Anthony

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An jedem einzelnen Tag der darauf folgte, zerbrach ich mir den Kopf über ein und die selbe Frage: Wofür sollte ich mich entscheiden? Ich war zwiegespalten. Was aus meinem normalen Leben werden würde, wenn ich mich letztendlich für die Hölle entschied, wusste ich nicht. Ich wollte nicht erneut alles verlieren, was ich mir über Jahre hinweg aufgebaut hatte. Wenn ich in der Hölle leben würde, konnte ich mein normales Leben dann überhaupt noch so weiterführen, wie ich es kannte? Und wenn ich mich dagegen entschied, was hatte das für Auswirkungen? Ich konnte mir bereits denken, dass Lucifer das nicht gefallen würde. Doch wie genau kannte ich ihn eigentlich?

„Ist alles okay, Elodie? Du wirkst so abwesend." Hörte ich Tonys Stimme, der mich damit aus meinen Gedanken riss. Ich nickte fast schon automatisch und begann leicht zu lächeln. „Mir geht's gut, ich war nur etwas.. abgelenkt." Meinte ich, ehe ich nach dem Weinglas vor mir griff und einen kleinen Schluck daraus trank. Wir befanden uns in diesem Augenblick in einem kleinen Lokal, auf der Spitze eines höher gelegenen Berges, mit traumhaftem Ausblick auf das Meer und den angrenzenden Horizont. Der Weg hierher hatte länger gedauert, als erwartet. Doch es hatte sich gelohnt. Das erste Mal, seit ich Anthony kannte, trafen wir uns in einem eher privaten Rahmen. Die meisten Treffen hatten zuvor immer mit aufmerksamem Publikum stattgefunden. Solch ein Publikum gab es hier oben nicht.

„Machst du dir noch immer Gedanken, wegen dem Shooting morgen? Wenn dir das zu viel wird, können wir das gerne verschieben." Sagte er direkt, mit einem zuvorkommenden Unterton in der Stimme. Erst zögerte ich, doch dann beantwortete ich dies mit einem Nicken. „Das Shooting. Ja, das wird es wohl sein." Tony nickte verstehend und zückte daraufhin direkt sein Handy. Vermutlich um diesen Termin wirklich abzusagen. Es freute mich, dass er dies einfach so hinnahm und die Termine verwarf, die wir zuvor mit Mühe geplant hatten.

Nachdem er alles Nötige geklärt hatte, packte er das Handy wieder weg und griff stattdessen nach meiner Hand. „Ich möchte dich nicht zu etwas zwingen, was du im Augenblick nicht willst, Elodie. Warum auch immer du damals verschwunden bist, du solltest wissen, dass ich für dich da bin, wenn du darüber sprechen möchtest." Selbst wenn diese Worte mich berührten und ich froh darüber war, dass er so verständnisvoll reagierte, fehlte mir dennoch etwas. Dieses eine besondere Gefühl, welches nicht entstand, als sich unsere Hände berührten. Es enttäuschte mich fast schon ein wenig.

„Wie wär's, wenn wir nachher zu mir fahren und wir uns den morgigen Tag völlig frei nehmen? Dann kannst dich den ganzen Tag entspannen und dir einfach ein wenig Zeit für dich nehmen, ohne dass dir Amanda irgendwelche Termine vor die Nase hält." Er begann sanft mit dem Daumen über meine Hand zu streichen, weshalb sich eine Gänsehaut von dort ausgehen über meinen Arm zog. Wenn ich bewusst darüber nachdachte, klang es eigentlich nach einer guten Idee. Ich konnte solch einen freien Tag wirklich gut gebrauchen. Selbst wenn ich erst seit ein paar Wochen wieder vollends in diesem Business beschäftigt war.

„Das klingt gut.." murmelte ich leise und richtete meine Aufmerksamkeit dann direkt auf seine Augen, die diesen Blick mit einem sanften Grau erwiderten. Obwohl er in einer solch hochangesehenen Welt lebte, in der man sich keinen Fehler erlauben konnte, war er dennoch so freundlich und zuvorkommend. Nicht so, wie all die anderen Typen, die ich in dieser Branche bereits kennenlernen durfte. Jonathan mit eingeschlossen. „.. aber nur unter einer Bedingung." Ergänzte ich meine Antwort, worauf Tony aufmerksam den Kopf ein wenig zur Seite legte. „Und die wäre?" Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als ich dies beantwortete. „Du schließt den Weinkeller nicht wieder zu. Das hast du auch das letzte Mal gemacht, als ich bei dir war."

Tony begann zu Lachen und schüttelte dabei leicht den Kopf. „Da warst du aber nicht alleine. Ich will nur kein Risiko eingehen.. aber okay, ich lasse ihn offen. Dieses eine Mal." Zufrieden mit diesem regelrechten Deal, richtete ich meinen Blick wieder auf das Meer, welches diese unglaubliche Ruhe ausstrahlte. Kein Wunder also, warum ich mich hier so wohlfühlte. Es nicht mehr jeden Tag sehen zu können, würde ich wirklich vermissen. Je nach dem, wie meine Entscheidung letztendlich ausfallen würde. Ich wartete wohl einfach nur auf einen Moment, der mir diese Entscheidung erleichtern würde.

Vielleicht ein gravierender Fehler von Lucifer oder ein Ereignis in meiner Welt, welches mich endgültig zum Bleiben oder Gehen bewegen würde. Doch solch einen Moment hatte es bisher noch nicht gegeben. Die Entscheidung ohne diesen zu treffen, viel mir jedoch unglaublich schwer. Jede Wahl hatte Auswirkungen, mit denen ich nicht leben wollte. Ich wollte und konnte es einfach nicht. Mein Leben war zwar nicht schlecht, so wie es jetzt war. Doch es fehlte einfach etwas. Etwas Ausschlaggebendes. Ich konnte dieses Leben nicht mehr auf diese Weise genießen, wie es früher der Fall war. Weder die Hitze im Sommer, noch mein damaliges Lieblingsessen. Nichts davon löste mehr irgendeinen Gefühls- oder Geschmackssinn in mir aus.

Wir saßen noch zwei weitere Stunden dort und sprachen meiner Ansicht nach über recht unwichtige Dinge, die für Tony jedoch von großer Bedeutung zu sein schienen. Fast so, wie die Gespräche bei der letzten Geschäftsfeier, wo ich so gut wie kein einziges Wort von dem verstanden hatte, worüber sie sprachen. Nachdem wir das Lokal schließlich verlassen hatten, fuhren wir mit seinem Wagen in die Richtung seines Hauses. Obwohl man es schon eher als recht große Villa bezeichnen konnte. Ein Haus klang zu.. einfach. Ich war zwar bereits einmal hier gewesen, doch ich war immer wieder begeistert von dem Gesamtbild, welches sich mir bot.

Wir stiegen aus dem Wagen und liefen zum Eingang des Gebäudes. Tony öffnete die Tür und ließ mich zuerst hindurchtreten. „Du brauchst dir auch keine Gedanken über irgendwelche Stalker zu machen, Elodie. Wir sind hier völlig unter uns." Meinte er noch, ehe er die Tür hinter uns schloss und uns die Stille in diesen Räumen umgab. Das letzte Mal als ich hier war, hatte es eine private Feier gegeben, von der ich bis heute nicht einmal wusste, warum sie eigentlich stattfand. An diesem heutigen Tag, war es also das erste Mal, dass ich wirklich alleine mit ihm an diesem Ort war. Es war ein eher beklemmendes Gefühl, welches ich dabei empfand.

„Fühl dich wie Zuhause, ich bin in einer Minute wieder bei dir." Hörte ich Tony noch sagen, ehe er den großen Wohnbereich verließ, welchen wir betreten hatten und somit aus meinem Blickfeld verschwand. Es störte mich nicht besonders. In diesem ruhigen Moment alleine zu sein, gab mir die Möglichkeit, mich etwas genauer umzusehen. Dies war mir zuvor verwehrt geblieben. Ich entdeckte einige Bilder an den Wänden. Viele davon von Anthony selbst. Andere wiederum von Allem, was man mit ihm verband. Bilder der erfolgreichsten Models, mit denen er bereits zusammengearbeitet hatte. Bilder seiner Autos und dem ganzen anderen Kram, mit dem sich ein erfolgreicher Mann wie er beschäftigte. Alles was ihm wichtig war und dennoch Nichts, was mich wirklich interessierte.

Ich zuckte ein wenig zusammen, als sich plötzlich zwei Arme von hinten um meine Taille legten. Ein kurzer Moment der Panik trat ein, bis ich realisierte, dass es lediglich Tony sein konnte. „Du könntest auch dort hängen, Elodie." Hörte ich ihn leise in der Nähe meines Ohres murmeln. Darauf antwortete ich erstmal nichts, sondern lehnte mich nur ein wenig gegen ihn. Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich darüber denken sollte. „All dies könnte auch dir gehören. Die gesamte Welt würde uns zu Füßen liegen." Wieder antwortete ich nicht darauf, sondern blickte lediglich weiter auf die Bilder an der Wand. Das hier war sein Leben. Konnte ich wirklich ein Teil davon sein? Nur ein weiterer Teil seiner Sammlung?

„Du könntest alles haben, was du dir jemals erträumt hast." Er löste einen Arm von meiner Taille und strich stattdessen meine offen herunterhängenden Haare an der einen Seite meines Halses zur Seite. „Wir sind wie füreinander bestimmt, Elodie." Diesmal spürte ich seinen warmen Atem direkt auf meiner Haut und ich spannte mich augenblicklich ein wenig an. Doch ich wollte mich nicht direkt meinen Erinnerungen hingeben und diesen Ort mit negativen Gedanken betrachten. Ich hatte ihn bisher nicht als solch ein Monster wahrgenommen, es gab also keinen Grund, nun auf solch eine Weise zu denken.

Nureinen kurzen Augenblick später, spürte ich seine Lippen an meinem Hals, dieeinen sanften Kuss dort hinterließen. Ich zog dabei scharf die Luft ein, wagteaber dennoch nicht, an meiner bisherigen Vorstellung von Anthony zu zweifeln.Ich hatte die Hoffnung, dass er nicht auch solch ein Mensch war, wie Jonathan. „Dubist der Traum eines jeden Mannes." Hörte ich ihn wieder murmeln, ehe er einenerneuten Kuss an meinen Hals setzte. Der Moment, der diese winzige, von Hoffnunggefüllte Seifenblase, urplötzlich zerplatzen ließ. Denn genau diese Worte,hatte ich schon einmal gehört. Es war nun schon einige Jahre her, doch ichkonnte mich noch immer haargenau daran erinnern, wie Jonathan diese Worte aufgenau die selbe Weise widergegeben hatte. Und diese plötzliche Erinnerung daran,trieb mir augenblicklich Tränen in die Augen.

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now