14- Steile Klippen

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Die Stadt, vor der sie ankerten, trug den Namen Étretat. Sie war relativ klein, mit knapp eintausendvierhundert Einwohnern war es vielmehr nur ein großes Dorf und keine richtige Stadt. Berühmt war Étretat für ihre steilen Felsklippen, die den Ort von beiden Seiten umrahmten.
Alea sog die salzige Brise in sich auf und sofort wusste sie, dass sie dieses Küstendorf liebte. Die hellen Klippen, die mit Dünen und Graslandschaften bedeckt waren, das blaue Wasser, dass in der frühen Morgensonne türkis schimmerte. Auch ohne die Farben des Meeres war diese Region wunderschön.
„Die Auswirkungen des Düngers verschonen die Küstengegenden", erklärte Ben.
„Zum Glück, diese Natur ist zu schön, um von Landgängern verschmutzt zu werden", meinte Cassaras.
Lennox nickte stumm. Sein Gesicht wirkte finster, doch in seinen Augen sah Alea, dass auch er von dieser Schönheit fasziniert war.
In der Zeit, in der sie einen geeigneten Anlegeplatz suchten, dachte sich die Alpha Cru zusammen mit Cassaras einen Plan aus, wie sie Shiro unbemerkt zu einer der Klippen bringen konnten. Nach kurzer Zeit war alles beschlossen. Die Crucis ankerte nun wieder in einer ruhigen Bucht. Die Gegend hier war zwar allgemein sehr ruhig, allerdings war jetzt, Mitte August, immer noch Saison und hier und da gab es Fischer und Touristen, die an den langen, grau-weißen Stränden spazieren gingen.
Gemeinsam hievten sie Shiro in die Hercules und legten vorerst eine Decke über die Nixe. Es war nicht einfach, die Nixe in das Beiboot zu befördern, immerhin war sie ziemlich schwer und musste auch irgendwie die Außenleiter nach unten. Alea bekam davon nicht viel mit, sie hatte sich währenddessen ihren Flex angezogen und vergeblich versucht, Marianne zu erreichen.
Als sie an Deck kam, sah sie dort nur Ben, Tess und Sammy, die über die Reling starrten. Sie gesellte sich zu ihnen und spähte ebenfalls über Bord.
Im Wasser trieb die Hercules, Cassaras und Lennox saßen nebeneinander in dem Beiboot und auf der anderen Bank lag Shiro, ihr Körper war verdeckt, nur noch ein paar staubig wirkende Schuppen blitzen hervor.
Lennox fluchte gerade über seinen feuchten Hosenboden, da das Schlauchboot in der vergangenen Nacht ja mit Wasser gefüllt gewesen war. Die Holzbretter waren noch lange nicht getrocknet. Sonne zeigte sich nämlich keine mehr, nur am Horizont war ein schmaler blauer Streifen zu sehen. Die frühe Morgensonne war nur wie ein Vorgeschmack gewesen, jetzt hatten sich schwere Wolken vor die Sonne gezogen.
Cassaras redete leise auf Hajara mit Jisu, die neben dem Beiboot schwamm. Kurz darauf zeigte er mit dem Finger auf eine gelegene Klippe, deren heller Stein von dem gedämpften Licht gräulich gefärbt wurde. Alea sah Jisu nicken. Die kleine Nixe wollte schon davonschwimmen, doch Cassaras hielt sie davon ab und legte ihre Hand auf den Rand des Bootes.
Lennox beachtete das kaum, er fing stattdessen an, mit einem der Skorpionfische zu reden, der am Rumpf des Segelschiffes klebte. Alea verstand nicht, was er sagte, aber trotzdem wusste sie, worum Lennox den stummen Magischen bat. Als nächstes sah sie, wie sich zwei Skorpionfische vom Schiffsrumpf lösten und mit einem leisen Platsch im Wasser landeten. Doch kurz darauf tauchten sie wieder auf und hafteten sich mit ihren breiten Mündern an das Beiboot. Alea meinte etwas wie ein leises Schmatzgeräusch zu hören, als sich die beiden Magischen festsaugten.
Lennox hob den Kopf und sah zu der Alpha Cru empor. Als er Alea erblickte, lächelte er und forderte sie mit einer winkenden Geste dazu auf, zu ihm zu kommen. Alea schwang sich kurzerhand über die Reling und tauchte ins Wasser. Sie wartete gar nicht erst auf ihre Verwandlung, sondern tauchte sofort wieder auf. Auch sie hielt sich nun wie Jisu an dem Schlauchboot fest.
Mit einer schnellen Geste winkte sie Sammy und dem Rest der Crew zu, die auf der Crucis bleiben mussten. Vollständige Landgänger waren bei der Todeszeremonie nicht erlaubt, sie durften nicht einmal hingucken.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Cassaras bestimmt. „Alea, Jisu, wenn ihr uns schiebt sind wir schneller."
Die beiden machten sofort, was der Nixenprinz von ihnen verlangte. Tauchen konnten weder Alea noch Jisu, sie beide konnten ohne Sauerstoff im Wasser nicht atmen, also mussten sie sich wohl oder über an die Hercules halten, damit sie getarnt waren.
Die Fahrt zum Strand dauerte nicht lange. Mit dem Antrieb durch eine Nixe und ein Meermädchen düsten sie nur so über die Wasseroberfläche und Lennox und Cassaras mussten die Decke über Shiro festhalten, damit sie nicht wegflog und sich Shiros Staub mit dem Wind verteilte.

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternWhere stories live. Discover now