Unser Ende

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Ich konnte ihm ansehen, dass er über meine Worte nachdachte. Seine Augen spiegelten ein reines Chaos wieder. Ich konnte und zugleich wollte ich meinen Blick nicht von diesen Augen lösen. Erst als ich ein rötliches Aufblitzen darin erkannte, wandte ich mich augenblicklich von ihm ab. Ich wusste, was ich tat. All diese verwirrenden Dinge von denen ich noch nichts verstand, konnte ich nicht auf ewig mit mir herumtragen. Das alles musste ein Ende finden. Dieses Mal würde ich dies jedoch auf eine andere Weise lösen. Sobald meine Aufgabe erledigt war, konnte Lucifer sein Leben zufrieden weiterleben und ich war endlich frei. Danach hatte ich mit all dem hier nichts mehr zu tun.

„Ich werde dir zu dem verhelfen, was du schon dein ganzes Leben lang wolltest. Du wirst mich zurück bringen, das ist das Mindeste das ich von dir verlange." „Wenn du deine Freiheit willst, ist das okay. Doch die wirst du auch hier auf der Erde nicht finden." Ich konnte über diese Aussage nur ein leises Lachen von mir geben. „Lieber bin ich hier, als ein Sklave in deiner Welt, wo ich mir nur selbst im Weg stehe." Es entstand eine seltsame Stille zwischen uns. Dennoch aß ich meinen Salat weiter, so unangenehm mir das auch war. Ich hatte allerdings schon Schlimmeres hinter mir. Mit dieser Kleinigkeit würde ich ebenso fertig werden.

„Elodie." Ich dachte gar nicht daran ihn wieder anzusehen, bis ich spürte, wie etwas nach meiner Hand griff und ich augenblicklich meinen Blick darauf lenkte. Es war Lucifer, der meine Hand nun vorsichtig in seiner hielt. Ich wehrte mich jedoch nicht dagegen. Ich blickte sie nur an, als wäre sie ein Wesen aus einer anderen Dimension. „Siehst du es denn nicht selbst? Was du dir damit antust?" Ich wollte das nicht hören. Es gab keinen Grund für ihn, dieses Thema weiter anzusprechen. Deshalb zog ich meine Hand zurück und richtete meinen Blick wieder auf ihn. „Das hier geht dich nichts an."

„Natürlich geht mich das etwas an. Von solchen Dingen hängt es ab, wie viel Zeit du in der Hölle verbringen kannst. Das ist wirklich wichtig, Elodie." Er hatte die Stimme gesenkt, da das was er sagte, nicht für die menschlichen Ohren um uns herum gedacht war. „Das reicht." Brummte ich nur und erhob mich daraufhin von meinem Platz. Ich konnte mir das nicht länger antun. Ich wusste, was mit mir los war und mir war auch bewusst, dass es meinen erneuten Aufenthalt in der Hölle erschweren würde. Lucifer musste nicht alles über mich wissen, vor allem nicht jetzt, wenn er von mir verlangte darüber zu sprechen. Ich wollte mich nicht wie eine Marionette in dieser unwirklichen Realität fühlen.

„Es ist wirklich wichtig für uns, dass du darüber sprichst!" Ich war froh darüber, dass er weiterhin sitzen blieb und mich nicht dazu bewegen wollte, dies ebenfalls zu tun. „Nein, Luc. Für DICH ist das wichtig. Für mich spielt das keine Rolle." Mit diesen Worten wandte ich mich einfach von ihm ab, trat Richtung Tür und verließ dieses kleine Restaurant, in dem ich regelrecht zu ersticken drohte. Wie Lucifer das mit der Rechnung klärte, war mir absolut gleichgültig. Wir hatten einen kurzen Moment gehabt, in dem wir lachen konnten. Vorhin, in seinem Haus. Ich hätte wissen sollen, dass es nicht lange so bleiben würde. Lucifer ging immer einen Schritt zu weit.

Ich wusste nicht genau, wohin ich lief. Diesen Teil der Stadt kannte ich zwar, doch ich hatte kein festes Ziel im Sinn. Ich wollte nur Lucifers Augen nicht mehr sehen. Dieser unschuldige Blick den er zeigte, wenn dieses Rot nicht vorhanden war. Anfangs hatte ich ihn für seine Taten gehasst. Verabscheut. Sogar mehr als das. Doch ich hasste ihn nicht mehr. Ich wusste, was für eine Person er war und in manchen Momenten hatte ich sogar ein wenig Mitleid mit ihm. Doch da war etwas anderes, das er in mir auslöste, was ich nicht ganz zuordnen konnte. Es war keine Wut. Nicht direkt. Auch keine Enttäuschung. Seine ganze Anwesenheit war mir nun einfach zu viel geworden.

Nach ein paar Straßen in die ich eher blindlinks abbog, kam ich an einem kleinen Park an. Nichts Besonderes. Ein wenig Rasen, ein paar Bäume, sogar ein winziger See, der schon eher ein Teich sein könnte. Dieser Ort lag ein Stück entfernt von der direkten Innenstadt, so viel wusste ich. Es war beruhigend, diese Stille um mich herum wahrnehmen zu können. Keine lästigen Stimmen, kein Lucifer, der mich bei dieser Ruhe stören konnte. Genau wie am vorigen Tag war ich davongelaufen. So weit weg von Lucifer wie nur irgendwie möglich. Doch dabei wollte ich doch etwas ganz anderes.

„Habe ich dir nicht gesagt, dass du nicht vor mir weglaufen sollst?" erklang Lucifers Stimme nur wenige Meter hinter mir und ich zuckte innerlich zusammen. Er ließ mich wohl wirklich nie aus den Augen. Nur zögernd drehte ich mich zu ihm um und meine Vermutung bestätigte sich. Es waren nur wenige Schritte, die uns voneinander trennten. Doch sein Blick war so klar, so ruhig, als wäre eben absolut nichts geschehen. Ich konnte mir nicht erklären, wie er das tat. In einem Moment in der Lage zu sein, jemanden in Fetzen zu reißen und im anderen die Ruhe selbst zu sein. Es entstand ein Schweigen zwischen uns, da ich nicht wusste, was ich hätte sagen sollen.

„Können wir los? Jetzt?" Es war die erste Regung seit Langem die ich deutlich auf Lucifers Gesicht ablesen konnte. Er schien überrascht zu sein, regelrecht verwundert, über meine Worte. „Theoretisch können wir das, ja..aber.." Ich ließ in gar nicht erst ausreden, sondern brachte ihn mit einem bestimmten Kopfschütteln zum Schweigen. „Wenn wir noch länger warten, kommt dein Vater vielleicht zurück." Da diese Erklärung nicht vollends der Wahrheit entsprach, wusste er natürlich nicht. Für ihn war das Grund genug, für meine plötzliche Entscheidung. Umso schneller ich das hinter mich brachte, desto eher konnte ich zurück nach Hause und mein Leben weiterführen. Ohne Lucifer.

Noch immer ein wenig verwundert aber nun etwas überzeugter, sah er sich kurz in diesem Gebiet um, in dem wir standen und streckte mir dann seine Hand entgegen. „Diesmal können wir nicht mit dem Auto hinfahren." Es sollte wohl als Scherz gemeint sein, doch diesmal fehlte mir die Lust dazu. Lucifer machte etwas mit mir, etwas was ich nicht verstand und nicht richtig deuten konnte. Ich wusste, dass in der Hölle alles schwieriger war, als auf der Erde. Das hatten mir meine Erfahrungen bereits gezeigt. Ein weiterer Grund um so schnell wie möglich dorthin zu gehen. Ich musste mir nicht ständig den Kopf über Lucifer und seinen Plan zerreißen. Ich hatte erstmal genug mit mir selbst zu tun.

Nach einem kurzen Augenblick in dem ich meine Entscheidung doch noch einmal überdachte, legte ich schließlich fest entschlossen meine Hand in seine. Die Reise in die Hölle sowie den Weg zurück, hatte ich bei beiden letzten Malen nicht aktiv miterlebt. Ich wusste nicht, wie es sich anfühlen würde. Ob es anders war, als wenn ich nur von einem Ort zu m nächsten mit ihm sprang. Wir bewegten uns in eine komplett andere Welt und diesmal bekam ich jede einzelne Sekunde hautnah mit. Meine einzige Hoffnung bestand in diesem Moment darin, dass es nicht so schmerzhaft war, wie ich mir das vorstellte.

„Dir wird nichts passieren, dass verspreche ich dir." Waren die letzten Worte, die ich von ihm hörte, ehe eine schon fast unangenehme Wärme ausgehend von meiner Hand meinen Körper durchflutete. Nur einen Sekundenbruchteil später, wurde es schwarz vor meinen Augen und ich hatte das Gefühl, in Ohnmacht gefallen zu sein. Ich verlor regelrecht den Boden unter meinen Füßen. Mit jeder weiteren Sekunde die verging, konnte ich spüren, dass sich etwas um mich herum veränderte. Mich regelrecht in die Tiefe riss. Es wurde kälter, dann wärmer. Unangenehm warm. Allerdings konnte ich noch immer Lucifers Hand in meiner spüren, was mich ein wenig beruhigte. Er wusste, was er tat. Ich konnte nicht mehr tun, als ihm zu vertrauen.

Die unangenehme Wärme verschwand schließlich langsam und ich konnte sogar wieder einen festen Boden unter meinen Füßen spüren. Ich traute mich allerdings nicht, meine Augen wieder zu öffnen. „Elodie?" Es war nicht die Stimme von Lucifer, die in meine Ohren trat. Ich brauchte auch einen Moment länger als gewöhnlich, um zu erkennen, wer diese Person war. Nun doch zögernd die Augen zu öffnen war eine hervorragende Idee gewesen, denn meine Beine schienen bereits in sich zusammenklappen zu wollen.

Genau wie beim letzten Mal,als ich an diesem Ort war, spürte ich diese gewaltige Negativität, die sich aufmeinen Schultern absetzte und mich hinunter in die Tiefe zu ziehen drohte. Ichgab diesem Gefühl aber nicht nach. Noch war es auszuhalten. „Zane." Gab ichleise von mir, als ich Lucifers Bruder nur wenige Meter von uns entferntentdeckte. Er war also derjenige, der meinen Namen genannt hatte. Ich konntesehen, wie er Lucifer ein kurzen Nicken entgegenbrachte, dabei jedoch keine Miene verzog. Zane war genauso wenigerfreut darüber, mich hier zu sehen, wie ich es war. Doch wir wussten nun alle,dass es der einzige Weg sein würde, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Wirmussten zusammenarbeiten, damit das funktionierte. Sonst würde es das Endefür jeden von uns bedeuten.

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now