Der Schatten

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Langsam öffnete ich die Augen wieder und erkannte so die Bäume um uns herum wieder und auch die vielen vertrockneten Blätter, die sich bereits auf dem Boden des Waldes gesammelt hatten. Bei jedem kleinsten Schritt hörte man das Rascheln dieser unter seinen Füßen. Nur im Gegensatz zu unserer Abreise, war es nun stockdunkel. Kein einziger Lichtschein trat durch die Baumkronen hindurch und verlieh dem Wald somit einen ziemlich unheimlichen Touch. Alleine und vor allem ohne Licht, würde ich mich nur ungerne fernab von den richtigen Wegen aufhalten.

Erst jetzt ließ Raphael meine Hände wieder los und ich konnte grob seine Gesichtszüge vor mir erkennen. Mit einem kurzen Nicken deutete er Richtung Weg. „Ich hoffe, du hast nicht zu viel von dem Zeug in dich reingekippt. Ich hätte mir eigentlich denken können, dass Levia mit dir sprechen will." Brummte er leise und schob mich dann schon fast in die Richtung des Weges. So als hätte er es eilig, von diesem Ort zu verschwinden. Ich trauerte dieser Feier sogar schon ein wenig hinterher. Ich vermisste diese Leichtigkeit, die mich dort umgeben hatte.

Jetzt allerdings konnte ich an nichts anderes mehr denken, als daran, die nächsten Tage wieder mit meinem täglichen Alltag klarkommen zu müssen. Denn auch wenn mein Leben nun komplizierter war als das von anderen Menschen, musste ich dennoch so weiterleben wie zuvor. Mein Leben durfte nicht wegen so etwas zu Grunde gehen. Dafür hatte ich zu hart gearbeitet und zu vieles geopfert. Ich spürte schon regelrecht, wie die vielen Gedanken mich wieder förmlich zu erschlagen schienen.

An meinem Schweigen schien Raphael wohl nun festzustellen, dass etwas nicht in Ordnung war, da er sich mir näherte. „Elodie? Alles okay?" fragte er nach, wobei ich sein Gesicht in der Dunkelheit nur erahnen konnte. Selbst seine weißen Klamotten schienen von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Auch er sollte also nicht in der Lage sein, mein Gesicht richtig sehen zu können. Es dauerte einen Moment, bis ich ihm mit einem leisen „Ja .. ja, alles okay.", antwortete.

Nach einem kaum erkennbaren Nicken seinerseits, liefen wir weiter Richtung Weg. Vielleicht dachte er, dass der Alkohol etwas mit meinem Schweigen zu tun hatte. Nur konnte er nicht ahnen, dass dieses plötzliche Auftreten dieser Gedanken mir meine Kraft schneller raubte, als ich hätte denken können. Ich hatte die Vermutung, dass ich der erste lebende Mensch im Himmel war und deshalb nicht mal Raphael die Auswirkungen dieser Reise bewusst waren.

Zum einen war ich froh, dass Raphael nicht wieder im Himmelreich verschwand um die Feier weiter zu genießen, sondern mich zum Auto führte und mich in den darauffolgenden Minuten zurück zur Villa fuhr. Andererseits wäre ich in diesem Moment auch sehr gerne alleine gewesen, um meine Gedanken wieder sortieren zu können. Eins wusste ich allerdings: So schön der Himmel auch war, das Gefühl nach der Rückreise vertrieb jeden noch so kleinen Gedanken an die vorher empfundene Leichtigkeit.

Die Rückfahrt verlief schweigend. Ich sagte kein einziges Wort und auch Raphael blieb still. So hielten wir schließlich wieder vor der Villa, wo sich Raphael mir doch wieder zuwandte. „Du solltest jetzt schlafen, Elodie. Vielleicht geht es dir dann besser." Er hatte mir meine Antwort also doch nicht abgekauft. „Ich merke es, wenn du lügst." Fügte er murmelnd hinzu und ich nickte nur langsam. In dem leichten Licht, dass von der Villa ausgestrahlt wurde, konnte ich nun sein Gesicht erkennen und musste feststellen, dass er mehr als besorgt aussah. Wir dachten wohl beide das Selbe. Es war keine gute Idee gewesen, mich in den Himmel zu bringen.

„Lässt du mich alleine?" fragte ich leise nach und versuchte mir durch meinen Gesichtsausdruck nicht anmerken zu lassen, wie schwer es war überhaupt zu sprechen. Innerlich fühlte ich mich, als könnte ich in Tränen ausbrechen. Mein Inneres schien mich förmlich aufzufressen. „Wenn du schläfst, ja. Ich werde ab und zu nach dir sehen. Tiago sollte es merken, wenn irgendwas passiert." Meinte er nur und ich öffnete im nächsten Augenblick auch schon die Tür des Wagens. Mehr brauchte ich nicht als Antwort.

„Bleib nicht zu lange wach, okay? Du brauchst den Schlaf." Hörte ich Raphael noch sagen, doch ich stieg aus und schloss nach einem leisen „Gute Nacht, Raph." Einfach wieder die Tür. Er hatte recht. Ich war wirklich müde. Wie spät es war, wusste ich nicht doch es musste bestimmt schon Mitternacht gewesen sein. Vielleicht verging die Zeit im Himmel ja sogar anders als hier. Wer wusste das schon?

Ich näherte mich der Eingangstür und hörte hinter mir noch immer den laufenden Motor des Wagens. Er wollte wohl sichergehen, dass ich auf den wenigen Metern zur Tür nicht von einem Irren gekidnappt wurde. Na vielen Dank auch. So öffnete ich die Tür mit meinem Schlüssel und schloss diese auch direkt wieder hinter mir. Kurz darauf hörte ich dann endlich das leiser werdende Geräusch des Motors, bis es irgendwann komplett verstummte. Er fuhr also zur Party zurück.

Das Haus lag ruhig vor mir und nur ein paar wenige Lichter brachten indirektes Licht in die Räume. Allerdings hörte ich nicht, wie erhofft, das Trappeln kleiner Hundepfoten, die sich freuten mich wieder zu sehen. Im Gegenteil. Es war absolut still im Haus. Nicht ein einziges Geräusch war zu hören, was mir einen eiskalten Schauer einjagte. Bestimmt hatte Amanda Tiago einfach mit zu sich genommen, damit er hier nicht so alleine war. Das musste es sein. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass ich den Husky auch nach einigen Minuten suchen nicht finden konnte. Auch nicht bei seinem Schlafplatz neben meinem Bett.

Wusste Raphael das Tiago nicht da war? Sollte ich mich gezwungen fühlen, ihm davon zu erzählen? Wohl eher nicht. Tiago hätte es zwar mitbekommen, wenn jemand in meinem Haus auftauchen würde, doch was würde an diesem Tag schon passieren? Das Tiago einen Tag mal nicht da war, musste ja kein Weltuntergang sein. Ich hatte andere Dinge, über die ich mir im Augenblick Gedanken machte. Mehr als schlafen konnte ich sowieso nicht machen. Das einzige was mich davon abhalten könnte, wäre vermutlich eine lästige Mücke, die in dieser Jahreszeit aber glücklicherweise nicht mehr allzu verbreitet waren.

In den nächsten Minuten widmete ich mich also meiner Abendroutine, entfernte mein Make-Up, wechselte mein eng anliegendes Kostüm gegen den lockeren Pyjama und legte mich schlussendlich ins Bett. Es war ein komisches Gefühl, Tiago nicht wie sonst in meiner Nähe zu haben, doch diese eine Nacht würde ich schon überleben. Es bestand schließlich kein Grund zur Sorge. Raphael hatte gemeint, dass er gelegentlich nach mir sehen würde. Wenn etwas passieren würde, wäre er natürlich sofort da.

Auf diese Weise versuchte ich mein Gewissen zu beruhigen und schaffte es so sogar, dass meine Gedanken mir nicht wieder wie so oft den Schlaf raubten. Ich war einfach zu müde nach diesem aufregenden Tag voller Eindrücke und Gefühlsschwankungen. Ich brauchte ein paar Stunden um mich davon zu erholen, sonst würde ich nicht wieder topfit mit meiner Arbeit fortfahren können. Immerhin lag daran meine ganze Zukunft. Das konnte ich nicht einfach ignorieren, nur weil mich jemand entführen wollte.

Mit jeder Minute, die ich in diesem unglaublich weichen Bett lag, wurde ich immer müder und auch meine Gedanken wurden immer leiser. Bis sie schließlich ganz verstummten und ich langsam in den Schlaf glitt. Ein Schlaf ohne Alpträume, doch auch ohne eine entstehende Ruhe in meinem Inneren. Es war, als würde mein Unterbewusstsein wissen, dass etwas nicht stimmte. Es musste an Tiagos Abwesenheit liegen, dass ich selbst im Schlaf, keine Ruhe fand.

Oder es lag an dem großen dunklen Schatten, der sich in der Nähe meines Badezimmers befand und mich von dort aus zu beobachten schien. Weit abseits von jeder Lichtquelle und somit auch unbemerkt von mir, war er dort aufgetaucht. Still und leise stand er dort. Wäre Tiago nun anwesend gewesen, hätte es nicht lange gedauert, bis sein bedrohliches Knurren mich geweckt hätte, um mich vor diesem Schatten zu warnen.

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Über 1000 Reads!!!  Ihr seid der Wahnsinn! <3  

Ich freue mich riesig, dass euch meine Geschichte so gut gefällt. Zumal ich niemals erwartet hätte, dass sie so gut bei euch ankommen könnte.

Vielen Dank für eure liebe Unterstützung!

Jetzt wünsche ich euch aber erstmal viel Spaß beim Weiterlesen und noch ein kleiner Tipp von mir:

Passt immer gut auf, dass sich nicht auch ein Schatten bei euch im Zimmer versteckt! <3

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now