Alea Aquarius - Die Magie der Schwestern

48 - Das Eis ist gebrochen

„Ihr seid wirklich der Wahnsinn!", musste Elena zugeben.

„Das ist echt cool!", pflichtete Anthea bei. „Deine Wassergläser, Alea." Beeindruckt warf sie ihrem Zwilling einen Blick zu. Dieses Mal konnte Alea ihren Blick nur mit einem strahlenden Lächeln entgegentreten. Es passierte sogar das schier Unmögliche: Anthea erwiderte es. Wenn auch nur leicht, aber der Funke in ihren Augen war echt.

„Ich habe so etwas schon einmal im Internet gehört, aber in echt klingt es noch viel schöner. Rock und dieser magische Ton..." Anerkennend und mit vor der Brust verschränkten Armen nickte ihre Schwester. „Kann ich es auch einmal probieren?", fragte sie dann.

Überrascht nickte Alea. „Na klar!"

Hastig stand sie auf, ihre Knie zitterten noch ein wenig. Vorsichtig ließ sich Tiara vor den Gläsern nieder, darauf bedacht, keines der Gefäße umzustoßen. Mit ihrem Zeigefinger tippte sie kurz in das kühle Wasser hinein und ließ ihn dann über die Ränder gleiten. Ein zarter Ton erklang, schwach von der anfänglichen Unsicherheit seiner Erzeugerin. Tiara starrte fasziniert auf das Glas und probierte gleich ein anderes aus. Dieses Mal war der Ton höher und kräftiger als der erste. Bei einem größeren Glas war der Klang tiefer, das verstand Tiara sicher sofort. Nachdem sie einige weitere Gläser ausprobiert hatte, versuchte sie sich an einer kleinen Melodie, die ein wenig dem spanischen Weihnachtslied Felíz Navidad ähnelte. Anscheinend hatten beide Schwestern eine Vorliebe für Weihnachtslieder.

„Ich frage mich, ob das zusammen mit einem Klavier gut klingt", überlegte Tiara laut und rappelte sich auf. Sie warf Alea einen verschmitzten Blick zu. „Vielleicht könnten wir mal ein Duett spielen."

Alea erwiderte kurzerhand das Lächeln.

„Ja, das wäre schön."

„Möchtest du es auch mal ausprobieren?", fragte Tiara nun Elena, die natürlich sofort Feuer und Flamme war. Beinahe stieß sie ein Glas um, so aufgeregt, wie sie war.

Bei ihr klang es viel... experimenteller, aber sie hatte auch keine Erfahrung mit Instrumenten oder Noten. Trotzdem hielt es sie nicht vom Spielen ab, kurzum fand sie ihren eigenen, einzigartigen Rhythmus, den sie immer wieder spielte.

Dabei vergaßen sie ganz die Zeit. Nach einer Weile meinte Ben, sie sollten sich nun wieder besprechen.

Sammy, Elena, Tiara und Alea stöhnten. Schwerfällig ließen sie sich aufs Sofa fallen. Warum sollten sie jetzt wieder zu ernsteren Themen kommen, wo sie doch so viel Spaß hatten?

„Geht es wieder um diesen Orion Typen?", beklagte sich Tiara.

Ben nickte und faltete die Hände zusammen. „Wir müssen euch beide vor ihm beschützen, er könnte euch als Druckmittel benutzen", erklärte er. „Es wäre zu gefährlich, euch ohne Schutz zurückzulassen, am besten wäre es also, wenn ihr mit uns mitkommt."

Elenas Augen weiteten sich, während Tiara die Augenbrauen zusammenzog.

„Was macht das denn für einen Sinn?", wollte sie wissen, ohne erst auf seinen Vorschlag – dass sie sich der Bande vollkommen anschlossen – einzugehen. „Dann sind wir doch alle auf einem Platz und sind ihm ausgeliefert, wenn er uns findet."

„Da hast du natürlich recht", musste Lennox ihr zustimmen. „Aber sollte er dich hier finden, wird er dich gefangen nehmen und uns und deine Eltern mit dir erpressen. Wenn wir alle zusammen sind, hat er kein Druckmittel."

Elena wechselte einen eingeschüchterten Blick mit ihrer besten Freundin.

„Das wir ihm alle ausgeliefert sind, stimmt zwar", fuhr Lennox fort, „allerdings können wir ihm als große Gruppe viel eher entkommen und es ist einfacher, sich zur Wehr zu setzen."

„Und überhaupt müssen wir euch noch mehr in die Meermenschenwelt einführen", mischte sich Alea ein. „Ich muss dir das richtige Walwandern beibringen, Tiara, und dir alle Fähigkeiten der Walwanderer erklären. Bei dir, Elena" Sie blickte zu dem blonden Mädchen, das halb überfordert neben ihrer Schwester saß. „wissen wir auch noch gar nicht, was für einem Stamm du angehörst. Dafür brauchen wir Nelani. Es wäre ohnehin besser, wenn wir euch gleich zu unseren Eltern mitnehmen, damit ihr sie kennenlernen könnt."

„Sagt doch gleich, dass ihr uns keine Wahl lassen wollt", sagte Tiara augenverdrehend, musste dann aber lachen. Die Cru entgegnete dem nur mit einem schiefen Lächeln.

„So in etwa", musste Ben zugeben.

„Also...", begann Tiara und lehnte sich nach vorne. „Heißt das im Klartext, dass wir bei euch auf dem Schiff einziehen, für ein paar Wochen nicht zur Schule müssen und währenddessen lauter magisches Zeug kennenlernen?" Sie schaute Ben forschend an, der daraufhin schulterzuckend nickte. „Dann bin ich dabei." Sie klatschte in die Hände und stand auf.
Elena lachte und boxte ihre Freundin leicht in die Seite. Halb lachend kommentierte sie den Anschluss auf Spanisch, was Alea natürlich nicht verstehen konnte.

„Sei mal ein wenig lockerer, Elena", erwiderte Tiara, wieder auf Englisch. „Ein paar extra Wochen Sommerferien haben doch noch keinem geschadet. In den ersten Wochen passiert doch sowieso kaum etwas in der Schule, also können wir doch noch etwas Spaß haben." Sorglos zuckte sie mit den Schultern und ging dann in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen.

„Es ist nicht nur Spaß", bedachte Lennox. „Wir müssen uns verstecken, leise sein, hin und wieder weglaufen oder sogar kämpfen. Nimm das nicht auf die leichte Schulter."

Wieder wiegte Tiara das nur mit einer sorglosen Miene ab. „Dann haben wir endlich mal etwas Abenteuer." Mit einer Cola-Dose in der Hand ließ sie sich schließlich wieder auf das Sofa fallen. Es spritzte, als sie die Dose öffnete, doch sie kümmerte sich ebenso wenig um die Tropfen Cola auf der hellen Couch. Gelassen schlug sie die Beine übereinander und lehnte sich zurück, während sie ihr Getränk schlürfte.

„Das ist wirklich kein Scherz, Tiara", wies Ben sie nun zurecht. Seine Stimme hatte nun den Ton eines Kapitäns angenommen. „Orion jagt uns, es könnte sein, dass seine Männer jede Minute durch die Tür stürmen oder auf unser Boot klettern, uns ausknocken und gottweißwas für Dinge mit uns anstellt. Der Mann ist gefährlich!"

Tiara seufzte. Ihr Blick verdunkelte sich. „Wenn das so ist...", brummte sie. „Aber ihr lasst mir doch eh keine Wahl."