Sternschnuppe

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Die Tage vergingen und so bemerkte ich irgendwann, dass die Bäume ihre Blätter verloren. Nicht alle, doch es war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Winter auch nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Diese Tage verbrachte ich mit weiteren Shootings, wobei auch dort kein Kommentar von Haley, Chloe oder einer anderen Person zu meinem plötzlichen Verschwinden, geschweige denn zu meinem Zusammenbruch auf Bali kam. Es war fast so, als wäre es nie passiert.

Auch zuhause war ich mit der Arbeit noch lange nicht fertig. Täglich warteten dort Emails auf mich, welche Amanda an mich weitergeleitet hatte. Erst spät abends, wenn die Sonne schon untergegangen war und Dunkelheit das Land bedeckte, nahm ich mir etwas Zeit, um einfach draußen zu sitzen und die Sterne zu beobachten. Wenn sie denn zu sehen waren. Mein Alltag war stressig, obwohl ich durch den Urlaub etwas mehr zur Ruhe gekommen war. Essen tat ich noch immer nicht sehr viel. Ich hatte einfach nicht genug Zeit und .. gewisse andere Gründe hielten mich davon ab.

Dennoch stand gelegentlich eine kleine Schüssel mit Keksen irgendwo im Wohnzimmer oder sogar draußen auf der Terrasse. Dass Amanda sie immer dorthin stellte, war unwahrscheinlich. Mir kam nur Raphael in den Sinn, der immerhin sonst als einziger in meiner Nähe war. Der Gedanke dass er sich dennoch um mein Wohl sorgte, obwohl er eigentlich nicht ganz so freundlich rüber kam, amüsierte mich. Es steckte also doch noch der Teil eines Engels in ihm. Irgendwo.

„Sterne sind doch wirklich etwas Unglaubliches." Ich zuckte bei dem Klang der Stimme leicht zusammen und drehte meinen Kopf reflexartig in die Richtung, aus der die Stimme kam. Natürlich war es Raphael, der dort auf der Liege neben mir lag und nun amüsiert zu mir blickte. „Oh entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, gnädige Frau." Normalerweise tauchte er nicht einfach so plötzlich auf und dann auch noch .. grundlos. „Sehr witzig. Was willst du?" brummte ich leise, wurde von seinem amüsierten Gesichtsausdruck allerdings angesteckt und begann zu schmunzeln.

Er reagierte auf meine Frage mit einem Stirnrunzeln „Darf ich etwa nicht hier sitzen und mit dir die Sterne ansehen? Oder ist das nur etwas für Menschen?" fragte er dann aber mit einem leichten Lachen nach. „So betrachtet bin ich ja eigentlich auch ein Mensch. Nur eben mit ein paar .. Extras." Ergänzte er, überlegte dann kurz und drehte sich schließlich komplett zu mir. „Sag mal Elodie, was hast du eigentlich für Halloween geplant?" Ich blickte ihm daraufhin mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck entgegen. „Halloween? Ernsthaft? Das ist was für Kinder Raph. Da bin ich eindeutig zu alt für." Erklärte ich ihm meinen Standpunkt, doch natürlich wollte er sich damit nicht zufrieden geben.

„Ich meine damit ja auch nicht dieses Umherwandern, an Häusern klingeln und 'Süßes oder Saures' rufen. Wir feiern das etwas anders und da du uns ja jetzt kennst, denke ich nicht, dass es ein Problem wäre, dich mitzunehmen." Mit seinen so weißen Klamotten passte er absolut nicht in das Bild des bald herannahenden Winters. Zumal ich hier eingemummelt in eine Decke lag und er lediglich mit einem dünnen (natürlich weißen) Pulli und einer ebenfalls weißen aber langen Hose bekleidet war. War ihm etwa nicht kalt? Wenigstens ein bisschen?

„Also wenn du damit meinst, dass ich mit euch in den Himmel gehe und eine super duper Party mit euch feiere, kannst du dir das abschminken." Stellte ich direkt klar, was von einem Seufzen von Raphael begleitet wurde. „Ich habe eigentlich nicht vor zu sterben, weißt du?" Jetzt war es der blonde junge Mann, der die Stirn runzelte. „Ich habe nie etwas von sterben gesagt, Elodie. Dann würde ich ja meinen Job verlieren, du spinnst doch." Er schüttelte den Kopf, begann dann aber zu lachen. „Du wirst genauso lebendig wiederkommen, wie du es jetzt auch bist. Und einen Vorteil hat das Ganze natürlich auch: Es gibt Alkohol."

„Warte .. das verstehe ich nicht ganz." Meinte ich, während meine Gedanken wieder zu rasen begannen. "Ihr seid Engel, könnt keine Ahnung wie lange leben, braucht theoretisch kein Essen aber .. Alkohol könnt ihr trotzdem trinken?" Wieder lachte Raphael und schob die Schüssel mit den Keksen, die auf dem kleinen Tisch stand, etwas mehr in meine Richtung. Ich ließ sie jedoch einfach unbeachtet dort liegen. „Also eigentlich .. ist der nur für dich. Als kleine Ausnahme, weil du dich in den letzten Tagen nicht so oft abgeschossen hast, wie du es normalerweise getan hättest."

Nun flog mein Blick doch zu der Schüssel mit Keksen und ehe Raphael überhaupt reagieren konnte, warf ich einen von ihnen direkt gegen ihn. „Idiot." Der Keks flog in einem leichten Bogen, prallte gegen Rapahels Brust, doch noch bevor er von der Liege und somit zu Boden fallen konnte, fing Raphael ihn geschickt auf. „Kekse sind zum Essen da und nicht als Wurfgeschoss." Mit den Worten steckte er sich den Keks einfach in den Mund und begann genüsslich zu kauen.

„Wann genau wäre denn diese tolle Feier, von der du eben erzählt hast?" fragte ich ihn dann, da ich wirklich am Überlegen war, dorthin zu gehen. Sei es auch nur wegen dem Alkohol. „An Halloween eben. In der Nacht. Du brauchst dir auch keine Sorgen wegen Luifer oder seinen Anhängern machen. Sie können den Himmel nicht betreten. Ein Grund mehr für dich, mich dorthin zu begleiten." Er zwinkerte mir mit einem Grinsen auf den Lippen zu und drehte sich dann wieder so, dass er den dunklen Nachthimmel beobachten konnte. Halloween war in einer Woche. Noch spontaner hatte er das nicht machen können?

Glücklicherweise war die Nacht sternenklar. So konnte man schemenhaft sogar einzelne Sternzeichen entdecken, wenn man sich genau darauf konzentrierte. Auch mein Blick richtete sich wieder nach oben und ich gab ein leises Seufzen von mir. Natürlich machte mir die Arbeit zu schaffen und ich könnte die Zeit hier wirklich besser nutzen. Doch ich hatte gemerkt, dass so ein wenig Ruhe jeden Abend, selbst wenn es nur ein paar Minuten waren, sich positiv auf meinen Schlaf auswirkten. Ich schlief ruhiger, entspannter. Einfach besser.

Während mein Blick gen Himmel gerichtet war, zog ein kleiner Lichtstreifen meine Aufmerksamkeit auf sich. Er blieb nicht lange am dunklen Nachthimmel. Erst als er bereits wieder verschwunden war, erkannte ich, was dieser schnelle Lichtstreifen gewesen war. Eine Sternschnuppe. Nur selten hatte ich eine entdecken können. Das letzte Mal war bereits einige Jahre her. Ich war damals noch deutlich jünger gewesen als jetzt.

„Hast du sie gesehen?" hörte ich Raphael neben mir fragen und ich nickte leicht. „Eine Sternschnuppe. Ich habe schon eine halbe Ewigkeit keine mehr sehen können." Ein leichtes Lächeln zog sich über meine Lippen, als ich genauer über den Moment nachdachte, als ich das letzte Mal eine gesehen hatte. Ich war mit meinen Eltern campen gewesen. Der einzige Urlaub den wir nicht in einem Hotel verbrachten. Ich hatte sie ständig mit dieser Idee genervt, da ich schon so viel Tolles darüber gelesen hatte. Irgendwann hatten meine Eltern dann nachgegeben. In dieser Nacht hatte ich noch etwas vor dem Zelt gesessen und die Sterne beobachtet. Genau da, hatte ich sie entdeckt.

„Normalerweise sind Sternschnuppen einfach nur irgendein Weltraumschrott oder auch kleine Meteoriten, die Richtung Erde fallen und dann verglühen." Fing Raphael an zu erzählen. „Doch manchmal, wirklich nur manchmal, handelt es sich dabei um einen fallenden Engel." Eine Gänsehaut zog sich bei diesen Worten über meinen Körper. So hatte ich das nie betrachtet, doch es ergab sogar Sinn. „Ein gefallener Engel?" fragte ich dennoch nach und drehte meinen Kopf in seine Richtung. Er jedoch, blickte weiter in den dunklen Himmel über uns.

„Ein gefallener Engel. Ein Engel, der mit euren Worten .. aus dem Himmel geworfen wurde. Entweder stellt sich heraus, dass er nicht für den Himmel gemacht ist oder .. er hat so viel Mist angestellt, dass seine Anwesenheit dort nicht mehr zu dulden ist." Erklärte er mir den Begriff und blickte schließlich doch zu mir. „Ich weiß, das ganze Engelsgedöns ist komplizierter, als es anfangs wirkt. Du wirst es aber irgendwann verstehen. Ein Anfang wäre allerdings, wenn du mich zu der Feier begleiten würdest und so auch die anderen kennen lernst." Er begann zu grinsen und ich konnte darauf nur mit einem leicht genervten Schnauben antworten.

Erwürde wohl nicht aufhören mich damit zu nerven, bis ich zustimmte und mitkam.Selbst in so Gesprächen wie jetzt, konnte er wohl nicht anders als mich wiederauf dieses Thema zu lenken. Hatte ich denn eine Wahl? Bis jetzt gab es nurVorteile, dorthin zu gehen. „Okay gut, ich komme mit. Erwarte aber nicht, dassich mich auch vollkommen in weiß ankleide. Meinen eigenen Willen will ich jawohl noch behalten, zumindest bei der Kleiderwahl. Ich habe da sogar schonetwas Passendes im Sinn."         

Des Teufels KöniginOnde as histórias ganham vida. Descobre agora