Die menschliche Norm

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P.o.V. Lucifer

Auch ich drehte mich nun zu diesem Mann um, der wohl mit voller Absicht unser Gespräch unterbrach. Diesmal hatte mich Elodie nicht direkt weggeschickt, das sah ich als kleinen Fortschritt. Doch nun kam er und machte alles wieder zunichte. „Nein.. nein, überhaupt nicht." Beantwortete Elodie Anthony's Frage. Ich konnte ihm jedoch ansehen, dass er mir gegenüber misstrauisch war. „Warum sollte es ein Problem geben?" warf ich allerdings dazwischen und blickte mit solch einer Gelassenheit zu ihm, dass man ihm sogar ansehen konnte, wie sehr ihn das störte.

„Ich nehme an, dass Sie nicht zu den geladenen Gästen zählen. Ich würde Ihnen also raten zu verschwinden, solange Sie noch die Möglichkeit dazu haben." Das anfängliche Lächeln auf meinem Gesicht verschwand augenblicklich. Drohte er mir etwa? Wie leichtsinnig. „Elodie ist mit mir hier. Sie sollten sich nicht in diesem Rahmen mit ihr unterhalten." Ich konnte mir ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Dieser Typ war ja noch schlimmer, als ich bisher angenommen hatte. Viel zu förmlich und nur ein ganz kleines bisschen zu besitzergreifend.

Während Anthony noch auf eine Reaktion meinerseits zu warten schien, griff ich bereits nach Elodies Hand und musterte diese einen Moment. „Tut mir wirklich leid, ich kann leider keinen Ring erkennen und soweit mir das bekannt ist, steht ihr auch in keiner festen Beziehung zueinander. Nehmen Sie es mir nicht böse, aber sie haben hier nicht einmal ansatzweise das Recht etwas einzuwenden." Gab ich nun ebenso förmlich von mir, in der Hoffnung, dass er meine Worte dadurch vielleicht ein wenig besser verstand.

Elodies Hand ließ ich nach dieser kurzen Begutachtung jedoch nicht los, sondern behielt sie weiterhin in der Meinen. Entweder schien sie sich keinen Millimeter bewegen zu wollen, aufgrund dieser Unterhaltung oder es störte sie überhaupt nicht. Letzteres gefiel mir dabei ein wenig besser. Wieder wanderte Tonys Blick zwischen uns hin und her. Noch immer misstrauisch, womöglich sogar noch mehr als zuvor. „Ich muss Sie dennoch dazu auffordern zu gehen, ungeladene Gäste haben hier für gewöhnlich keinen Zutritt." Gab der Mann mir gegenüber dann doch von sich und ich spürte daraufhin, wie ein Hauch von Wut langsam in mir hochzusteigen schien.

Ich bemühte mich, weiterhin einen gelassenen Gesichtsausdruck beizubehalten, doch Elodie musste bereits erkennen, dass meine Augen regelrecht in Flammen standen. Glücklicherweise konnte Anthony als vollkommen normaler Mensch, dies nicht erkennen, wenn ich es ihm nicht absichtlich erkenntlich machte. „Und wenn ich das nicht tue?" Ich trat ein paar Schritte in seine Richtung, wurde aber von Elodie aufgehalten, die sich in diesem Moment halb vor mich stellte und eine Hand an meine Brust legte, um mich am Weitergehen zu hindern.

„Hör auf Luc, es reicht." Zischte sie mir leise zu, weshalb sich meine Aufmerksamkeit sofort auf sie richtete. Auch ihre Augen glühten nun in einem feurigen Rot, im Gegensatz zu mir, jedoch eher mit einem Hauch von Verunsicherung, vielleicht sogar Angst. Ich hatte mich noch immer nicht vollends daran gewöhnt, sie auf diese Weise zu sehen. Nicht nur dass sie mich zurückhielt, auch ihre direkte Berührung sorgte letztendlich dafür, dass ich mich ein wenig beruhigte. „Ist schon okay, Tony. Ich werde ihn selbst nach draußen begleiten." Meinte sie in die Richtung des Mannes, der sich eindeutig nicht anmerken lassen wollte, dass er sogar ein klein wenig Angst vor mir hatte. Doch solche Dinge blieben mir nun nicht mehr verborgen.

Er stimmte ihrem Vorschlag lediglich mit einem Nicken zu und trat dann einen Schritt zur Seite, damit er uns nicht beim Gehen im Weg stand. Ohne noch ein weiteres Wort dazu zu sagen, griff Elodie nach meiner Hand und zog mich regelrecht hinter sich her, zurück ins Innere des Gebäudes und dort in Richtung Ausgang, der zur Straße führte. Bestimmt hätte ich hier, ebenso wie die anderen Menschen in diesem Saal, einen schönen Abend verbringen können. Doch Elodie ließ mir nicht einmal genug Zeit, um mir alles noch einmal anzusehen. Solche Feste hatte es bei uns bedauerlicherweise schon lange nicht mehr gegeben.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?" fauchte Elodie mich an, sobald wir das Gebäude verlassen und weit genug von möglichen Ohrenzeugen entfernt waren. Ich zuckte jedoch nur gespielt unwissend mit den Schultern. „Er hat mir gedroht. Was hätte ich denn sonst tun sollen?" fragte ich, wobei wieder ein leichtes Schmunzeln auf meine Lippen trat. „Du kannst hier nicht einfach tun und lassen was du willst, Lucifer. So funktioniert das nicht." entgegnete sie jedoch und löste ihre Hand schließlich aus meiner. Dieses angenehme und zugleich beruhigende Gefühl, welches meinen Körper durchflutet hatte, verschwand augenblicklich.

„Ach nein?" Ich hob amüsiert eine Augenbraue und blickte so zu ihr hinunter, während ihre noch immer glühenden Augen wieder auf mich gerichtet waren. „Soweit ich mich erinnern kann, bin ich der Teufel. Ich denke, das gibt mir das Recht, genau das zu tun." Versuchte ich ihr verständlich zu erklären, denn es stimmte auch. Kein Mensch auf dieser Welt konnte sich mir in den Weg stellen, um mich an einem meiner Vorhaben zu hindern. Obwohl Elodie dazu eindeutig in der Lage war. Aus einem anderen Winkel betrachtet, zählte sie aber auch nicht mehr zu der menschlichen Norm.

Sie gab ein Seufzen von sich und sah sich einmal um, vermutlich um sicherzugehen, dass wirklich niemand etwas von uns mitbekam. „Wenn du hier herumirrst und dich amüsieren willst, ist das völlig okay. Damit kann ich durchaus leben." Begann sie schließlich und blickte wieder zu mir hoch. Ihr Blick wirkte nun aber ein wenig ruhiger. „Aber halte dich, zur Hölle nochmal, aus meinem Leben raus. Das geht dich wirklich nichts an." Ich hätte mir eigentlich schon denken können, dass solche Worte folgen würden. Dennoch schmerzte es, wie auch die letzten Male, ein wenig.

„Das bedeutet, du.." ich rief mir ihre gesamten Worte noch einmal in Erinnerung. „.. bist damit einverstanden, wenn ich auf der Erde bin. Du willst mich aber nicht sehen, oder hören?" fragte ich nach, wobei sich jedoch der Hauch eines Grinsens auf meine Lippen schlich. „Ja, genau das habe ich.." Sie schien mein Grinsen wohl bemerkt zu haben, weshalb sie erstmal verstummte. „..warte.. Nein! Nein, das habe ich damit nicht gemeint." Sie verzog leicht das Gesicht, als würde sie an etwas denken, was ihr durchaus nicht gefiel.

„Auch nicht in einem unsichtbaren Zustand, Lucifer. Das ist wirklich ekelhaft." Ich rollte daraufhin nur mit den Augen. Meiner Ansicht nach gab es dafür weitaus bessere Ausdrücke, doch ekelhaft zählte laut meines Erachtens nicht unbedingt dazu. In manchen Fällen konnte dieser Zustand ziemlich nützlich sein. „Es wäre besser für uns beide, wenn du für eine Weile in der Hölle bleibst. Mindestens für ein paar Jahre." Ich legte verständnislos den Kopf ein wenig schief. „Das ist doch ein Scherz, Elodie. Besser für uns beide? Wie kommst du auf diesen Irrsinn?"

Sie schüttelte jedoch nur den Kopf und wandte den Blick von mir ab, der sich stattdessen auf das Gebäude richtete, welches wir vor Kurzem erst verlassen hatten. „Ich sollte wieder reingehen. Tony soll sich wirklich nicht noch mehr Gedanken über dich machen." Murmelte sie, mit den Gedanken wohl nicht mehr vollkommen bei unserem Gespräch. „Diese zwei Minuten, wird er bedauerlicherweise bestimmt überleben, auch ohne deine Gesellschaft." Brachte ich sie schlagartig zu unserer Unterhaltung zurück, weshalb sie mir ein wenig irritiert entgegenblickte.

„Ich verstehe dich nicht, Elodie. Du schiebst mich ständig von dir weg, obwohl du ganz genau weißt, dass ich nicht einmal im Traum daran denken würde, dir wehzutun. Ich kann deine Bedingung nicht einfach akzeptieren, dafür brauche ich eine Erklärung." Unser Blickkontakt hielt noch einen kurzen Moment an, bis das Rot in Elodies Augen vollends verschwand und nur ein sanftes Grün zurückließ. Als hätte sie eine Mauer eingerissen, um mir überhaupt erst eine Erklärung für ihr Verhalten geben zu können.

„Dubedeutest mir etwas, Lucifer. Ich weiß, das klingt verrückt." Sie schütteltekurz den Kopf, als könnte sie selbst nicht glauben, dass sie das sagte. „DieHölle ist kein Ort für mich. Das war sie nie und das weißt du. Selbst wenn ichwollen würde, dass du in meiner Nähe bist, könnte ich nicht zulassen, dass dumich täglich an diesen Ort erinnerst. Ich möchte endlich damit abschließen und ichhoffe, dass du das ebenso tust." Noch bevor ich in irgendeiner Weise daraufreagieren konnte, trat sie bereits an mir vorbei und betrat nur einen kurzenMoment später wieder das Gebäude. Nun kannte ich zwar den Grund für ihrVerhalten, doch dieser würde mich womöglich nur noch mehr daran hindern, ihrihren Wunsch zu erfüllen. Besonders nach dem, was sie mir eben gestanden hatte. 

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt