Der freie Wille

1.1K 60 3
                                    

In dem Raum befand sich glücklicherweise auch ein kleiner Spiegel, in dem ich meine Haare wenigstens etwas in den Griff bekommen konnte. So hatten sie nun keine Ähnlichkeiten mehr mit einem Vogelnest, sondern fielen mir einfach locker über die Schultern. Make-Up hatte ich keines mehr drauf, weshalb das blau/lila meiner Augenringe leicht durch meine Haut hindurchschimmerte. Nach langem Suchen hatte ich auch die Wahl für das perfekte Kleid getroffen. In meinen Augen war es wunderschön und absolut perfekt für ein Kennenlernen mit dem Teufel höchstpersönlich.

„Elodie? Bist du fertig?" hörte ich plötzlich Satans Stimme vor der Tür, wo es seit seinem Verschwinden beruhigend still gewesen war. Ich rückte noch schnell das Kleid zurecht, für das ich mich entschieden hatte und trat dann zur Tür, um diese zu öffnen. Sobald der Blick des jungen Mannes auf mich traf, sah ich direkt, wie er versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. „Ich wusste es.. warum seid ihr euch nur so ähnlich?" Er schüttelte leicht den Kopf, machte mir dann aber den Weg frei, damit ich das Zimmer verlassen konnte.

Auch Satan hatte sich umgezogen und trug nun einen reinen schwarzen Anzug. Vermutlich waren solche Familientreffen eher selten und wurden daher sehr ernst genommen. Immerhin fühlte ich mich in diesem Kleid pudelwohl und es verlieh mir ein wenig Selbstvertrauen, besonders in Hinsicht darauf, was mir gleich bevorstehen würde. „Wie ist dein Vater so? Ich meine .. du und Luc seid doch auch so verschieden." Fragte ich, während wir den Weg zusammen zurück liefen und ich in der Entfernung schon die große Flügeltür erkennen konnte.

„Ich stelle die Frage mal anders, Elodie. Er ist der Teufel.. was denkst du?" meinte Satan mit einem Schmunzeln auf den Lippen und öffnete kurz darauf die dunkelrote Tür. Natürlich hatte ich ein ungutes Gefühl bei der Sache, aber immerhin lenkten mich die jetzigen Geschehnisse von meinen Gedanken ab, die mich an diesem Ort nur noch mehr zu plagen schienen. „Er wird dich aber nicht umbringen, keine Sorge. Das wird Luc bestimmt übernehmen." Da ich den scherzhaften Unterton bemerkte, musste ich sogar leicht schmunzeln. Auf seine Reaktion war ich auf jeden Fall gespannt.

Der Saal war vollkommen leer, bis auf Lucifer, der vor einem der Bilder stand und dieses wohl genauer zu mustern schien. Erst als er die Tür hinter uns zufallen hörte, drehte er sich zu uns, verzog aber noch in der Drehung das Gesicht. „Wirklich Elodie? Was soll das?!" Ich verkniff mir ein Lachen und versuchte stattdessen einen ernsten Gesichtsausdruck anzunehmen. „Ist es die Farbe? Das tut mir leid, ich wusste nicht, dass du weiß nicht magst." Mein Blick musste zwar unschuldig wirken, doch ich sah, dass Luc mir das nicht abkaufte.

Mein Kleid war bodenlang, weiß und Schulterfrei mit anhängenden Teilen für die Arme an den Seiten. Im Allgemeinen gefiel es mir sehr gut, nur Luc's Geschmack schien es wohl nicht zu treffen. „Du wirst dich sof.." er verstummte direkt, als wie aus dem Nichts plötzlich eine Person erschien. Ein etwas älter wirkender Mann, mit ebenso schwarzen Haaren wie Luc und Satan, doch im Gegensatz von den beiden mit rotglühenden Augen. Das Auftauchen der Person ließ mich kurz zurücktaumeln, doch Satan hielt mich seiner Hand an meinem Rücken zurück. Die Kälte die mich dadurch erfasste, war alles andere als angenehm.

„Sieh mal einer an, die kleine Elodie." Wandte sich der Mann mit einer tiefen und zugleich rauen Stimme an mich. Sein Anblick allein löste schon ein Gefühl von Angst in mir aus, was er durch seine Stimmlage nicht gerade besserte. „Rapahel hat nicht aufgepasst, also habe ich sie einfach mitgenommen." Erklärte Lucifer in einem fast schon stolzen Ton. Ich konnte daraufhin nur mit den Augen rollen. Er würde das bekommen was er wollte. Ob wir anderen damit zufrieden waren, war ihm anscheinend völlig egal.

Die roten Augen des Teufels blitzten einmal kurz auf und ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Dann gibt es ja nichts mehr viel zu klären. Du hast deine Aufgabe erfüllt Lucifer, Glückwunsch! Satan .. du bekommst die ehrenvolle Aufgabe, dich nun um die Dämonen zu kümmern. Das wird dir ja bestimmt nicht schwer fallen. Ich werde mit den beiden noch etwas besprechen müssen." Man sah Satan deutlich an, dass ihm das Ganze nicht gefiel, doch er setzte sich artig in Bewegung und entfernte sich ohne Kommentar von uns.

