54 - Prophezeiung

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Die Tasfaren, mit denen Alea bislang Bekanntschaft gemacht hatte, waren nicht selten größer gewesen als normale Pferde, doch keiner war so groß wie dieser. Es war ein riesiger, leicht violetter Rappe mit einer wehenden langen Mähne. Seine seepferdchenähnliche Schwanzflosse und sein märchenhafter Kopf waren noch majestätischer als bei gewöhnlichen seiner Art.

„Sei still", wies Alea ihre Schwester an, welche daraufhin nur ein Nicken erwiderte.
Seichter Druck ging durch das Wasser, als der gigantische Tasfar mit seinen Flossenflügeln schlug. Er näherte sich immer noch, bis er etwa drei Meter vor ihnen anhielt. Alea sah ihn nicht, und doch spürte sie seinen Blick auf ihrer Haut brennen. Der forsche Blick ging durch sie durch und ließ ihr Herz höherschlagen.

Fast erwartete sie, dass der Tasfar sie nur anstarren würde und dann wieder verschwand, doch dann sprach er: „Die Elvarion, was seh' ich da? Was tust du hier, du bist in Gefahr. Zwei von euch ich sehe hier. Macht nur, dass wegkommt ihr! Die Gewässer sind kein sich'rer Ort. Macht schon! Schwimmt schnell hinfort! Dunkelheit wird einhüllen dich, während die anderen stets bleiben im Licht. Die Zeiten, ja, sie wandeln sich. Jetzt ist es schön, doch hüte dich! Ein Feind, der schleicht sich bei euch ein. Lasst ihn auf keinen Fall herein! Verraten wird er dich, Mal um Mal. Bis ihr nur noch seid niedriger Zahl. Doch ich schenke euch, was ich nun fand. Ein Dieb nahm es aus des Meermenschen Hand. Nun geht nach Haus, geht aus dem Wasser hinaus. Ich werde euch nur mit diesen Worten leiten, also möge euch stets ein guter Wellenschlag begleiten."

Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung und rauschte an ihnen vorbei. Seine tiefe Bassstimme hallte immer noch in Aleas Brustkorb nach. Angestrengt versuchte sie, sich jedes seiner Worte einzuprägen, auf keinen Fall durfte sie diese Prophezeiung vergessen!
Anthea schwamm währenddessen zu der Stelle, an der der Tasfar geschwommen war und fing etwas auf. Tatsächlich, das riesige Seepferd hatte ein Geschenk zurückgelassen!

Alea gesellte sich, noch immer zitternd, zu ihrer Schwester und musste feststellen, dass es ein großes Büschel Rofus war, dass von einem dunkelvioletten Flex zusammengehalten wurde. Der Meermenschenanzug sah ähnlich aus wie ihr eigener, nur gab es keine Verzierungen aus Perlmutt, sondern kleine Akzente aus schwarzen Schuppen.

„Der ist wohl für mich", murmelte Anthea und ließ ihre Finger über den fließenden Stoff gleiten.

„Er ist wunderschön." Alea lächelte. „Vom Aussehen her ist er auch irgendwie das genaue Gegenteil von meinem Flex."

„Ein eigenartiges Wort", meinte Anthea und kicherte.

„Irgendwie schon." Alea lächelte schief. „Aber wir sollten jetzt zurückgehen. Der Tasfar meinte, wir seien in Gefahr. Ich weiß zwar nicht, ob er Orion allgemein gemeint hat, oder ob da noch etwas anderes ist, aber es wäre besser, wenn wir zur Crucis zurückkehren." Sie legte ihre Hand auf Antheas Schulter, doch dieses Mal schüttelte sie sie ab.

„Mhm", machte sie nur, wickelte den Flex um ihren Arm und reichte Alea den Rofus. Dann suchte sie nach der Spur, die sie beim Schwimmen hinterlassen hatten. Alea hatte ihr bereits eine Einführung gegeben, wie man sich im Wasser zurechtfinden konnte. Es dauerte nicht lange, bis sie die Spur wiedergefunden hatte.

Schweigend zischten sie ihre Spur entlang zurück zur Crucis und folgten deren Kurs, bis sie endlich das Seil treiben sahen und das Wasser am Holz plätschern hörten. Es dämmerte bereits und die Sonne tauchte das Meer in einen rötlichen Schimmer. Trotzdem war sich Alea sicher, dass sie immer noch in der Zeit waren, was ihnen hoffentlich die Standpauke ersparte, die sie mittlerweile von Ben gewohnt war. Was konnte sie denn dafür, dass man unter Wasser in der Dunkelheit kein Zeitgefühl besaß?
Es war ruhig, kein Zeichen von Orion. Alea atmete innerlich auf. Anscheinend war die Warnung des Tasfaren nicht auf ein aktuelles Ereignis bezogen.

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin