Kleingeist

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„Chamuel?" Langsam schüttelte ich den Kopf, von diesem Namen hatte ich noch nie gehört. Ich legte meine Tasche wieder im Flur ab und lief weiter Richtung Küche. „Hat er gesagt, was er wollte?" fragte ich dabei und holte mir dann ein Glas aus dem Schrank, um mir etwas Wasser hinein zu gießen. Amanda betrat nach mir die Küche und setzte sich auf einen der Stühle, die an der Theke standen. „Nein, leider nicht. Er hat darauf bestanden, sie zu sprechen und als ich ihm erklärt habe, dass sie in dem Moment nicht da seien, hat er einfach aufgelegt."

Das verwirrte mich etwas, doch ich nahm es einfach so hin. Wenn es etwas wirklich Wichtiges war, würde er sich bestimmt nochmal melden. Ich trank einen Schluck Wasser und lehnte mich dann gegen die Küchentheke. „Sie müssen nachher auch noch ein paar Gespräche führen. Mr. Lennon besteht mal wieder darauf, dass sie dabei sind, wenn das Bild für das Cover ausgesucht wird." Ich rollte leicht mit den Augen. Dieser Mann war knapp 20 Jahre älter als ich und bekam anscheinend nichts alleine auf die Reihe. „Ich werde ich nachher mal anrufen."

„Haben sie denn auch schon ein paar Sachen für Bali gepackt? Der Flug geht Sonntagnachmittag, das wissen sie oder?" fragte sie mich nun und ich schüttelte den Kopf „Nein, ich habe noch nichts gepackt. Irgendwie hatte ich bis jetzt noch keine Zeit dazu." Ich stellte das leere Glas auf der Theke ab und seufzte dann „Ich denke, ich werde am Sonntag früh morgens packen. Ich muss mir das Wochenende freihalten." Nun war Amanda es, die leicht mit den Augen rollte. Sie war zwar meine Assistentin aber sie zeigte mir gegenüber deutlich mehr Respekt, als sie eigentlich müsste. Auch ein Grund, warum sie mich nicht duzen wollte.

„Sie fahren aber nicht wieder in diesen fürchterlichen Club oder? Sie wissen doch, wie es das letzte Mal ausgegangen ist. Am Wochenende bin ich nicht da, ich kann sie nicht ständig von dort abholen." Ich wandte mich mit einem leisen Seufzen von ihr ab und näherte mich einer Schale mit Obst, bei der ich nach einem Apfel griff. „Wie schon gesagt, ich brauche dieses freie Wochenende. Ich komme schon klar." Diese Diskussion führten wir oft, schon fast jede Woche. Ich brauchte das Wochenende, um meinen Kopf endlich mal ausschalten zu können. Und was half da besser, als Alkohol und ohrenbetäubend laute Musik?

Ich biss in den Apfel und drehte mich dann wieder in Amandas Richtung. Es fühlte sich komisch an, wieder etwas Kauen zu müssen. „Ich werde gleich noch eine Runde mit Tiago drehen, könntest du mir in der Zeit die Nummer von Mr. Lennon raussuchen? Ich verlege sie jedes Mal wieder." Meinte ich, aß den Apfel fertig und schmiss den letzten Rest in den Müll. „Vielleicht sollten sie sich so ein Adressbuch besorgen, dann vergessen sie die ganzen Nummern nicht ständig." Schlug Amanda vor und ich überlegte einen Moment, dann nickte ich leicht. „Gar keine schlechte Idee."

Nur wenige Minuten später stand ich schon mit meinen Sportklamotten und meinen Laufschuhen bekleidet im Flur und legte Tiago die Leine an. Er würde nicht weglaufen, wenn wir draußen unterwegs waren aber sicher war sicher. Besonders nachdem er sich in den letzten Tagen so seltsam verhalten hatte. Dass er einfach weg rannte, wenn er irgendwas seltsames sah, wollte ich deshalb nicht riskieren. „Wir sehen uns später, Amanda." Rief ich noch in Richtung Wohnzimmer, wo ich Amanda zuletzt gesehen hatte, dann öffnete ich die Haustür und lief, gefolgt von dem großen Husky, nach draußen. Den Termin mit Ms. Montrose vergaß ich einfach ganz zufällig. Da hatte ich im momentan wirklich keinen Nerv für.

Dann begann ich auch schon zu laufen und schlug automatisch einen Weg Richtung Feld ein. Einige Hundert Meter weiter, begann ein kleiner Wald, in den ich Tiago gerne mal mitnahm. Für einen Husky war es normal, viel zu laufen, daher würde ihm diese Strecke sogar gut tun. Amanda nahm meistens nur die einfachen Feldwege. Also lief ich in einem gleichmäßigen Tempo los und Tiago lief in der gleichen Geschwindigkeit neben mir. So führte unser Weg an einigen Feldern vorbei, während die Sonne ihre letzten warmen Sonnenstrahlen für dieses Jahr auf uns warf.

Schließlich kamen wir an dem Wald an und ich senkte kurz den Blick, um festzustellen, dass Tiago aufmerksam die Ohren gespitzt hatte. Doch er lief artig weiter neben mir. Ich würde ich in den nächsten Tagen wohl noch etwas im Auge behalten müssen. Ich verstand noch immer nicht, warum er sich diesem Fremden gegenüber so seltsam verhalten hatte. Während wir nun den Wald auf einem dafür vorgesehenen Weg durchquerten, drifteten meine Gedanken langsam zu diesem Fremden ab, aus dem ich einfach nicht schlau wurde.

Natürlich war er attraktiv und strahlte eine gewisse Anziehungskraft aus, doch irgendwas störte mich an ihm. Männer wie er, meinten es nicht ernst sondern hatte es nur darauf angelegt, durch intime Bekanntschaften an mehr Aufmerksamkeit und Reichtum zu gelangen. Das allein war es jedoch nicht, was mich störte. Er verhielt sich seltsam. So als gäbe es einen Grund, dass er sich so in meiner Nähe aufhalten wollte. Sonst hätte er mich ja wohl nicht bis nach Hause verfolgt, um mich dann wortwörtlich dazu zu zwingen, mit ihm mit zu fahren.

Mir fiel sein verwirrter Blick wieder ein, als ich ihm sagte, dass ich nicht mitkommen würde. Er hatte diese Antwort nicht erwartet, nur warum? Wenn man eine Frau, lediglich mit einem Handtuch bekleidet, zuhause aufsuchte, war es doch logisch, dass man eine Abfuhr bekam, wenn man sie zum Mitkommen zwingen wollte. Also was genau, stimmte mit diesem Mann nicht? Ich konnte nur hoffen, dass er mich nun endgültig in Ruhe lassen würde.

Mein Gedankengang wurde von einem leisen Fiepsen aus Tiagos Richtung unterbrochen. Ich senkte den Blick direkt und stellte fest, dass sich Tiago nicht mehr direkt neben mir, sondern nun ein Stück hinter mir befand. Fast automatisch blickte ich mich um. Im Wald war es deutlich dunkler, als draußen im Feld. Entdecken konnte ich daher nicht viel, was Tiago so reagieren hätte lassen können. Ich verlangsamte mein Tempo, bis ich nur noch in einem normalen Schritttempo, den Weg entlanglief.

Dann konnte ich sie hören. Die Stimmen. Ich blickte in die Richtung, aus der sie kamen und runzelte leicht die Stirn. Es war zu dunkel, als dass ich jemanden so sehen könnte, doch ich wusste, dass dort jemand sein musste. Je näher wir kamen, desto lauter wurden auch die Stimmen. Es mussten zwei Personen sein und eine der Stimmen kam mir äußerst bekannt vor. Ich blieb auf der Stelle stehen, um die Stimmen besser verstehen zu können.

„Du wirst sie in Ruhe lassen, Luc. Du hast kein Recht, sie dein Eigen nennen zu dürfen." Ich runzelte die Stirn, doch jetzt war es offensichtlich. Eine dieser Stimmen war eindeutig von Luc. Doch zu wem gehörte die andere männliche Stimme, die mit ihm sprach? „Ich lasse mir von so einem Kleingeist wie dir, doch nichts vorschreiben, Cham." 

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now