Kapitel 34. Spottgedanken

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"Wozu halten Sie eigentlich Visite bei mir ab, wenn ich doch ohnehin kein Mitspracherecht habe? Ich könnte genauso gut schweigen, wie ein Grab.", gebe ich spöttisch zurück. Für einen kleinen Moment bestimme ich, wie sich die Personen in diesem Raum fühlen. Unangenehm berührt, beschämt, alles was sie mir die ganze Zeit antun.

Das wird mir nicht helfen, das ist mir klar. Doch ich habe keinen Grund so zu tun, als würde es mir besser gehen, als würde ich Hoffnung haben. Denn ich habe keine und ich will auch keine mehr. Ich will absolut nichts, ausser diesen kleinen Moment von Spott.

"Ich denke, er ist noch nicht ganz auf der Höhe nach der schweren Nacht. Wir könnten nachher noch kurz miteinander reden", unterbricht der Polizist neben mir meinen triumphalen Moment und wirft dem Arzt einen entschuldigenden Blick zu.

"Stimmt, stimmt, ich bin im Moment nur etwas lebensmüde", gebe ich höhnisch zurück. Aaron wirft mir einen mörderischen Blick zu.

Doktor Rodenkamp ignoriert meine Bemerkung gekonnt, nickt und lächelt bemüht freundlich. "Gute Besserung Ihnen, Herr Stern." Dann schweben die Götter in Weiss wieder zum Zimmer hinaus.

Es bleibt still im Raum. Aaron stützt die Schläfe in seine Hand und beobachtet mich verärgert.

"Das war nicht schlau." Ich weiss, dass er noch viel mehr sagen will. Der dünne weisse Vorhang zwischen mir und Nick hindert ihn daran. 

Ich zucke mit den Schultern und schliesse die Augen. 

Der Beamte seufzt genervt auf. Ich höre wie er aufsteht, mit einem ratschenden Geräusch die Plastikgardine zur Seite reisst. Etwas klirrt, als er zurück ans Bett tritt.

Schlagartig öffne ich die Augen. In seiner linken Hand baumelt die Handschelle.

Aarons Blick ist distanziert. "Ich mache jetzt Pause. Und nachdem was gerade passiert ist, gehe ich lieber auf Nummer sicher."

"Du willst mir Handschellen anlegen, weil ich ausgesprochen habe, was ich denke?", frage ich konsterniert. Ich spüre Nicks erstaunten Blick auf mir. 

"Nein, weil ich erst jetzt begriffen habe, was du denkst", gibt der Polizist mit verschlossener Miene zurück und greift grob nach meinem Handgelenk.

"Bitte tu das nicht", flehe ich und hebe den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. Seine Iris trägt in diesem Licht viel mehr Grautöne als das intensive Blau, das ich draussen beobachtete.

Aaron schüttelt den Kopf. 

"Ich diskutiere jetzt nicht mit dir. Du hast klar gezeigt, dass du das nicht willst."

Er zückt die metallene Fessel und mich überkommt eine brennende Panik. Jede Muskelfaser meines Körpers scheint sich bei dem Gedanken zu sträuben, an dieses Bett gefesselt zu werden. Ich will mich strecken, will aufstehen, herumlaufen, rennen. Weit rennen. Weit weg. Ich will mich wieder fühlen.

"Bitte", flehe ich abermals und spüre, wie sich die Verzweiflung wie ein Lauffeuer in mir ausbreitet. Verzweiflung und Wut. Das ist deine Schuld, sagt sein eindringlicher Blick. Du hast dir das selber eingebrockt, sagen seine gerunzelten Augenbrauen.

Ich ziehe meine Hand ruckartig zu Seite, als er abermals danach greift. Verstecke sie unter meinem Rücken.

"Hör auf damit", weist mich der Polizist scharf an und packt meinen Arm hart.

"Ich will das nicht!", bringe ich wimmernd hervor, ohne die Tränen zurückhalten zu können.

Aaron bleibt unbeeindruckt und zieht meinen Ellbogen zu sich. Wieder entreisse ich ihm meinen Arm, wieder zerrt er meine Hand zur Seite. 

Dann spüre ich, wie Schmerz in meiner Wange explodiert. Die Handschelle schliesst sich klickend um mein Handgelenk, das ich schützend vor mein Gesicht erhoben habe und Aaron drückt meinen Arm gegen das Bettgestell.

Er hat mich geschlagen. Nicht fest, nicht wirklich bewusst, aber er hat es getan.

Aaron blickt mich bestürzt an, dann seine Hand. Nick blickt entsetzt zwischen mir und Aaron hin und her. 

Die Tür schlägt hinter dem jungen Polizisten zu, als er wortlos und wie ferngesteuert aus dem Raum tritt. 


Nächste Woche geht es hier noch einmal weiter! :)

Vielen Dank an alle, die kommentiert und abgestimmt haben (oder es noch tun)! 







SchattenfallWhere stories live. Discover now