Beethoven

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Dieses Lied könnt ihr abspielen, sobald der richtige Augenblick gekommen ist. Ihr werdet beim Lesen dieses Kapitels schon merken, wann dies der Falls ist! ;)

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„Nimmst du den noch? Ich glaube, der ist mir zu schwer." Raphael warf mir nur einen skeptischen Blick zu „Du hast nicht einmal versucht den hochzuheben, stimmts?" fragte er, woraufhin ich leicht zu grinsen begann. „Hm nein, ich muss doch diese tonnenschwere Pflanze tragen." Gab ich mit einem entschuldigenden Unterton von mir und blickte kurz zu der nicht einmal annähernd so schweren Pflanze in meinen Händen. Der blonde junge Mann mir gegenüber griff also nach dem letzten Karton und hob diesen ohne große Probleme hoch. „Wäre es ein schlechter Zeitpunkt dich daran zu erinnern, dass diese Idee noch immer absolut dämlich ist?"

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Ein wirklich entsetzlich schlechter Zeitpunkt." Ich setzte mich in Bewegung und verfrachtete die kleine Pflanze mit ein paar wenigen Handgriffen in dem Transporter, den Raphael extra zu diesem Anlass organisiert hatte. Nur kurz darauf war auch die letzte Kiste mit meinen wichtigsten Habseligkeiten im Inneren des Wagens verschwunden und Raphael schloss zum letzten Mal an diesem Tag die Tür. „Du bist dir wirklich sicher, dass du das willst?" fragte er mich zum gefühlt tausendsten Mal innerhalb der letzten vergangenen Wochen. Ich antwortete nur mit einem Augenrollen darauf.

Es war eine ganze Weile vergangenen in der ich anfangs mit Raphael bezüglich meines geplanten Umzugs diskutiert hatte. Er konnte den genauen Grund dafür nicht verstehen und ich konnte es ihm auch kaum verständlich erklären. Doch jetzt hatte ich endlich etwas Passendes gefunden, wo ich nach all diesen Ereignissen ein völlig neues Leben beginnen konnte. Ein Ort, an dem es keine Erinnerungen an Lucifer oder Momente gab, in denen ich mich selbst am wenigsten gemocht hatte.

„Wir sehen uns dann später, Elli. Fahr vorsichtig." Gab Raphael noch mit einem Lachen von sich und stieg dann in den Transporter. Fraglich war nur, ob er überhaupt einen Führerschein hatte. War es überhaupt möglich, dass Engel Unfälle bauen konnten? Ein seltsamer Gedanke. Kurz nachdem sich der Transporter in Bewegung gesetzt hatte, stieg auch ich in meinen Wagen, um ihm zu folgen. Den Weg kannte ich bereits. In den letzten Wochen war ich oft genug dorthin gefahren, um die wichtigsten Dinge dort unterzubringen. Möbel brauchte ich keine, die gab es dort bereits. Doch bei solch einem großen Haus wie meinem, gab es einige private Dinge, die ich unmöglich hier zurücklassen konnte. Klamotten, Erinnerungsstücke, kleine Details die dieses Haus eben zu dem gemacht hatten, was es war.. mein Zuhause.

Und jetzt ließ ich es zurück, mit all den Erinnerungen, die ich damit verband. Während ich also den Wagen auf die breite Landstraße lenkte, schweiften meine Gedanken wieder ein wenig ab. So wie es immer war, wenn ich diese gewohnten Strecken fuhr. Durch Raphaels Anwesenheit hatte ich kaum die Möglichkeit, wieder an Lucifer zu denken. Raph war wirklich gut darin, Menschen von Dingen abzulenken, die ihnen nicht gut taten. Sein Schützling brauchte nur selten seine Aufmerksamkeit, dafür war er noch deutlich zu klein. Doch auch er würde irgendwann größer werden und mit jedem weitere Jahr, immer mehr Zeit von Raphael beanspruchen. Ich konnte mich also glücklich schätzen, dass er diese freie Zeit die ihm noch blieb, mit mir verbrachte.

Mit einer gemäßigten Geschwindigkeit folgte ich diesem kleinen Transporter, der sich nur ein kurzes Stück vor mir befand. Ich hatte keine Eile bei diesem Umzug. Bis zu meinem neuen Haus waren es zwar einige Stunden Fahrt, doch ich würde letztendlich eh dort ankommen. Ob ich mich nun beeilte oder nicht. Außerdem war es so um Einiges entspannter. Amanda hatte sich dort in der Nähe ebenfalls eine Wohnung gemietet und für diese Wochen Tiago bei sich aufgenommen. Ihn in einem unbekannten Gebiet alleine zu lassen, wäre keine gute Idee. Für ihn war dieser Umzug vermutlich genauso ein Neuanfang, wie für mich.

Als ich plötzlich vertraute Töne in meinen Ohren wahrnahm, hellte sich meine Stimmung schlagartig auf und ich begann wie automatisch zu lächeln. Es war wie ein Reflex, dass ich das Radio ein wenig lauter stellte, als 'Primadonna' von 'Marina and the Diamonds' in meine Ohren trat. Ein Lied, welches ich in meiner Vergangenheit nur zu gerne gehört hatte und mir eine positive Erinnerung aus dieser Zeit gab. Kein Wunder also, dass ich mich direkt noch mehr auf mein neues Leben freute und diese Fahrt umso mehr zu genießen schien. Es war das perfekte Lied für solch eine Fahrt.

