Geduld

894 44 2
                                    

Lucifer ließ sich dann ebenfalls auf dem Sofa nieder, jedoch noch weiter von mir entfernt, als zuvor. Als wäre ich eine Krankheit oder so etwas in der Art. Mit so viel Abstand wie er zu mir hielt, blickte ich nun die Kekse in meinen Händen an und wusste nicht recht, was genau er jetzt von mir erwartete. Ich runzelte also leicht die Stirn und blickte zu ihm. Es folgte ein leicht genervt wirkendes Seufzen seinerseits. „Du kannst nicht, nichts essen, Elodie. Ich kann das, Zane kann es und die Engel können es auch. Du aber nicht, also iss. Sonst steht Zane nachher hier und hält dich so lange wach, bis das leer ist."

Da ich darauf natürlich auch keine Lust hatte, denn unter Zwang und Beobachtung aß ich noch weniger gerne, nahm ich also langsam einen Keks von dem kleinen Haufen und blickte ihn misstrauisch an, als würde er mir jeden Augenblick ins Gesicht springen und stattdessen mich auffressen. Um von diesem Problem abzulenken, wandte ich mich jedoch wieder Lucifer zu. „Es gibt etwas das du mir erklären musst." Meinte ich und nun war er derjenige, der mir fragend entgegen blickte.

„Ihr könnt doch auf der Erde auftauchen und verschwinden wann immer ihr wollt. Die Engel können das auch im Himmel, das habe ich gesehen. Warum macht ihr das hier nicht?" fragte ich ihn und Lucifer schien daraufhin einen Moment zu überlegen. „Du sollst nicht ablenken Madame. Iss ein bisschen von dem Keks und du bekommst eine Antwort. Deal?" Ein Deal mit dem Sohn des Teufels? Keine gute Idee. Doch es war wohl die einzige Möglichkeit um Antworten von ihm zu bekommen, die ich interessehalber einfach wissen wollte. Einfach weil sie schon so lange in meinem Kopf herumspukten.

Ich biss also eher widerwillig ein kleines Stück von dem Keks ab und begann zu kauen. Er schmeckte süßlich. Zu süß. Süß bedeutete Zucker und das war absolut nicht mein Ding. Hätte es nicht wenigstens irgendein Gemüse sein können? Erst als Lucifer sich sicher war, dass dieses Stück auch wirklich in meinem Mund gelandet war, begann er zu sprechen. „Ganz einfach. Wir machen es nicht, weil wir es nicht können. Der einzige der das an diesem Ort hier kann, ist unser Vater. Oder eben, wenn er uns gelegentlich dabei hilft. Wir sind also dazu gezwungen von Raum zu Raum zu laufen, so wie du es tun musst. Das ist im Himmel einfach anders."

Das ergab natürlich Sinn. So erklärte sich auch, warum sie auch Türen benutzen und nicht einfach dort auftauchten, wo es ihnen gerade am besten passte. An Lucifers Gesichtsausdruck konnte ich jedoch ablesen, dass ihm dieses Gespräch nicht ganz Geheuer war. Obwohl man ihn normalerweise schlecht deuten konnte, gab es Momente in denen er einfach zu offen zeigte, was er dachte. Das kleine Stück des Kekses war mittlerweile auf dem Weg zu meinem Magen, weshalb ich mich versuchte, mit einem anderen Thema abzulenken.

„Du bist nicht du, Lucifer." Murmelte ich und mein Blick richtete sich wieder ins Leere. Woher diese Erkenntnis kam, wusste ich nicht. Doch irgendetwas sagte mir, dass sich Lucifer noch immer verstellte. Es war mir auch nicht wichtig. Es irritierte mich nur dabei, herauszufinden, was der Wahrheit entsprach und was nicht. „Dein Keks, Elodie." Wieder biss ich ein Stück von diesem widerlich süßen Keks ab, sah dabei aber nicht in Lucifers Richtung. Ich bereute es jetzt schon, diesen Deal eingegangen zu sein. „Natürlich bin ich, ich. Wie kommst du auf diesen Blödsinn?" Es folgte ein Kopfschütteln seinerseits, welches ich aus dem Augenwinkel erkennen konnte.

Für solch eine mickrige Antwort hatte ich meine Figur aufs Spiel gesetzt? Na vielen Dank auch. Ich verlor immer mehr die Lust daran, diesen Deal weiterzuführen. Obwohl er erst seit zwei Fragen aktiv war. Ich hatte jedoch das Bedürfnis, weitere Fragen zu stellen. Einfach um besser ignorieren zu können, was ich meinem Körper gerade antat. Die Schwierigkeit war nur, so spontan Fragen zu finden, die Lucifer nicht wieder zum Überkochen brachten. Seine schlechte Laune ging mir mittlerweile ein wenig auf den Keks. Immerhin hatte er mich hier hineingezogen und nicht umgekehrt.

„Warum steht da drüben ein Bett, wenn ihr doch gar nicht schlafen müsst?" fragte ich also weiter und biss, nach kurzer Aufforderung durch Lucifers strengen Blick, erneut in den Keks. „Wir benutzen das doch nicht um zu Schlafen.." meinte er, doch als er sah, wie ich fragend die Augenbraue hob, schüttelte er den Kopf. „Kleiner Scherz. Natürlich schlafen wir. Wir haben es zwar nicht nötig aber ab und zu ist das ganz angenehm." Ich wollte gerade zu einer weiteren Frage ansetzen, da fiel mir Lucifer wieder ins Wort. „Apropos Schlafen. Wenn dieser Keks da weg ist, solltest du dich ein wenig Hinlegen. Anordnung von Dr. Zane höchstpersönlich. Er war der Meinung, du brauchst das. Warum auch immer."

Möglicherweise weil ich von Tag zu Tag immer mehr meine Kräfte verlor? Es störte mich nicht aber Zane schien das gemerkt zu haben. Es ergab keinen Sinn, dass sich die Familie des Teufels plötzlich solche Gedanken um mich machte. Ich lebte schon immer auf diese Weise. Aß mal mehr, mal weniger und lebte noch immer. Zumindest so lange, wie ich das wollte. Und im Augenblick war die Verlängerung meines Aufenthaltes hier an diesem Ort, alles andere als das, was ich mir wünschte.

Der letzte Rest des Kekses verschwand in meinem Mund und ich stellte den Teller auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa ab. „Lässt du mich immerhin alleine wenn ich schlafe?" fragte ich ihn, jedoch ohne ihn dabei anzusehen. Ich zog lediglich die Beine an meinen Körper und blickte wieder vor mir in die Leere. Das lange Kleid störte mich dabei überhaupt nicht. Der Stoff war immerhin gemütlich. „Ich habe definitiv besseres zu tun als das.. aber nein. Ich werde hierbleiben."

„Das tut mir aber leid für dich." Brummte ich leise, schwieg aber daraufhin. Es folgte eine Weile Schweigen, bis Lucifer sich wieder zu Wort meldete. „Einen Moment." Er erhob sich von seinem Platz, verschwand um die Ecke und kam nach einem kurzen Augenblick wieder zurück. Diesmal aber mit einer Decke und einem Kissen unterm Arm. „Menschen müssen essen, Menschen müssen schlafen, Menschen können frieren.." brummte er dabei leise vor sich hin. „Wäre Zane nicht so ein Weichei, hättest du auch bei ihm schlafen können. Ihr seid wirklich anstrengend." Sehr erfreut schien er über seine Idee, dass ich nun bei ihm im Zimmer bleiben musste, wohl doch nicht mehr zu sein.

Er gab mir die Decke und das Kissen, wobei ich allerdings darauf achtete, ihm nicht zu nahe zu kommen. In diesem Raum war es kalt. Das merkte ich auch ohne, dass er das sagen musste. Ich richtete mir aus diesen Dingen also ein grobes Nachtlager. Unter den beobachtenden Blicken von Lucifer, der nun nur wenige Meter entfernt am Esstisch angelehnt stand. Doch es störte mich nicht weiter. Sollte er mich doch beobachten. Viel gab es hier schließlich nicht zu sehen.

Erst als ich unter dem kritischen Blick von Luc die Lampe neben meinem Kopf ausschaltete, entfernte sich Lucifer von seiner Position und verschwand aus meinem Sichtfeld. Ihm würde es wohl auch zu langweilig werden, mich die ganze Nacht zu beobachten. Doch auch wenn dieser Platz gemütlich war und es unter dieser Decke wirklich schnell warm wurde, war an Schlaf nicht zu denken. Schon oft hatte ich solche Nächte erlebt, doch es war schon eine ganze Weile her. Ich hatte nun schließlich andere Methoden um damit umzugehen.

Im Augenblick gab es jedoch keine andere Lösung, als hier zu liegen und zu warten. Zu warten bis dieses seltsame Gefühl in meinem Bauch verschwand. Doch das tat es nicht. Ich wollte nicht denken, nichts fühlen geschweige denn sehen. Doch in dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Alles nur aus dem Grund, da mich diese wenigen Kekse so sehr aus der Bahn warfen. Denn selbst wenn ich nicht mehr das selbe fühlte wie zuvor, wusste ich dennoch, dass es nicht gut gewesen war, diesen Keks zu essen.

Erhielt mein Unterbewusstsein wach. Schon seltsam wie ein mickriger Keks solcheine Unruhe auslösen könnte. Doch ich konnte nicht schlafen, mit dem Wissen,dass das was ich getan hatte, nicht richtig war. Ich musste warten undversuchen es zu ignorieren, da es im Augenblick keinen anderen Ausweg ausdieser Situation gab. Wenn ich schon nicht aus diesem Höllenloch entkommenkonnte, wie ich es an diesem Tag eigentlich geplant hatte, dann würde ich mireben selbst diesen Weg verschaffen. Obwohl dieser kleine Keks solch eine Unruhein mir auslöste, war er es auch, der meinen neuen Beschluss bekräftigte. Ichhatte ein neues Ziel. Nur brauchte ich dafür eine ganze Menge Geduld. 

Des Teufels KöniginOnde histórias criam vida. Descubra agora