sie mit einem bissigen Kommentar ab. Sie sah kurz von ihrem Glas weg, so dass ich das sich schnell auflösende Pulver hineinschütten konnte! Nicht alles, nur ein wenig, ich wollte sie ja nicht gleich umbringen. Oder doch, eigentlich wollte ich das schon. Bald würde sich zeigen, wie sie den Alkohol vertrug!, grinste ich fies und wandte mich zu Haytham um.

„Du hast es getan, Alex? Hoffentlich..." doch mehr konnte er nicht sagen, die Dame in dem giftgrünen Kleid fing haltlos an zu kichern und zu lachen. Sie pöbelte andere Frauen an, welche ein wenig aus der Form geraten waren, sie seien zu fett und sollten sich lieber im Keller verstecken. Der Duke konnte sie nur noch schnappen und bugsierte die um sich schreiende Melody hinaus in den Garten! Was nun mit ihr geschah, wusste ich nicht und interessierte mich auch nicht mehr. „Alex!" Haytham zog mich ein wenig an den Rand der Gäste. „Sie wird aber nicht daran sterben, oder? Ich hoffe, du hast nur eine kleine Menge genommen. Aber...warum zum Teufel hast du so etwas bei dir?" er konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich habe es aus Sicherheitsgründen dabei, man weiß nie, welche Dame ich von dir abbringen muss, mi amor." hauchte ich ihm ans Ohr, was ihm eine Gänsehaut bescherte. „Deine Strafe wächst an, mi sol, ich freue mich schon darauf!" seine Stimme war rau und das grau in seinen Augen war wieder fast schwarz!

Nach einer Reihe von weiteren Tänzen, zu denen mich einige Herren aufgefordert hatten, bei denen mein Mann mit den entsprechenden Damen getanzt hatte, war ich dankbar für ein Glas des überaus schmackhaften Prickelwassers. Dieses segnete in einem Zug das zeitliche und das zweite folgte sogleich. Es war warm, immer noch, doch dank dieses schulterfreien Kleides schwitzte ich nicht allzu sehr. Dann hatte ich für einen kurzen Moment meinen Gatten wieder für mich und ließ mich von ihm über die Tanzfläche führen. In seinem Gesicht spiegelte sich Freude, Wohlwollen, Zufriedenheit und Stolz wieder. „Ich liebe dich, Alex! Keine andere Frau könnte dir das Wasser hier reichen!" in diesem Moment kicherte ich wie ein kleines Schulmädchen, ich hatte immer noch so meine Probleme mit Komplimenten. „Danke, mi amor" seine grauen Augen hatten diesen warmen Glanz, welcher mir sagte, dass nur WIR beide zählten! Um uns herum wusste ich, dass man sich immer noch fragte, wer ich sei. Doch das war mir egal, sie würden es früher oder später erfahren.

Zu meiner Freude erschienen im Verlauf des Abends auch noch Eheleute Bradshaw und wir gesellten uns für einen Moment zu ihnen. Finley ging es den Umständen entsprechend besser, dank der Pflege seiner Frau und Dr. Andrews. „Mistress Kenway, ihr seht fantastisch aus!" kam es von meinem Geschäftspartner mit einer tiefen Verbeugung. „Ich danke euch, Master Bradshaw! Ich hoffe, ihr konntet euch bis jetzt ein wenig erholen und wieder zu Kräften kommen." fragte ich vorsichtig, weil man noch die blauen Flecken im Gesicht sah. Ab und an verzog er bei einer Bewegung das Gesicht. „Danke der Nachfrage, aber mit meiner Gesundheit geht es stetig bergauf." Das freute mich und ehe ich etwas erwidern konnte, stellte man mich einem Ehepaar in der Nähe vor.

„Mr. Antoine André und seine Gattin Mrs. Marie Louis Girardot." Der Herr war ein Händler aus der Schweiz, welcher sich vor ein paar Jahren hier in London niedergelassen hatte. Wir kamen schnell überein, dass wir in den folgenden Tagen, bevor wir nach Frankreich reisen würden, der Familie einen Besuch abstatten würden. Der Name ließ mir aber irgendwie keine Ruhe und ich fragte Haytham, ob er mir da auf die Sprünge helfen könne. „Nein, mi sol. Mir sagen die Herrschaften nichts. Aber vielleicht fällt es dir ja auch bei dem nächsten Zusammentreffen wieder ein." vermutlich hatte er Recht.

Faith war mit den üblichen Höflichkeiten beschäftigt, was mir ein wenig leid tat, eigentlich war ja Lady Melanie wieder hier und konnte diesen Part übernehmen. Doch es machte den Eindruck, als prüfe sie die Qualitäten ihrer Enkelin als würdige Nachfolgerin. Konnte man das aber nicht auch einfach sagen? Wo wir wieder beim Thema wären. Wer bin ich, das zu hinterfragen? Haytham war mit einigen Ordensbrüdern beschäftigt. Ich ging derweil hinüber zu Mr. Lincon, er war jemand, dessen Thesen für mich auch noch interessant waren. Leider hatte ich nicht mehr daran gedacht, dass er, sobald er im Redefluss war, vergaß wer vor ihm stand. So haute er mir eine Erkenntnis nach der anderen um die Ohren. Die Urechsen und so weiter... ja, das kannte ich doch schon.

Mit einem Seitenblick bemerkte ich meine Schwester, welche sich einen Weg zu mir bahnen wollte. Leider kam sie nicht weit, Mr. Law kam ihr in die Quere, was sie mit einem mehr als genervten Ausdruck quittierte. Ich fragte mich erneut, warum man seine Feinde zu solch einem Ereignis einlud, aber Haytham hatte mich schon versucht aufzuklären. Nicht nur er.... halte deine Feinde in der Nähe... ich gehe nicht näher auf dieses Zitat ein.

Nachdem Faith ihre Pflicht erfüllt hatte, kam sie auf Mr. Lincon und mich zu. Mit den Worten, ob sie mich kurz entführen durfte, führte sie mich von ihm weg und ein Stück aus dem Saal hinaus. „Entschuldige Alex, Master Lincon liebt dieses Thema Urechse über alles, er hat sogar ein ganzes Skelett in seiner Eingangshalle stehen. Ist mehrere Meter groß dieses Tier und die Zähne sind solang" dabei deutete sie die Größe mit den Händen an. Dinosaurier... hier war es noch völliges Neuland, weswegen ich auch Mr. Lincon einfach zugehört hatte. Für mich war es interessant zu erfahren, was die Menschen DAMALS darüber dachten. Auf meine Frage, woher er dieses Skelett des Dinosauriers hat, kam natürlich die Gegenfrage von ihr. „Also werden diese Tiere Dinosaurier genannt?" Ich könnte ja noch weiter ausholen, Yannick fand diese Urzeitwesen einfach völlig faszinierend, er hatte einige Bücher darüber bekommen, auch einiges an Spielzeug... „Wie gerne würde ich dort mal hin" es war mehr geflüstert als gesprochen, doch ich dachte bereits über eine Möglichkeit nach. Aber Haytham mit dem Husten nach nur knapp vier Stunden in meiner Zeit, ernüchterte mich. Sollte ich Faith einfach Bilder schicken... oder ich ließ sie mit meinem Enkel reden... Aber nicht mehr heute Abend, beschloss ich.

 Aber nicht mehr heute Abend, beschloss ich

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Even when your kind appears to triumph - Part 4Where stories live. Discover now