Selbst wenn es noch nicht ganz so warm war und es anstatt des Cabrios auch einige bessere Wagen gegeben hätte. Doch in diesem Moment fühlte es sich genau richtig an. Mit diesem Wagen über die kaum befahrene Straße zu fahren, mit diesem Lied in voller Lautstärke und den bereits ein wenig wärmenden Sonnenstrahlen im Gesicht. Der Frühling war langsam auf dem Weg, was noch ein zusätzlicher Grund dafür war, dass sich meine Stimmung besserte. Es gab wirklich nichts, was mir diesen Augenblick noch vermiesen konnte. Und anders als es nach so einem Satz typisch war, passierte in den folgenden Stunden der Fahrt auch rein gar nichts.

Noch bevor wir nach einigen Stunden, inklusiver kleiner Pausen, an meinem neuen Zuhause ankamen, konnte ich die leicht salzige aber auch recht kalte Luft des Meeres wahrnehmen, die mich vermutlich mein restliches Leben lang begleiten würde. Ein schöner Gedanke. Nur wenige Minuten später konnte ich das Meer bereits sehen, als wir auf einer Straße fuhren, die direkt daran vorbeiführte. Es war schon immer ein kleiner Traum von mir gewesen, direkt am Meer zu leben und jetzt hatte sich glücklicherweise ein guter Grund entwickelt, um diesen Umzug zu wagen. Womöglich hätte ich sonst mein restliches Leben an genau dem gleichen Ort verbracht.

Nach einer weiteren Stunde verließen wir endlich diese grauenhaft lange Landstraße und bogen auf einen Weg ein, der etwas näher zum Meer führte. Und dann stand es dort. Umgeben von einigen Palmen und von außen kaum sichtbar. Dieses Haus war ein wenig kleiner als mein Altes, doch vom Aufbau ähnelten sie sich sehr. Vermutlich hatte es mir deshalb so gut gefallen. Je näher wir kamen, desto breiter wurde mein Grinsen, während die weißen Grundrisse des Gebäudes immer mehr in mein Blickfeld traten. Bis wir schließlich vollends davorstanden und die Wagen abstellten. Nun gab es also kein Zurück mehr. Das hier war mein neues Leben.

Vor dem Haus gab es ein abgegrenztes Stück, in dem sich Wasser befand und diesem Ort dadurch deutlich mehr Gemütlichkeit verlieh. Hier in der Nähe gab es keinen Wald. Also war ich sehr froh darüber, dass es wenigstens ein wenig grün in dieser Umgebung gab. Raphael stieg nur einen kurzen Moment nach mir aus dem Transporter und warf mir daraufhin die Schlüssel der Haustür zu. „Willkommen zuhause, du sture Primadonna." Ich fing den Schlüssel auf und gab ein amüsiertes Lachen von mir. „Hüte deine Zunge, junger Mann." Wir traten näher zum Eingang des Hauses und ich war wieder einmal sprachlos, wie schön dieses Haus war. Selbst nach den vielen Besuchen hier, schien es in meiner Erinnerung nie seinen vollen Glanz zu behalten.

„Entschuldige, dieses Lied war wirklich nicht zu überhören. Du solltest dir vielleicht mal eine neue Musikrichtung angewöhnen." Lachte er mir entgegen und schob mich dann weiter Richtung Eingang, ehe ich die Tür des Hauses aufschloss. „Dieses Lied ist grandios, du hast doch gar keine Ahnung." Konterte ich und betrat daraufhin mit deutlicher Vorfreude mein neues Heim. Das ganze Haus war weiß gehalten, wirkte so rein und war dennoch so unglaublich gemütlich. Genau das, was ich gesucht hatte. „Es hätte mich mehr gefreut, wenn es ein Klavier geben würde."

Ich runzelte irritiert die Stirn und drehte mich zu ihm um „Mag der große grummelige Raphael etwa klassische Musik?" An seinem Blick konnte ich erkennen, dass es ihn wunderte, warum ich diese Frage überhaupt stellte. Die Antwort schien wohl auf der Hand zu liegen. „Ich bin eindeutig lieber Beethoven als Primadonna, Elli." Dann begann er zu lachen und ich stimmte mit ein. Es war wirklich erleichternd diesen Start so frei und ungezwungen leben zu können. Ich hatte es mir schwerer vorgestellt, doch Raphael gab mir, wie schon so oft, die Leichtigkeit, die ich für solch einen Moment brauchte.

„Könntest du mir vielleicht die Kartons reintragen? Die sind mir wirklich zu schwer." Gab ich von mir, nachdem ich mich einen Augenblick in dem Eingangsbereich umgesehen hatte. Je schneller ich mit dem Auspacken fertig war, desto besser. „Damit du dir keinen Fingernagel abbrichst?" antwortete Raphael mit einem Lachen darauf, setzte sich dabei aber bereits in Bewegung. Noch bevor er das Haus wieder verlassen hatte, folgte noch ein gezieltes „Primadonna!" hinterher und ich erwiderte dies mit einem etwas lauteren, aber hörbar amüsiertem „Beethoven!"

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now