Kapitel 64

207 25 8
                                    

Taehyung

Seufzend schloss er die Augen, als die kräftige Hand von Jungkook durch seine Haare kraulte. Er erlaubte sich diesen kleinen Augenblick, obwohl sie nicht alleine waren. Obwohl sie auf der Couch im Wohnzimmer von Namjoon saßen und darauf warteten, dass alle sich wieder sammelten, denn auch wenn das Weihnachtsfest für die Kinder vorbei war bedeutete das nicht, dass es auch für die Erwachsenen galt. Einen klitzekleinen Augenblick ließ er die Zuneigung noch zu, doch als er die Stimme von Jimin hörte, schüttelte er die Hand schließlich ab.

Jetzt nicht! wollte er am liebsten sagen, auch wenn es definitiv nicht dem entsprach, was sein Körper wollte. Er konnte sich immer noch an die Gesichter seiner Freunde erinnern. Wie sie zwischen Freude und Unbehagen den Antworten lauschten, die Jungkook und er auf die neugierigen Fragen gaben. Sie versuchten alle so gut es ging intimere Fragen zu lassen, auch wenn er genau wusste, was eigentlich jeder gerne wissen wollte: Wer wen fickte. Ihm jedenfalls würde es so gehen, wenn einer seiner Freunde an seiner Stelle gewesen wäre. Die Antwort "keiner", würden sie wahrscheinlich alle samt nicht glauben und wenn doch, dann würden sie es darauf schieben, dass sie sich noch nicht lange kannten. Daher gab es eher Fragen wie: wo habt ihr euch kennengelernt? Seit wann seit ihr zusammen? Und die wohl interessanteste Antwort gaben sie beide Wohl auf die Frage: Wie kamt ihr zusammen? Durch ein Experiment, war wohl nicht das, was sie erwartet hatten, weshalb noch etliche weitere Fragen dazu kamen. Zum Beispiel "wer kam auf die Idee?" "Was war euer erstes Date?" Und "Wusstet ihr da schon, dass es etwas ernsteres würde?" Es war, als ob er in einer Quizsendung saß und je nachdem, welche Reaktionen er von dem Publikum bekam, eine richtige oder eine falsche Antwort auf die nächste Aufgabe gab.

Abermals seufzte er auf. Diesmal aber eher wegen Überanstrengung, als wegen Jungkooks Hand, die zwar nicht mehr in seinen Haaren war, aber dafür wohl versuchsweise beruhigend hin und her strich. Als die Hand etwas zu tief wanderte ergriff ihn ein Schauer, der durch seinen gesamten Körper fuhr.

Warnende blickte er zu dem Übeltäter, der mit hochgezogenen Augenbrauen darauf reagierte. Als ob dieser sagen wollte, dass das vollkommen in Ordnung wäre und er selbst der einzige war, der das unangebracht fand.

"Jungkook...", versuchte er es noch eindeutiger und brachte diesen damit zum Lachen.

Na toll. Jetzt wurde er noch nicht Mal mehr ernst genommen.

"Entspann dich. Es lief doch bisher gut", und damit meinte dieser wohl die Fragerunde, über die er sich schon seit dessen Ende den Kopf zerbrach. Meistens, ob er vielleicht was falsches gesagt hatte oder eine andere Formulierung passender gewesen wäre. Schlussendlich war jedes Ergebnis seiner Gedanken und Überlegungen, dass er sich gerade völlig nackt fühlte. Er hatte förmlich einen Strip hingelegt, nur diesmal war es ein verbaler Strip. Der andere mit den Kleidern wäre ihm momentan tatsächlich lieber. 

"Hey, wer hat sein Geschenk vergessen? Hier fehlt ei-"

"Oh, ich hab meins noch im Auto! Ich hol es schnell!" Er hatte Jimin einfach unterbrochen. War direkt aufgesprungen, wodurch der Kontakt zu Jungkook mit einem Hüpfer seinerseits sofort abgebrochen wurde und er glücklich die Chance wahrnahm, die Jimin ihm geboten hatte, um etwas frische Luft zu schnappen und vielleicht sogar durch etwas frische Luft wieder Klarheit in den Kopf zurück bekam.

Wie der Road Runner von den Looney Tunes war er bei der Tür hinaus in die Freiheit und legte fast eine Vollbremsung hin, als er endlich draußen war. Ab hier ging es nur noch kriechend voran und die Kälte, die ihm entgegen schlug änderte absolut nichts daran, dass er sich eventuell beeilen sollte. Ihn störte es sogar, dass er das Auto so nah geparkt hatte, weil ihm dadurch wertvolle Zeit genommen wurde.

Der Schnee hatte mittlerweile die Wiese bedeckt, genau wie alles andere hier draußen. Es sah fast wie in einer dieser Schneekugeln aus, die man überall in der Stadt kaufen konnte und das perfekte Weihnachten präsentierte. Der Unterschied war, dass dort meistens ein Lebkuchenhaus mit Zuckerstangen und anderem Süßkram drin stand und Namjoons Haus eher langweilig normal war.

Trotzdem würde der Tag heute wohl dieser Perfektion am ehesten gleichen, auch wenn er schon entspanntere Weihnachten erlebt hatte, aber - und das war ihm fast unangenehm, dass er es jetzt erst wahrnahm - sie waren alle ohne Jungkook gewesen.

Zum ersten Mal in den letzten Stunden, wurde ihm bewusst wie einzigartig dieses Weihnachtsfest war. Das erste, bei dem er nicht alleine nach Hause fahren würde. Das erste...

Ohne seinem Auto näher zu kommen, drehte er sich wieder zum Haus um. Blickte auf die offene Tür, die warmes Licht auf den Schnee davor warf und ihn glitzern ließ.

Es war das erste Weihnachten an dem er verliebt war. Dieses Kribbeln in seinem Bauch spürte, jedesmal, wenn er auch nur an den Mann dachte, der gerade auf dem Sofa im Wohnzimmer saß und sich vielleicht gerade ohne ihn fehl am Platz fühlte.

Jungkook wäre niemals hier, wenn er es nicht gewollt hätte. Wenn dieser ihn nicht... Lieben würde...

... Und er benahm sich erneut wie ein Idiot.

Dachte wieder nur daran, wie unangenehm ihm alles war. Wie unwohl ihm schon eine Berührung an seinem Rücken war. Von Jungkook. Der Mann, der ihn berührte, wie kein anderer jemals zu vor. Der Mann, mit dem er in den letzten Wochen eingeschlafen und aufgewacht war. Der Mann, der ihn zum Lachen bringen konnte und wenige Sekunden später zum Stöhnen.

Und alles davon schrie ihm gerade förmlich ins Gesicht, was für ein riesen Idiot er war.

Etwas, was dieser unglaubliche Mann definitiv nicht verdient hatte, der ihm immer wieder eine weitere Chance gab, obwohl dieser eigentlich die Erfahrung gemacht hatte, dass er immer wieder Blödsinn machte - und das nicht auf sympathische Art und Weise.

Allein die Gedanken zogen ihn wie magnetisch zurück zum Haus.

Während die ersten Schritte noch eher langsam waren, rannte er zum Schluss fast ins Haus. Genau dorthin, wo er den Jüngeren zurück gelassen hatte.

Ohne zu zögern ergriff er dessen Gesicht. Drückte kurz darauf die Lippen auf die seines Freundes. Fest und absolut nicht leidenschaftlich. Es wirkte schon fast, wie ein richtig schlechtes Theaterstück, doch es ging gerade so viel durch seinen Kopf. Am dominantesten waren wohl dessen braune Augen, die ihn fragend anschauten, als er sich von ihm löste, nur um im nächsten Moment eine genau so stumme Antwort auf dessen Lippen zu drücken. Diesmal mit mehr Zärtlichkeit und mehr Zeit.

Genau so sanft und liebevoll, wie er es in den letzten Wochen erlebt hatte begegnete ihm Jungkook. Schien sich aus einer Starre zu lösen, die seine überschwangs Handlung wahrscheinlich hervorgerufen hatte. Er konnte spüren, wie dessen Lippen sich auf seinen bewegten und dessen Hände nach ihm greifen wollten - doch bevor es soweit kam löste er sich wieder. Blickte abermals in diese wunderschönen Augen, die glücklich zu ihm aufschauten.

"Ich liebe dich", flüsterte er ihm zu, auch wenn ihm durchaus bewusst war, dass es jeder gehört hatte. Doch trotzdem gehörten diese Worte allein diesem umwerfenden Mann, der sich in sein Herz geschlichen hatte ohne auf sich aufmerksam zu machen und nun waren sie hier. Zwei Verliebte in mitten seiner Familie. Den wichtigsten Menschen in seinem Leben.

So schnell, wie er ins Haus gestürmt war, so schnell war er auch schon wieder Richtung Auto gerannt, packte das kleine Päckchen auf dem Rücksitz und schmiss es wenige Augenblicke später in den großen Jutesack, der am Eingang stand.

Schwungvoll hatte er die Tür hinter sich zu gehen lassen und genau so schwungvoll ließ er sich wieder aufs Sofa fallen. Neben Jungkook. Er fühlte sich zwar immer noch wie ein Idiot, doch diesmal war er ein dümmlich grinsender Idiot, was definitiv um einiges besser war.

Taste of Love - Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt