Seekrank und Unwetter

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„Ich vergesse immer, dass ihr ein ganz anderes Leben vorher hattet, Mistress Kenway." flüsterte sie leise und nahm meine Hand, dann wechselte sie das Thema. „Edward ist übrigens schon wieder gewachsen, sein Hemd wird allmählich zu kurz. Aber ich habe schon die neuen Strümpfe und ein anderes Hemd aus seiner Truhe geholt. Nicht dass Master Edward noch krank wird." und damit tätschelte sie sein Händchen.

Kenway junior schlief in seinem Tragebuch und ich ging wieder an Deck. Mittlerweile waren wir auf der offenen See und der Wellengang und kalte Wind nahm weiter zu. Plötzlich sah ich, wie Magda auf die Reling zuhielt und sich darüber lehnte. Ich ging zu ihr und legte beruhigend meine Hand auf ihren Rücken. „Magda, ihr seid doch nicht etwa seekrank, oder?" Bei den letzten Reisen ist mir davon nichts aufgefallen und da hatten wir auch schon mit heftigerem Wellengang zu kämpfen. Aus ihrer Erzählung wusste ich, dass sie von Irland nach New York im Alter von wenigen Monate reiste. „Mistress Kenway, es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm sein kann. Wir sind ja noch nicht mal richtig unterwegs."

„Macht euch keine Sorgen, ihr gewöhnt euch sicher schnell daran. Bis dahin, versucht an Deck zu bleiben und lenkt euch ab, redet mit der Besatzung, geht herum. Ich sehe nach, ob ich euch etwas zusammenstellen kann, damit ihr nicht so leiden müsst." sprach ich beruhigend auf sie ein, als sie sich wieder übergeben musste. Na, das würde ja noch spaßig werden. Zwei Monate seekrank sind kein Zuckerschlecken und ich hoffte, dass Magda das gut überstehen würde.

Unter Deck ging ich zu der umgebauten Krankenstation und sah mir die Kräuter und Mittelchen an, welche ich dabei hatte. Für den Notfall gab es einen heilkundigen Herren an Bord, welcher mir zwar wie ein Metzger erschien, aber er wusste, wie man Wunden verarztete. Das musste reichen! Irgendwann hatte ich auch mal von Akupunktur gehört, die in Fällen von Seekrankheit helfen soll, doch ich hatte weder die Nadeln noch das Wissen dazu, schade. In einem Buch schlug ich dann nach, was es so für Vorschläge gab. Bilsenkraut, Stechapfel und Ingwer. Aha... Stechapfel war mir bekannt gegen Asthma, dass es auch bei der Seekrankheit hilft wusste ich auch nicht. Aber ich würde erst einmal unseren Smutje, Mr Hans Sundström, fragen, ob er Ingwer parat hätte.

Als ich in der Kombüse stand, bekam Hans große Augen. „Mistress Kenway, was verschafft mir die Ehre, dass ihr hier seid." lächelte er mich an und warf einen vorsichtigen Blick in das Tragetuch. „Geht es eurem Sohn nicht gut, oder braucht ihr einen Tee?" kam es etwas besorgt. „Nein, uns geht es gut. Magda, meine Zofe, leidet an der Seekrankheit und ich wollte fragen, ob wir auch Ingwer mit an Bord genommen haben." Mit einem Fingerzeig deutete er mir, dass er tatsächlich welchen hatte. „Das ist ja hervorragend, dann werde ich ihr gleich ein paar Stückchen bringen. Und ich werde dann wohl regelmäßig hier vorbeischauen um Nachschub zu holen!" grinste ich ihn an und ging wieder nach oben.

Magda stand immer noch an der Reling, aber jetzt am Bug und sah auf das offene Meer. Eine gute Idee, so vermied man auch, dass einem schlecht wurde. „Magda, ich habe euch Ingwer mitgebracht. Wenn ihr auf diesen Stückchen kaut, dann vergeht die Übelkeit langsam." sie nahm die Knollenstückchen dankbar entgegen und fing an, meine Anweisung zu befolgen. Michael hatte sich zu ihr gesellt und ich ließ die beiden alleine.

Das Wetter war noch recht gut für diese Jahreszeit und ich hatte die Hoffnung, dass auch der April nicht so turbulent wird. Langsam schlenderte ich Richtung Ruder, wo mein Mann sich angeregt mit unserem ersten Maat unterhielt. „Mi sol, wie geht es Magda? Ich hoffe doch, diese Übelkeit vergeht." fragte Haytham mich etwas besorgt. „Ich hoffe, dass der Ingwer hilft, ansonsten muss ich den Tee aus Bilsenkraut und Stechapfel probieren. Der würde aber widerlich schmecken und ich würde das gerne vermeiden." erklärte ich ihm die Sachlage kurz.

Gegen Abend wurde es wieder kühler und ich ging mit Edward schon mal hinunter in die Messe, damit der Kleine nicht fror. Leise erzählte ich ihm, wo wir waren, wohin wir unterwegs sein und dass er auch meine Heimat sehen wird. „Mistress Kenway, ihr plant auch nach Preußen zu reisen? Eine wunderbare Idee, da wird sich eure Familie sicher freuen, euch wieder zusehen." meinte einer der Besatzung aufgeregt, doch in mir zogen die dunklen Wolken wieder auf. Nein, dort würde mich niemand erwarten. „Wir werden sehen, aber ich freue mich, einfach mal wieder dort sein zu können." lächelte ich etwas gequält.

Even when your kind appears to triumph - Part 4Where stories live. Discover now