Alea Aquarius - Die Magie der Schwestern

85 - Rettung in letzter Sekunde

Alea, deren Blick immer noch auf Tess ruhte, sah, wie sich ihre Augen geschockt weiteten. Sie hatte nicht geschossen! Doch was war das eben?

Langsam drehte Alea den Kopf zu dem Doktor um. Entsetzt sah sie, wie ein Pfeil in seiner Schulter steckte, die drei Spitzen hatten sich tief in sein Fleisch gegraben. Allmählich färbte sich der blütenweiße Laborkittel blutrot. Sie konnte sich im Schock kaum von dem Anblick losreißen. Orion sank schon auf ein Knie herab, das Gesicht schmerzverzerrt. Verzweifelt versuchte er, den Pfeil aus seinem Körper zu ziehen, doch die Widerhaken hatten sich fest in seiner Schulter verankert.
Erst nach langen Sekunden schaute Alea sich um und entdeckte Cassaras, der mit gezücktem Bogen in der Tür stand, durch die sie hereingekommen waren. Die kleine Gruppe, die aus der Crew und den Männern bestand, die sie festhielten, hatten ihm Deckung gegeben, und durch Tess' Ablenkung hatte er die Gelegenheit gehabt, einzugreifen. Für einen Moment fragte sich Alea, wieso er den Doktor nicht gleich umgebracht hatte, denn diese Pfeile hätten einen Menschen locker durchbohren können. Aber sicher hatte Cassaras Alea vor einem noch heftigeren Trauma bewahren wollen.

Den Schreckensmoment nutzte nun die Alpha Cru aus, um sich zu befreien. Sammy biss dem Mann in die Hand, Ben trat seinem auf den Fuß und Tiara versetzte ihm einen so heftigen Hieb mit dem Ellenbogen, dass er Alea fast leidtat. Lennox nahm dem erstbesten Feind die Waffe ab und benutzte ihn als menschlichen Schild, während er die anderen Männer bedrohte. Diese waren anscheinend sehr viel weicher als ihr Boss, und sofort hoben alle drei die Hände und legten ihre Waffen zu Boden.
Die Darkoner hatten ihre Gegner auch schnell besiegt und einer von ihnen hob kurzerhand Orions Pistole auf, während der andere der noch vor Schock erstarrten Tess behutsam ihre abnahm.

„Du verdammtes Arschloch!", schrie Tiara dem noch immer leidenden Orion zu und lief zu Alea. „Ist alles okay?", wollte sie wesentlich sanfter wissen, als sie Alea auf die Beine half. Diese nickte schwach, war aber immer noch ganz gelähmt vor Angst.
Nun rannte auch Cassaras auf sie zu und riss sie weiter von Orion weg, wodurch sie beinahe wieder hingefallen wäre.

„Wieso...bist du hier?", fragte sie ihn benommen. „Ich dachte...du hasst uns. Dass du dich an uns rächen willst. Wieso hilfst du uns auf einmal?"

Cassaras schaute besorgt umher, als wüsste er nicht, ob ihnen die Zeit für solche Erklärungen blieb. Gerade eskortierten die beiden Darkoner die Alpha Cru zum Treppenhaus, Tiara folgte ihnen, als Lennox zu Alea lief. Vorher drückte sie noch einmal Aleas Schulter, als wolle sie ihr sagen, dass alles gut werden würde. Alea hatte ihr echt Unrecht getan.

Schließlich entschied sich der ehemalige Nixenprinz doch noch dazu, sie nicht im Dunkeln zu lassen, denn er sagte: „Ich hatte auch vor, mich zu rächen. Ich plante bereits, wie ich es tun würde, aber dann kam deine Mutter zu mir. Sie schien weder Angst noch Abscheu zu haben und bat mich stattdessen verzweifelt um Hilfe. Da habe ich realisiert, dass meine Rachegelüste nur ein ewiger Teufelskreis sind. Ich bin allein, habe keine Freunde, was nützt mir denn meine Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken? Der Umhang zeigt mir immerhin nur Jahrhunderte, in denen ich allein bin. Da kann ich mich doch wenigstens nützlich machen, egal wie albern ich deinen Traum nach wie vor finde."

Alea lächelte matt. Nach alldem hatte er sich nicht verändert. Aber sie war so froh wie nie, einen so starken Verbündeten an ihrer Seite zu wissen.

Ohne, dass sie viel dagegen tun konnte, wurde sie von Cassaras in Richtung Ausgang gezogen, wohin bereits die restlichen Mitglieder ihrer kleinen Truppe verschwunden waren. Lennox stieß allerdings die Hand von Aleas Schulter weg und warf dem Ex-Prinzen einen bitterbösen Blick zu.
Schön zu sehen, dass sich hier nichts verändert hat, dachte Alea mit dem letzten Rest Sarkasmus, den ihr geschädigter Geist in diesem Moment noch aufbringen konnte.