75 - Sizilien

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In den letzten Stunden hatte der Wind zugesetzt, und so kam die Crucis schnell voran. Immer noch lebten sie in der Hoffnung, unbemerkt aus dem Mittelmeer fliehen zu können. Unzählige Hindernisse stellten sich ihnen – von denen Tess' vermutlich besorgte und wütende Eltern das geringste war. Die Angst war im Moment das größte. Ben hatte es immer noch nicht über sich gebracht, den anderen beiden etwas von den Visionen und der hohen Wahrscheinlichkeit zu erzählen, dass sie bald von Orion entführt werden würden. Dank dem Zwischenfall mit Tiara war es ihm auch nicht gelungen, wenigstens mit Lennox das Grundgerüst einer Strategie zu entwickeln.

Es war nun Nachmittag, und sie hatten gerade etwas verspätet zu Mittag gegessen, und Alea drängte Ben immer weiter mit ihren Blicken. Als sie ihn von der Wache ablöste, konnte sie es sich nicht mehr verkneifen.

„Wann erzählst du es ihnen denn endlich?", fragte sie. „Uns bleibt vielleicht keine Zeit mehr. Entweder du machst es jetzt, oder ich tue es!" Was war nur heute los mit der Alpha Cru? Keiner von ihnen schien bei Sinnen zu sein, was wohl dem Druck, den Streitereien mit Tiara und dem nervenden Keifen des Windes zu verschulden war.

Ben atmete langsam durch. „Okay, ich erzähle es ihnen jetzt."

„Na endlich!" Alea verdrehte die Augen und nahm das Steuerrad in die Hand. Am Horizont konnte sie Land erkennen, es war die Südspitze Siziliens. Sie waren wirklich schnell vorangekommen, viel schneller als bei ihrem Hinweg.

Also machte sich Ben aus dem Staub, und Alea wünschte ihm noch ein scherzhaftes „Viel Glück."

Nun war sie ganz allein an Deck. Tiara hatte sich immer noch nach unten verschanzt, während alle andere mit ihrem Orion-Dilemma beschäftigt waren. Dass sie allein an Deck war, ging zwar gegen ihre neuen Regeln, allerdings fand Alea das nicht so schlimm. Sie war im Deckshäuschen vor dem reißenden Wind geschützt und hörte nur das Knarzen der Planken und die leisen Stimmen ihrer Freunde von unten. Noch immer waren keine anderen Schiffe in Sicht, und so sah es sehr gut für sie aus.

Das dachte sie zumindest. Ihre Wache war schon fast wieder vorbei und die Stimmen der anderen unter Deck waren leiser geworden, da hörte Alea ein beunruhigendes Geräusch. Sie schaltete schnell auf Autopiloten, dann öffnete sie die Tür und stellte sich dem Wind entgegen. Er pustete zwar von ihnen weg, dennoch hörte sie das verräterische Knattern eines Hubschraubers aus der Richtung Küste.
Panik ergriff sie kurzerhand, und sie stampfte mehrere Male mit dem Fuß auf. Das war nicht nötig gewesen, denn Lennox feine Ohren hatten das Geräusch bereits wahrgenommen und eine Millisekunde später kam er auch schon an Deck gesprintet.

„Hörst du das auch?", wollte er von Alea wissen. Sie nickte beklommen.

Kurze Zeit später kam auch der gesamte Rest der Alpha Cru besorgt an Deck.

„Ist das Orion?", fragte Sammy piepsig, er hatte sich an Tess festgeklammert. Auch sie hatte vor Angst geweitete Augen und war in sich zusammengesunken.

„Warum muss er ausgerechnet jetzt kommen?", murmelte Tess.

Dem konnte Alea nur zustimmen. Sie hatten keine Zeit gehabt, eine Strategie zu entwickeln! Die Streiterei mit Tiara, Aleas Verschwinden, Bens Zögern – all das hatte ihre wertvolle Zeit verschwendet.

Ben lief ins Deckshäuschen und kramte ein Fernglas heraus. Ein kurzer Blick sagte ihm alles. „Scheiße", entfuhr es ihm. Die anderen schauten ihn erwartungsvoll an.

„Zwei Hubschrauber, und wahrscheinlich mehrere Motorboote. Sie nähern sich schnell."
Er drückte Alea das Fernglas in die Hand, hastete zurück zum Steuer und deaktivierte den Autopiloten. Als er das Steuerrad herumriss, musste sich Alea an der Reling festhalten, um das Gleichgewicht zu halten. Die Crucis bog scharf zur Seite ab, in Richtung Afrika und weg von Sizilien.

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt