Kapitel 80

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Taehyung


"Jungkook, wo hast du meine Tasche versteckt?!"

Ungeduldig öffnete er die Schränke der Küche. Späte in jeden freien Raum, der eine Sporttasche verbergen konnte und wurde schlussendlich in der Besenkammer fündig. In der hintersten Ecke, wo zahlreiche Putzmittel ihm den Weg versperrten.

"Das ist kindisch! Weißt du das?!"

Grummelnd schmiss er das Zeug einfach um, riss an seiner Tasche, die er heute schon zum zweiten Mal suchen musste und schwor still, dass er sie nicht mehr aus der Hand geben würde, bis er in seinem Auto saß.

Dieses Theater lief jetzt schon seit gestern Abend.

Seit er ihm verkündet hatte, dass der heutige Tag, der Tag sein würde, an dem er nach Busan fahren würde.

Es traf wohl ein, wie eine Abrissbirne und urplötzlich war aus dem Mann, den er liebte, ein anhänglicher Hund geworden, der nicht einen Moment ohne ihn konnte - und schon gar keine Nacht.

Um diese neue Bindung zu unterstreichen, wurden ihre Rollen plötzlich vertauscht.

Nun kraulte er Jungkook durch die Haare, ließ zu, dass dieser ihn in der Nacht umklammerte und musste seine Beine zu allen möglichen Zeiten zur Verfügung stellen, damit dieser darauf Platz nehmen konnte - gut, das letztere machte er jetzt eher weniger, aber es fiel ihm so sehr auf, dass er es nicht unerwähnt lassen konnte.

Leider war er deshalb mittlerweile so überfordert, dass ihm der Gedanke an eine kleine Auszeit ganz gut tat und hoffentlich, ganz eventuell, würde der Jüngere dann wieder normal laufen. So, wie er ihn kannte und liebte.

Der Griff um seine Tasche wurde noch etwas fester, als er aus der Kammer stolperte, hatte den Gurt sogar für alle Fälle über den Hals geworfen und bewegte sich schon fast wie ein Dieb, der nicht auffallen wollte.

Irgendwie schien das alles hier auf ihn abgefärbt zu haben und erst als er bei der Garderobe stand, merkte er, wie seine Haltung ganz ähnlich dem Glöckner von Notredam glich, der jedoch  tatsächlich einen Buckel hatte und eine eher gedrungene Figur besaß.

Ach verdammt, das war doch alles echt affig.

Eigentlich sollte er einfach zu Jungkook gehen, diesem einen Abschiedskuss geben, der sich in Hollywood sehen lassen konnte und voller Tatendrang durch die Wohnungstür marschieren. So, wie man das eigentlich machte.

Stattdessen mühte er sich nun ab Jacke und Schuhe anzuziehen, während seine Tasche die ganze Zeit total im Weg war und ihm mehr Atem raubte, als normalerweise.

"Ich gehe jetzt!

Ob du willst oder nicht!", rief er energisch und merkte mit einem kurzen Blick auf sein Handy, dass er mal wieder viel zu spät dran war.

Na toll, dass durfte er sich nachher von Jin wieder lang und breit anhören. Dabei wahrscheinlich noch zahlreiche andere Situation, wo er ebenfalls zu spät gekommen war.

Leider jedoch konnte er sich darum nicht direkt kümmern, denn als er die Türklinke in der Hand hatte, merkte er erst, was hier nicht stimmte.

Was hier irgendwie fehlte und warum er so mit den Nerven am Ende war:

Es gab keine Wiederworte.

Niemand brüllte und niemand trampelte.

Es war vollkommen ruhig...

Aber warum?

Ungläubig drehte er sich weg von der Tür. Den Blick dabei durch den Raum schweifend und nach dem jungen Mann Ausschau haltend, der hier eigentlich auch wohnte und alles dafür getan hatte, hinauszuzögern, was nicht vermeidbar war.

Fündig wurde er in der Küche.

Dessen sonst so breit wirkender Oberkörper war geschrumpft. Zeigte ihm allein dessen Rücken, während der Kopf von beiden Armen gestützt wurde und sich nicht regte.

Jungkook sah elend aus und das lag ganz sicher nicht nur an der Erkältung.

"Hey...", setzte sein schlechtes Gewissen prompt ein und schon befand er sich auf dem Weg zur Küche.

"Ich bin doch morgen schon wieder da..."

Sachte legte er seine Hand auf dessen Rücken. Streichelte etwas darüber, nur um kurz darauf in zwei große runde Augen zu blicken.

Sie glänzten in dem Deckenlicht und wirkten fast wie die eines Hundes, der um noch ein paar weitere Streicheleinheiten bettelte.

"Wegen dir kann ich jetzt nicht mehr alleine schlafen...

Findest du das in Ordnung?"

Die Ernsthaftigkeit blieb in dessen Gesicht, obwohl er selbst bei solchen Worten sehr mit dem Zucken seiner Mundwinkel zu kämpfen hatte.

So viel Kitsch...

... Und Jungkook brachte es auch noch so herzerwärmend rüber.

Kein Wunder, dass sich seine Brust dabei etwas zusammen zog und der Puls ein schnelleres Tempo einnahm.

Der Typ hatte es echt drauf...

"Ich muss auch eine Nacht ohne dich schlafen..."

"Aber dir scheint es nichts auszumachen!"

Beleidigt wand der Jüngere den Kopf wieder ab. Starrte auf die eigenen Finger, welche sich leicht verkrampft an der jeweils anderen fest hielt.

Es sah fast wie ein Kampf aus, bei dem noch nicht entschieden war, wer siegen würde - wie bei ihnen zweien.

"So kenn ich dich gar nicht..."

Er konnte es nicht länger lassen und wuschelte durch die braunen Haare, die danach in alle Richtungen abstanden.

Ein unglaublich süßer Anblick.

"So süß schmollend - muss sicher an deinem Alter liegen..."

Der Blick darauf hätte nicht böser sein können, aber er konnte es beim besten Willen nicht ernst nehmen. Ein Unmensch war er jedoch auch nicht und so ergriff er die Möglichkeit und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.

"Ich bin 28, Taehyung!"

"Ja, das weiß ich - soooo jung. Ich mit meinen 36 kann da nicht mithalten - ach so, wann hast du eigentlich Geburtstag?"

Er hatte total vergessen zu fragen und irgendwie war ihm das nun wieder eingefallen. Vielleicht könnte er ihm ja irgendwas aus Busan mitbringen - und wurde dann hoffentlich bereitwilliger gehen gelassen.

"Am 1. September - warum?"

Grinsend zuckte er mit den Schultern, küsste ihn noch ein letztes Mal auf den Mund und löste sich dann von ihm. Dabei rückwärts sich langsam entfernend, aber nicht einen Augenblick den Blick abwendend.

"Gibt es was, was ich dir aus deiner alten Heimat mitbringen soll? Irgendwas zu essen oder so?"

Ernst schüttelte Jungkook den Kopf und brachte genau so trocken wie davor die Worte "Nur dich" heraus.

Fast sofort spürte er die Hitze in seinem Gesicht aufsteigen, doch statt nochmal zurück zu gehen und eventuell heute gar nicht mehr weg zu kommen, lief er weiter Richtung Wohnungstür.

Immer weiter.

Bis die Tür ins Schloss fiel und er in sein Auto stieg.

Wenige Minuten später mit vier weiteren Personen an Bord.

Taste of Love - Taekook Where stories live. Discover now