Ein Psychopath?

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„Es ist schon eine Weile her, doch es gibt noch immer einige Menschen dort draußen, die sich fragen, wo sie waren. Sie waren schließlich regelrecht vom Erdboden verschluckt. Keine Shootings, keine Interviews, kein Lebenszeichen von Ihnen. Es sind einige Gerüchte entstanden, die eine Erklärung für ihr plötzliches Verschwinden sein sollen. Wäre es in Ordnung, wenn Sie zu einigen von diesen Stellung beziehen?" Ich rollte innerlich mit den Augen. Wäre dies nicht in Ordnung, wäre sie doch wohl vermutlich nicht hier, um mit mir darüber zu sprechen. „Natürlich."

Ich musterte das Weinglas, welches vor mir auf dem kleinen Tisch stand. Ich hatte es mir zur Sicherheit bereitgestellt, da ich dieses Interview sonst im schlimmsten Fall nicht überleben würde. Je nach dem, in welche Richtung es verlief. Doch seitdem Jody Madsen und ich uns hier im Wohnzimmer niedergelassen hatten, hatte ich es noch kein einziges Mal angerührt. „Das freut mich sehr. Wir sind wohl alle sehr gespannt, was in dieser Zeit vorgefallen ist." Oh ja, das waren sie bestimmt. Das war der Nachteil, wenn man in dieser Welt so bekannt war. Jeder wollte alles über einen wissen und wenn man sich dann aus dieser Sache heraushielt, entstanden Gerüchte, die einem das Leben nur schwerer machten.

„Vor ihrem Verschwinden vor nun fast einem Jahr, haben sie sich noch an einigen Shootings beteiligt. Von einen auf den anderen Tag waren sie jedoch verschwunden. Es liegt das Gerücht vor, dass ihre damalige Agentur etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben soll. Über ihren Fotograf gibt es bereits einige Behauptungen, dass er sie zu etwas genötigt haben sollte und sie aus diesem Grund entschieden haben, für eine Weile unterzutauchen." Ich runzelte bei dieser Aussage ein wenig die Stirn. Dass solch ein Gerücht existierte, war nicht äußerst verwunderlich und dennoch klang es seltsam, so etwas zu hören.

„Diese Behauptung ist absoluter Irrsinn. Ich muss zugeben, er war damals ein wenig merkwürdig. Allerdings eher auf eine amüsante Art und Weise." Begann ich schließlich meine Ansicht zu diesem Gerücht zu erläutern. „Wir sind ebenfalls im Guten auseinander gegangen und ich bin noch immer begeistert von seinem Auge für Perfektion. Er war einer der amüsantesten und professionellsten Fotografen, die ich im Laufe meiner Karriere kennenlernen durfte." Nicht alles davon entsprach wirklich der Wahrheit, doch ich wollte in nicht in ein schlechtes Licht rücken. Bereits durch ein einziges dämliches Gerücht, konnte selbst ein guter Fotograf ziemlich schnell aus dieser Welt hinausgeworfen werden.

„Nach ihrer Rückkehr haben sie sich eine ganze Weile aus dem Model-Business ferngehalten. Ihre Shootings wurden auf ein Minimum reduziert. Einige gehen davon aus, dass ihr Verschwinden einer Entführung zugrunde liegt. Aussagen zufolge, soll ihre damalige Agentur zur Zahlung von Lösegeld aufgefordert worden sein, aufgrund ihres Bekanntheitsgrades." Jody blickte von ihrem Notizbuch auf, in dem sie all diese Fragen wohl notiert hatte und blickte mir dabei mit einem skeptischen Blick entgegen. „Man schließt daraus, dass dies der Grund gewesen sei, warum sie die Agentur vor Kurzem gewechselt haben."

Ich schüttelte langsam den Kopf und blickte noch einmal kurz zu diesem mittlerweile sehr verführerisch wirkenden Glas Wein, vor mir auf dem Tisch. Dass eine Entführung stattgefunden hatte, entsprach sogar fast der Wahrheit. Nur eben nicht aufgrund irgendwelcher Menschen, die von meiner Agentur Lösegeld forderten. Das war doch lächerlich. „Es hat keine Entführung stattgefunden, das kann ich versichern. Ist das nicht ein wenig klischeehaft? Dieses Gerücht ist lächerlich und vollkommen absurd. Meine damalige Agentur hat eine hervorragende Arbeit geleistet und stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite. Der Weg dorthin wurde mir lediglich nach meinem Umzug zu weit." Entkräftete ich nun auch dieses Gerücht, welches irgendein Idiot in diese Welt gesetzt hatte.

Während Jody sich diese Antwort notierte, griff ich schließlich doch nach dem Weinglas. Auch wenn der Geschmack nicht vorhanden war, existierte dennoch dieses Kratzen im Hals und die entsprechende Wirkung. Es war fast wie ein Reflex, denn auch damals hatten meine gesamten Interviews mit jeder weiteren Frage an Rückhalt verloren. Sie wurden ernster, tiefgründiger und privater. Genau dies befürchtete ich auch heute. „Im Normalfall hätte ich diese Frage nicht gestellt, doch da sie in diesem Augenblick indirekt darauf hingewiesen haben.." sie deutete mit einem fast schon entschuldigenden Blick auf mein Weinglas. „Es ist ebenso das Gerücht im Umlauf, dass sie aufgrund ihrer Alkohol-Abhängigkeit verschwunden sind. Sozusagen eine spontane Einweisung in eine Entzugsklinik."

Ich verschluckte mich fast an dem Wein, als ich diese Worte hörte. Eine Entzugsklinik? Wer dachte sich denn bitte so etwas Verrücktes aus? „Sehe ich etwa so aus, als hätte ich damit ein Problem?" fragte ich also mit hochgezogener Augenbraue und blickte Jody ein wenig kritisch entgegen. „Wenn ich zugeben darf, sehe ich das nicht so. Einigen Berichten zufolge scheinen sie in ihren vergangen Jahren jedoch sehr ambitioniert bei diesem Thema zu sein. Viele Menschen dort draußen beobachten sie, Ms Theron. Es wäre ein Leichtes, ihnen solch ein Problem zuzuschreiben, wenn sie stets angetrunken in der Öffentlichkeit zu sehen sind."

Natürlich hatte sie recht. Doch was damals geschehen war, konnte ich doch heute nicht mehr ändern. In einer Entzugsklinik würde ich nicht einmal landen, wenn ich täglich mehrere Liter davon trinken würde. Lieber würde ich sterben, als mit solchen Irren in einem abgesperrten Gebäude sitzen zu müssen. Ich war schließlich kein Psychopath. „Ich danke Ihnen für diesen Hinweis, doch ich wäre sehr erfreut darüber, wenn wir dieses Gerücht einfach übergehen. Es hat weder einen besonders informativen Wert, noch entspricht es in irgendeiner Weise der Wahrheit."

Also überging Jody Madsen wie von mir gewünscht dieses Thema und sprang zum nächsten über. Doch hätte ich mich nach diesem Thema noch einmal entscheiden können, hätte ich um Einiges lieber darüber gesprochen, ob ich wirklich eine verrückte Suchtkranke war. „Dieses Gerücht ist bereits seit ihrem Verschwinden im Umlauf und wird selbst jetzt noch mit besonderem Interesse behandelt. Es klingt ebenfalls sehr klischeehaft, doch es wird stark vermutet, dass sie verschwunden sind, um mit einem ihrer länger wehrenden Liebhaber zu verreisen und sich mittels einer Blitzhochzeit zu vermählen."

Ich hätte ohne großes Zögern darauf antworten können. Natürlich entsprach auch dieses Gerücht nicht der Wahrheit. Doch in genau diesem Augenblick breitete sich ein seltsames Gefühl in mir aus. Vielleicht weil ich dachte, dass man damit gar nicht so falsch lag. Ich hatte schon eine ganze Weile keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Es war keine Hochzeit und auch nicht mein Liebhaber, dennoch war ich verschwunden um eine relativ spontane Krönung durchzuführen. Selbst wenn dies nicht in dem Zeitrahmen stattfand, über den Jody und ich uns hier unterhielten. Doch da war noch etwas anderes. Wie eine Erinnerung, die mir zwar bekannt vorkam, ich aber nicht mehr genau definieren konnte.

„Es wäre wohl besser, wenn sie jetzt gehen würden. Wir führen dieses Interview an einem anderen Tag fort." Gab ich urplötzlich von mir und stellte das Weinglas vorsichtig zur Seite. Jody blickte mir jedoch nur verwundert entgegen. Vermutlich dachte sie, dass ich diesem Thema aus gutem Grund aus dem Weg ging. Vielleicht sogar, weil es stimmen könnte und ich mich nur nicht dazu äußern wollte. Doch das war es nicht, was mich störte. Es war etwas völlig anderes. „Ich begleite sie zur Tür, Ms Madsen. Es tut mir sehr leid für diese Umstände." Kam es von folglich von Amanda, die diese Frau nun ebenfalls auf indirektem Weg zum Gehen bewegen wollte.

Das tat diese Frau schließlich auch. Amanda verließ allerdings ebenfalls das Haus, um auch wirklich sicherzustellen, dass sie wegfuhr. Bereits in meinem alten Zuhause waren ungewollte Reporter und Papparazzi noch stundenlang vor dem Haus geblieben, um unbemerkt von uns weitere interne Informationen zu erhalten. Erst als beide das Haus verlassen hatten und sich die Tür hinter ihnen schloss, konzentrierte ich mich auf dieses seltsame Gefühl, welches so plötzlich aufgetaucht war. Es fühlte sich so an, als wäre ich nicht allein in diesem Raum. Ich erinnerte mich noch gut daran, dass ich dieses Gefühl noch aus der Zeit kannte, in der Raphael noch mein Schutzengel war. Ich hatte unterbewusst spüren können, sobald er sich in meiner Nähe befand.

Icherhob mich von meinem Platz und trat mit langsamen Schritten durch den Raum.Jeder kannte vermutlich dieses Gefühl, wenn man dachte, man würde beobachtetwerden. So ähnlich fühlte es sich auch dieses Mal an. Doch warum? Raphael warnicht mehr mein Schutzengel und ich spürte es auch nicht mehr, wenn er bei mirwar. Seit Monaten hatte dieses Gefühl nicht existiert, warum also trat es jetztwieder auf? Noch während ich mir weiter den Kopf darüber zerschlug, bahnte sichmir bereits eine Erklärung dafür an. Eine Erklärung, die ich jedoch nicht akzeptieren wollte und von der ich hoffte, dass sie nicht der Wahrheit entsprach. „Wasmachst du hier?" fragte ich also in diese entstandene Stille hinein und konntedabei förmlich spüren, wie sich mein Puls beschleunigte.

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Da ich mal wieder einige Kapitel vorproduziert habe, hatte ich mir überlegt, bereits heute schon ein paar zu veröffentlichen.

Ich wünsche euch viel Spaß, beim Weiterlesen! <3


Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now