„Jetzt zu dir Elodie, ich bin mir sicher, Lucifer hat dich schon über deine zukünftige Aufgabe in Kenntnis gesetzt?" fragte er mich und ich schüttelte verwirrt den Kopf. Ich wusste nur, dass ich Levias Platz einnehmen würde, was auch immer das bedeuten sollte. Wie gerne hätte ich Raphael jetzt bei mir, um mir wenigstens seelischen Beistand zu bringen. „Wenn man einfach so entführt wird, erwartet man natürlich keine Antworten auf irgendwelche Fragen." Antwortete ich lediglich und nun war es Luc der mit den Augen rollte. „Du fragst auch einfach zu viel."

„Dann solltest du ihr diese Fragen auch beantworten Lucifer. Eine unwissende Königin, bringt uns rein gar nichts." Meinte der ältere Mann und griff dann nach einer meiner Hände. Sofort durchfuhr mich eine angenehme Wärme, was mich ziemlich verwunderte. Wenn Luc oder Satan mich berührten, war es meist eine Eiseskälte die mich dann umfing. Und was zur Hölle meinte er da eigentlich mit 'Königin'? Wieder etwas Neues, was ich erstmal nicht verstehen würde. „Lucifer wird dich auf alles vorbereiten, keine Sorge."

„Das nächste Mal solltest du dich allerdings für etwas Anderes entscheiden." Brummte Lucifer mit Blick auf mein Kleid, was auch dem Teufel höchstpersönlich aufgefallen sein musste. Doch er wirkte weniger empört darüber, wie Luc. Oder er versuchte es einfach nur zu verstecken, damit ich nicht direkt panisch die Flucht ergriff. „Dieses eine Mal, lasse ich das durchgehen. Wir sehen Levias Kleider hier nur ungerne also solltest du dich das nächste Mal wenigstens für etwas Dunkleres entscheiden."

Ich konnte nicht verhindern, dass ich das Gesicht verzog. Jetzt machten sie mir auch noch Vorschriften? Selbst als Gefangene hatte man hier wohl keinen freien Willen. Ich sprach allerdings nicht aus, was ich darüber dachte, sondern blickte lediglich an dem Mann vorbei, zu den verschiedenen Bildern. Zur Ablenkung, damit ich dem Teufel nicht direkt meine Beschwerden an den Kopf warf. Mit dem Adrenalin in meinem Blut, hätte ich dies nur zu gerne getan. Denn ich war mittlerweile wirklich sauer.

„Ich werde euch jetzt erstmal in Ruhe lassen, ihr müsst noch viel besprechen." Hörte ich den Mann noch sagen, dann war er einfach wieder verschwunden. Genauso schnell, wie er auch aufgetaucht war. Ich würde mich wohl niemals daran gewöhnen. Auch bei den Engeln passierte es immer dann, wenn man es am wenigsten erwartete. „Du solltest in dein Zimmer gehen." Ich sah den Erfolg förmlich in Lucifers Augen. Er wusste, dass er gewonnen hatte. Das war jedoch noch lange kein Grund, mich meinen freien Willens zu entziehen.

„Nein, das werde ich nicht." Entgegnete ich daher und starrte ihm nur mit einem bösen Blick entgegen. „Zum einen ist es Levias Zimmer und zum anderen werde ich ganz sicher nicht hierbleiben. Ich werde auch bestimmt nicht eure verrückte Königin oder was auch immer ihr da von mir verlangt." Trotzig wandte ich mich von ihm ab, ohne dass Luc noch etwas dazu sagen konnte. Er folgte mir nicht und hielt mich auch nicht zurück, weshalb ich ohne Probleme durch die Flügeltür in den nächsten Gang trat. In 'mein' Zimmer würde ich sicher nicht gehen. Diese Genugtuung würde ich Lucifer nicht geben. Wenn ich schon den Rest meines Lebens hier verbringen würde, durfte ich mich doch wenigstens mal umsehen.

So lief ich also die Gänge entlang, warf einen Blick auf die Gemälde und Portraits an den Wänden und sah auch in einige der Räume hinein. Viele von ihnen waren jedoch verschlossen. So hoffte ich immerhin, mich etwas ablenken zu können. Mit der Zeit wurde mir jedoch ein anderes Problem schmerzlichst bewusst. Wo war ich überhaupt? Die Gänge sahen alle gleich aus und auch die Bilder an den Wänden schienen sich ziemlich zu ähneln. Ich versuchte den Weg zurück zu gehen, aus dem ich gekommen war, doch selbst das funktionierte nicht, sondern führte mich nur in andere verzwickte Gänge. Ich wollte es mir nicht eingestehen, doch .. ich hatte mich wohl oder übel verlaufen.

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now