Kapitel 8

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Taehyung

"Ich bin nicht schwul, Taehyung..."

Das saß.

Leer schluckte er auf die Aussage seines Gegenübers. Konnte bereits spüren, wie die Luft enger wurde in seiner Lunge. Wie sein Herz rasend an Geschwindigkeit zunahm und der Fluchtinstinkt einsetzte.

Jetzt bloß nicht überreagieren, Taehyung! Das würde nur peinlich enden... Atme ein und atme aus. Immer schön in den Bauch. Nicht umkippen...

Er konnte sich gerade bildhaft vorstellen , wie er aussehen musste. Knallroter Kopf, zitternd vor Anspannung, aber sonst reglos.

Scheiße! Wo war der Ausgang nochmal?

"Aber du bist es auch nicht, oder?"

Irritiert blickte er auf. Hatte absolut keinen Plan, was hier gerade lief, aber den letzten Kommentar hätte es jetzt wirklich nicht gebraucht.

"Du -", er kam nicht dazu weiter zu sprechen, denn Jungkook war scheinbar noch nicht fertig.

"Ich meine es hat dir doch Spaß gemacht mit den Frauen, oder? Sie haben dich angetournt, richtig? Erst durch meine Aussage hast du zu zweifeln begonnen..."

"Ja! Aber ich verstehe nicht, worauf du hinaus möchtest! Was willst du von mir?"

Er wurde langsam sauer.

Weil der Typ nicht aufhörte zu reden und ihn immer mehr verwirrte. Dabei reichten seine Gedanken allein schon aus.

"Naja, du musst ja nicht direkt schwul sein, vielleicht bist du einfach nur Bi oder Pan... Es gibt so viele Möglichkeiten und in keine davon muss einer von uns reinpassen. Also, wenn du wirklich überzeugt bist von dem Plan mit den Dates, dann können wir es gerne versuchen."

Was...

Was war das?

Was hatte der Typ gesagt?

Saß er gerade auf den Ohren? Hatte er ihn eventuell falsch verstanden?

Ungläubig blickte er in des verschmitzte Gesicht seines Gegenübers. Versuchte zu ergründen, was das zu bedeuten hatte und stellte nach jedem weiteren Augenblick fest, dass er gerade vielleicht umsonst kurz vor einem Herzinfarkt stand.

Wegen dem Idioten vor sich.

Wegen dessen schlecht gewählten Worten.

Wegen...

"Du Arsch...

Du blöder Idiot.

Du..."

Mit einem Satz war er aufgesprungen. Riss damit fast den Tisch um, der zwischen ihnen stand und fing an mit seinen Händen auf ihn einzuschlagen.

Darunter konnte er Lachen erklingen hören, was ihn nur noch mehr anstachelte weiter zu machen.

"Wie kannst du mir das antun?! Glaubst du, ich hatte heute nicht schon einen schockreichen Tag? Glaubst du echt, das wäre noch nötig gewesen?"

Lächelnd griff der Braunhaarige nach seinen Händen. Hielt sie fest, während dessen Gesicht hinter dem Schutz des Armes hevorlukte.

"Ich dachte, das wäre wichtig zu klären, damit du dich nicht zur sehr in eine Sinnkrise stürzt..."

"Aber doch nicht so! Du hättest einfach ja sagen können und dann hätten wir über sexuelle Orientierungen sprechen können - so laufen Gespräche richtig und nicht erst schocken und dann mit dem Ziel der Ansprache rausrücken!"

"Ach komm schon, das ist doch deine eigentlich größte Angst, oder? Das die Leute dich nicht mehr als Kim Taehyung sehen, sondern als den Schwulen, oder? Das du von einem Individuum zu einer Gruppe wirst, mit denen du höchstens sexuelle Vorlieben teilen könntest."

Ruhe kehrte zwischen ihnen ein. Wahrscheinlich vor allem, weil er aufhörte auf den Braunhaarigen einzuschlagen, aber definitiv, weil dessen Worte abermals den Kern der Sache trafen und damit seine größte Angst.

Es machte ihm wenig aus, dass er eventuell das Bett mit einem Mann teilen könnte, wenn er sich sexuell angezogen fühlte, sondern mehr das drum herum. Er hatte das Gefühl eine Enttäuschung zu sein für seine Eltern oder das seine Freunde ihn anders behandeln könnten. Dazu kamen Verlustängste. Würde es wirklich jeder akzeptieren können? Würden dumme Kommentare ab jetzt sein Alltagsbegleiter sein und vielleicht sogar Anfeindungen?

In seinem Leben war er noch nie an einem Punkt gewesen, wo er sich verstecken wollte - seit zwei Tagen jedoch schon. Gerne würde er so tun, als ob alles normal weiter lief, doch selbst wenn er das mit der Homosexualität einfach ignorieren würde und mit den Frauen fortfuhr, selbst dann wären seine Freunde immer noch da und würden diese Intervention abhalten. Ihm ihre Sorgen mitteilen und die Angst davor, ihn irgendwann in der Leichenhalle vorzufinden.

Schlaff ließ er sich neben Jungkook auf die Bank fallen. Starrte auf den Tisch, während es sich neben ihm wieder regte. Sich aufsetzte und ihn mit der Schulter anstubste.

"Hey, wenn du Daten willst, musst du mir auch sagen, was in deinem Kopf vorgeht."

"Muss ich nicht."

"Aber es tut gut."

Ein schweres Seufzen entkam seiner Kehle. Fast schon sentimental, weil er gerne hätte, das alles wieder normal war. Dann, als sie alle noch keine Partner hatten und der Gedanke an zu viel Alkohol oder Homosexualität noch lustig war.

"Bin ich Alkoholiker?"

"Nicht mehr, als andere Süchtige auch."

"Also bin ich es?"

"Das hab ich nicht gesagt."

"Doch, genau das hast du gesagt!"

Blöd war er schließlich noch nicht durch den Alkohol geworden.

"Na gut, dann drücke ich es anders aus: dir geht es schlecht und mit Alkohol geht es dir besser. So geht es vielen Alkoholikern. Der Unterschied ist: du hast es gemerkt und du hast nein sagen können, obwohl wir in einer Bar sind. Das würden Alkoholiker ohne Übung eher weniger schaffen."

"Das heißt, ich bin noch zu retten?"

Ein Arm legte sich um seine Schultern, spürte erst jetzt, wie nah er Jungkook eigentlich gekommen war. Wie dessen Wärme auf ihn überging und diese kleine halbe Umarmung ihn irgendwie wohlig erschauern ließ.

Bei jedem anderen wäre ihm das unangenehm gewesen, aber gerade... Gerade brauchte er diese Bestätigung, das jemand da war und ihm zuhörte.

"Ich glaube, dass du dich nur etwas verirrt hast und ein bisschen Hilfe brauchst auf den richtigen Weg zurück zu finden."

"Und du hilfst mir?"

"Hm... Momentan sieht es wohl danach aus..."

Taste of Love - Taekook Where stories live. Discover now