71 - Schlechte Omen

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Alea war froh, endlich wieder ein Ziel zu haben. Schweden war zwar weit entfernt, aber es war allemal besser als die Ziellosigkeit, die sie empfunden hatte, kurz nachdem sie den Silberumhang verlor.

Jetzt hieß es nur noch, den Übergang von Mittelmeer zum Atlantik heil zu überstehen, ohne dass Orion sie erwischte. Nichts leichter als das...
Allerdings vermutete Ben, dass Orion seine Männer im Glauben, sie wären über Flüsse durch Europa gesegelt, größtenteils abgezogen hatte. Das hieß, solange Cassaras den Mund geschlossen und dem Doktor ihren wahren Aufenthaltsort nicht gesteckt hatte. Noch immer war es schwer, den Nixenprinzen einzuschätzen. Jedes Mal, wenn man dachte, ihn zu kennen, tat er etwas Unvorhergesehenes und man musste sich überlegen, ob die Vorstellung, die man von ihm gehabt hatte, überhaupt richtig war.

Nachdem Alea eine Antwort an ihre Eltern geschickt und sich mit Tiara und den anderen über Elenas Stammzugehörigkeit ausgetauscht hatte („Ich wünschte, ich könnte es ihr sagen..."), fragte sie Sammy nach seinem Drachenschatz.

„Die Silberfadenvisionen mit dem Himmel, die in Venedig und die mit Tiara wurden erfüllt, es sollten nun neue für mich bereit sein", erklärte sie ihm. Sammy war natürlich sofort Feuer und Flamme und holte das kleine Döschen mit den Fäden aus seinem Versteck unter den Planken. Alea zögerte nicht lange und nahm die Fäden zwischen die Finger. Augenblicklich zuckten die ersten Bilder vor ihren Augen auf.

Lennox. Er stand mit Tränen in den Augen vor ihr, in einem vollständig weißen Raum, in dem nur einige ebenso weiße Stühle standen. Im Hintergrund sah man ein spiegelndes Fenster, das einen allzu bekannten Garten zeigte. „Lebewohl", sagte er, und diese Worte brachen Alea abermals das Herz.

Erneut hatte sich die Umgebung geändert! Sie war nun so klar wie nie zuvor, was Alea zutiefst beunruhigte.

Tiara. Sie stand in einem Raum, den Alea nicht kannte und schaute mit undefiniertem Blick starr geradeaus. Sie blickte leicht an Alea vorbei. Ihre Arme waren vor ihrer Brust verschränkt. Alea überkam eine Welle des Schmerzes, der Verzweiflung.

Ein ungutes Gefühl machte sich in Aleas Bauch breit. Sie hatte ein ganz mieses Gefühl bei dieser Vision.

Tess, sie stand vor Alea. Mit Erschrecken erkannte sie, dass es der „Thronsaal" in Orions Villa war. Aber noch erschreckender war, was Tess tat. Zitternd stand sie da, doch mit einer Entschlossenheit in ihrem Blick, die Alea Angst einjagte. In ihrer Hand hielt sie eine Pistole.

Alea ließ den Faden augenblicklich fallen und schlug sich die Hand vor den Mund. Übelkeit überkam sie. Entgeistert blickte sie zu Sammy. Dieser hatte den Faden rechtzeitig aufgefangen und schaute sie mit großen Augen an.

„Was hast du gesehen?"

„Ich muss mit Ben reden", hauchte Alea nur und stand hastig auf. Sie schüttelte Sammys Hand ab und ignorierte seinen Protest.

„Und du bist dir wirklich sicher?" Ben rieb sich erschöpft die Augen.

„Hundertprozentig", murmelte Alea bedrückt. „Tess hatte eine Pistole in der Hand, sicher eine von den Waffen, die Orions Männer häufig bei sich tragen."

„Du sagtest, die Bilder wären klar?", wollte Lennox wissen.

„Glasklar. Das bedeutet, sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso eintreffen, und das in Orions Villa." Alea ließ den Kopf hängen. „Wer will es ihr sagen?"

„Ich finde, dass das keine so gute Idee ist", meinte Ben. „Wenn die Visionen wirklich eintreffen, gibt es ohnehin nichts, was wir ändern können, egal was wir tun. Es würde die anderen nur unnötig beunruhigen."

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternWhere stories live. Discover now