79 - Erste Dosis

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Danach ließ Doktor Orion sie endlich in Ruhe. Er erklärte noch einige belanglose Sachen, wohl da er sich selbst so gern zuhörte, spielte Alea noch etwas von seinem Pseudo-Mitleid vor und verließ dann das Zimmer. Alea freute sich unendlich über die Ruhe. Sie hatte noch nicht alles begriffen und brauchte erst einmal Zeit, die ganzen Dinge zu verarbeiten. Das dauerte gerade etwas länger, denn noch immer war ihr Geist ganz benebelt. Doch sie spürte bereits, wie die Wirkung langsam nachließ.

Fast gleichzeitig bemerkte sie, wie sich in den anderen Zimmern etwas regte. Als erstes war Lennox derjenige, der sich allmählig in seinem Stuhl bewegte und nach und nach das Bewusstsein wiedererlangte. Nur wenige Minuten später wachte auch der Rest der Alpha Cru im anderen Zimmer auf. Sie schauten sich ängstlich um und entdeckten dabei ihre Zimmernachbarin. Alea sah, wie sie ihren Namen mit den Lippen formten, doch kein Laut drang zu ihr durch. Die Zimmer mussten absolut schalldicht sein.

Wie gut es doch gewesen wäre, hätte Alea etwas Gebärdensprache von den Brüdern gelernt! Doch leider konnte sie kaum etwas, nicht einmal das Alphabet bekam sie zustande. Und im Lippenlesen war sie ebenfalls alles andere als gut. Ohnehin konnte sie nicht viel machen, immerhin war sie immer noch an den Stuhl gefesselt.

Es mussten zehn Minuten vergangen sein, seit der Rest der Cru aufgewacht war, da kam plötzlich jemand durch Aleas Tür. Sie erschreckte sich fürchterlich. Leider war es weder Orion oder Tiara, sondern irgendeiner von Orions Männern, den sie wohl noch nie gesehen hatte. Er sprach kein Wort, kam nur wortlos herein und verschloss die Tür sofort wieder, bevor Alea einen längeren Blick auf die beiden Wachen draußen und den schmalen weißen Flur werfen konnte. Im ersten Moment bekam sie Angst, was der Mann mit seinem finsteren Gesicht wohl tun würde, doch voll Verblüffung stellte sie fest, dass er ihre Fesseln löste. Er nahm das Seil und die Handschellen vorsorglich mit, mit denen sie gefesselt war, und verließ das Zimmer, ohne auch nur ein Wort zu verlieren oder ihr einmal in die Augen zu schauen.

Immer noch verwundert stand Alea auf, kreiste die schmerzenden Handgelenke und dehnte ihren verspannten Körper. Fast wäre sie umgekippt, da ihr Kreislauf nach dem langen Sitzen und durch das Beruhigungsmittel am Ende war und darüber hinaus ihre Füße schmerzten und ihr Gesäß eingeschlafen war. Nach und nach rappelte sie sich auf und ging durch den Raum, um sich eine neue Perspektive zu verschaffen. Leider fand sie nicht viel Neues. Der Flur und die Fenster waren extra so ausgelegt, dass sie nichts als weiße Wand sah, nicht mal eine Wache war in Sicht.

Weder die drei noch Lennox schienen viel tun zu können. Sie warfen sich ein paar hilflose Blicke zu, Lennox wandte nur orientierungslos den Kopf, auf dem noch immer der Sack steckte. Verzweifelt schlug Alea mit der Hand gegen die Scheibe, was aber nur mit einem aggressiven Hämmern an der Tür quittiert wurde. Erschrocken fuhr Alea zurück. Eine Weile noch tigerte sie durch den Raum, bis sie den Blick auf ihre Freunde nicht mehr ertrug. Prompt setzte sie sich auf den Boden an die Wand, und bildete sich ein, die Staubkörnchen in der Luft zu zählen.

Sie schreckte eine Weile später hoch, sie musste wohl eingedöst sein. Ihre Kehle war trocken und ihr Magen knurrte. Wie viel Zeit wohl vergangen war? Sie stand auf und blickte zu Lennox' Zelle hinüber. Doch der Garten auf der anderen Seite des vergitterten Fensters war wie unverändert. Es konnte kaum eine Stunde gewesen sein.

Sie blickte sich zur anderen Seite um, die drei schauten sie mit großen, hilflosen Augen an. Alea warf ihnen einen entschuldigenden Blick zu, der so viel sagen sollte, aber sie hielt einem längeren Blickkontakt nicht stand. Sie konnte es einfach nicht. Die Schuldgefühle keimten in ihr auf. Hätte sie die Cru bloß nie in diesen Schlamassel gezogen! Jetzt bekam Tess großen Ärger von ihren Eltern, Sammy kam ins Waisenhaus und Ben womöglich ins Gefängnis! Das durfte doch alles nicht wahr sein... Ein weiteres Mal drehte sich Alea unschlüssig um die eigene Achse. Außer den Fenstern gab es nichts, woran sich ihr Blick festhalten konnte.

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternWhere stories live. Discover now