47 - Straßenband

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Später teilte Elena ihnen auf Englisch mit, dass Tiaras Nachbarn angerufen hätten und sie nun Mio abholen müssten. Sammy war natürlich beleidigt, dass Elena nun nicht der Bande mit einem Bandennamen beitreten würde, doch Tiara schien ganz erleichtert zu sein, dass sie endlich gehen durfte.

Nach einem etwas steifen Abschied stiegen die beiden Mädchen zu Ben in die Hercules, die sie ans Festland zurückbringen würde. Alea stellte sich an die Reling und schaute ihnen mit versteinerter Miene hinterher. Nach einer Weile gesellte sich Lennox zu ihr. Alea wandte sich nicht zu ihm um und konnte ihn nicht richtig sehen, da der kühle Wind ihr die Haare um die Ohren blies. Doch sie spürte seine Anwesenheit deutlich. Sie fröstelte.

"Das war wohl kein so guter Start", meinte er trocken. "Aber es wird bestimmt noch besser."
Nun drehte Alea sich doch um und schlug ihn dumpf auf den Oberarm.
"Ihr erzählt alle das gleiche", zischte sie. "Ich weiß es doch selbst! Anthea ist ganz anders als in meiner Vorstellung, in der ich mit ihr glücklich wie in einem Märchen auf Walen geritten bin, mit ihr die Welt erkundet habe und alles perfekt war."
Jetzt im Nachhinein fand sie diese Fantasien lächerlich. Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Sie spürte, wie die Tränen der Verzweiflung in ihr aufstiegen.
Plötzlich stieß Lennox sich von der Reling ab und baute sich vor ihr auf. Verwundert blickte Alea ihn an. Er hatte seine Kriegerposition eingenommen.
"Lass es raus", flüsterte er. Kaum hörbar unter dem Pfeifen des Windes. "Lass es alles raus."
Alea nickte stumm, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, die vom Wind fortgetragen wurde.

Und so kämpften sie im Halbdunkeln auf dem Deck der Crucis. Lennox versuchte, sie umzuwerfen, sie wich aus und verpasste ihm ein paar leichte Tritte gegen das Bein. Bei dem Kampf kamen sie sich nahe und entfernten sich wieder auf mehrere Meter, verfolgten sich, wichen aus. Mehrere Male stolperten sie beinahe über Kisten und Seile, bis sie sich schließlich erschöpft auf die Couch im Salon fallen ließen.

„Du wirst besser", lobte Lennox sie. „Deine Angriffe werden präziser und taktischer, weniger intuitiv. Nur an deiner Verteidigung musst du noch ein wenig arbeiten."

„Im Halbdunkeln ist das viel schwerer", keuchte Alea. „Deine Jacke ist sowieso schon schwarz, wie soll ich dich dann sehen?"

Doch sie meinte es nicht böse. Im Gegenteil, der kleine Kampf hatte ihr gutgetan und ihren Geist geklärt. Seit Lennox sie in Selbstverteidigung und seinem eigenen Kampfstil lehrte, hatte sie eine Beschäftigung, in die sie ihre ganzen Gefühle stecken konnte.
Als sie dann später ins Bett fiel, siegte ihre Müdigkeit rasch gegen ihre Grübeleien und sie fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Am nächsten Morgen wachte Alea mit neuem Elan auf. Sie hatte eine Idee, wie sie ihrer Schwester näherkommen könnte.

„Wir müssen ihnen ein kleines Konzert geben!", verkündete sie schließlich beim Frühstück. „Unser Geld wird langsam knapp und wir müssen sowieso wieder auftreten. Nach der Schule besuchen wir Tiara und spielen ihr etwas vor."

Sammy war sofort Feuer und Flamme. „Wollen wir unsere eigenen Songs spielen?"

Alea zögerte. „Elena würde sie nicht verstehen, und bei unserem alten Repertoire gibt es Lieder, die die beiden auch kennen."

„Sag bloß nicht, dass dir unsere Lieder peinlich sind!" Empört stemmte Sammy seine Arme in die Hüften. Natürlich hatte er den wahren Grund für ihre Bedenken erraten.

„Ich glaube, die Songs sind weniger peinlich", mischte sich Tess ein. „Aber was, wenn Tiara sie wieder albern findet?"

„Genau", murmelte Alea betrübt. „Nach dem, was gestern passiert ist, wissen wir ja, wie unsere Interessen und Meinungen auseinandergehen."

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt