Kapitel 7

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Taehyung

Aha.

Das war es also.

Seine erste Interventionssitzung.

Fühlte man sich danach immer so schrecklich? So, als ob man alles in seinem Leben falsch machte?

Sein Platz befand sich immer noch auf dem Sessel, den er am Anfang eingenommen hatte. Der Unterschied war nur, dass die Sofalandschaft vor ihm nun leer war. 

Sie hatten sich verabschiedet kurz nach deren Wasserfall an Worten. Er sollte sich nun Gedanken machen über das Gesagte und eventuell Hilfe aufsuchen. Gerne bei ihnen, aber wenn er jemanden neutraleres bräuchte, wüssten sie auch einige Personen, die passen könnten. 

Zu diesen gut gemeinten Tipps hatte er nichts gesagt. Schweigend hatte er sie an sich vorbeiziehen lassen. Zum Teil, weil er sich nicht traute das Wort zu erheben und zum Teil, weil er auch nicht wusste, was er sagen sollte.

Mit wem wollte er reden? Wollte er überhaupt reden?

Zu mindestens wollte er jetzt gerade nicht allein sein...

...

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell wieder sehe. Was darf es sein? Wieder ein Appletini?"

Mit einem Grinsen auf dem Gesicht stand Jungkook hinter der Theke. Sah damit um einiges lebendiger aus, als er selbst. 

"Nein, ich bin Alkoholiker, schon vergessen?"

"Hm... das ist also das Fazit aus der Aktion heute?"

Ungläubig beäugte er den Typen vor sich, setzte sich trotz allem auf den Barhocker und konnte nur Nicken auf dessen Frage. Ihm fehlten gerade einfach die Worte.

"Das bedeutet keinen Appletini?"

"Genau, keinen Appletini."

"Was soll es dann stattdessen sein?"

Schwierige Frage.

Wenig begeistert blickte er über die reichgefüllte Wand an alkoholischen Getränken, die er wohl niemals ausprobieren würde. Jedenfalls nicht nach dem heutigen Tag.

"Eine Cola?"

"Ist das eine Frage oder eine Bestellung?"

"Eine Bestellung?...

Ja, ich glaube...

Ach verdammt, ich nehme diese blöde Cola und werde heute wegen einer Zuckerüberdosis nicht schlafen können, aber wenigstens ist es kein Alkohol... oder?"

Das Lächeln seines Gegenübers wurde noch etwas breiter und ehe er sich versah, hatte er die Cola vor sich stehen.

"Eine kleine Cola, damit das mit dem Zucker nicht zu sehr reinhaut."

 "Sie passen besser auf mich auf als -"

"- Ihre Mutter. Ich weiß schon."

Nun musste auch er Lachen und das mit der Schwere im Magen war fast schon vergessen. Aber auch nur fast. Er hatte das Gefühl, das immer noch etwas zwischen Ihnen stand, was noch nicht angesprochen wurde, aber definitiv ausgesprochen werden sollte. Etwas, dass er NICHT unter alkoholisiertem Zustand gesagt hatte und daher wohl kaum zurück genommen oder entschuldigt werden könnte. 

"Wegen heute Mittag..."

"Sie wollen sich Entschuldigen?"

"Eventuell... je nachdem, was Sie dazu zu sagen haben..."

Der Blick des Braunhaarigen wurde weicher, sowie auch das Lächeln von diesem und während dessen Hände geübt Getränke mixten, schien dessen Kopf vollkommen bei ihm zu sein. Überlegend, aber definitiv nicht verurteilend.

"Wie kommen Sie darauf, dass ich daran Interesse haben könnte? An das Daten? Mit Ihnen?"

Wow... was sollte er denn auf solch eine Äußerung antworten? Oder war das etwa schon die Antwort? 

Könnte es sein, dass Jungkook ihm gerade durch die Blume gesagt hatte, dass es absolut keinen Grund gab mit ihm auszugehen? Er sah jedenfalls momentan keinen und selbst sein viel gelobtes Aussehen war gerade nicht besonders erwähnenswert - er sah übel aus. Als ob er drei Tage durchgemacht hätte. Mit tiefen Augenringen, fahler Haut und Haaren, die einem Vogelnest glichen. 

"Das war dann wohl ein nein..." Er wollte bereits vom Hocker aufstehen und damit dieser unglaublich peinlichen Situation aus dem Weg gehen, da hielt ihn eine Hand am Arm zurück. 

Große fragende Augen blickten zu ihm. Schienen tatsächlich etwas Sorge auszustrahlen, was ihm irgendwie nicht so ganz gefiel, aber dagegen wehren tat er sich jetzt auch nicht. 

"Ihr Gespräch mit Ihren Freunden lief wohl nicht sonderlich gut, oder?"

"Wem sagen Sie das..." Schnaubend setzte er sich wieder hin. Seine Augen dabei stur auf seine Hände gerichtet, die anfingen am Tresen herumzuspielen, damit sie irgendwas zu tun hatten. 

"Wollen Sie es mir erzählen?"

Überrascht blickte er auf. Erwartete irgendwie, das gleich ein "das war nur ein Scherz" hinterher geschoben wurde, aber da kam nichts. Das einzige, was er sehen konnte, war ein offenes Lächeln mit einer Spur glitzerndem Interesse. 

Wollte er also erzählen, was passiert war? 

Einem fast fremden Mann in seiner Lieblings Bar, der alles über ihn wusste, aber er nichts über ihn?

"Wird das Auswirkungen auf die Antwort in Bezug auf das Daten haben?"

"Nein."

"Dann erzähl ich es Ihnen sehr gerne..."

...

Lachend hatten Sie es sich in einer Sitzecke der Bar gemütlich gemacht, die schon seit einiger Zeit geschlossen war und trotzdem schien keiner von ihnen gehen zu wollen. 

Es war schön jemanden von seinen ganzen nicht sonderlich glorreichen Momenten zu erzählen, ohne das dieser dabei war oder es verurteilen würde. Jungkook hörte einfach zu, lachte an der ein oder anderen Stelle - manchmal sogar schallend - und schien seine ganzen Probleme nicht all zu ernst zu nehmen. 

Eine Leichtigkeit, die er scheinbar dringend gebraucht hatte. 

"Ok, Ok und was habt ihr dann mit der aufblasbaren Puppe gemacht, die ihr geklaut habt?"

"Na definitiv nicht genutzt."

"Natürlich nicht", lachte Jungkook einfach weiter. "Der wunderschöne Taehyung würde sowas nie tun, hat ja genug Auswahl, nicht war?"

"Ja...", sein eigenes Lachen erstarb, genau in dem Moment, als er realisierte, dass diese Zeit wohl in der Vergangenheit lag. Jetzt war er 35. Hatte weder Frau noch Kind und absolut nichts anderes besonderes vorzuzeigen. Es war nur er. So, wie es schon immer war und der Gedanke drückte die gerade noch so heitere Stimmung nach unten - was wohl auch sein Gegenüber bemerkte.

"Hm... und jetzt, nach deinen vielen Eskapaden mit Frauen, soll es die Männerwelt werden, ja? Ist das Verzweiflung oder wirkliches Interesse, das da heute Mittag aus dir gesprochen hat?"

Ah, da war es wieder. Das Problem. Der Elefant, den auch Yoongi schon angesprochen hatte und auf den er keine Antwort hatte. Jedenfalls gerade nicht. 

Tief atmete er ein, sank noch ein Stück tiefer in die Polster der Bank und zuckte einfach mit den Schultern. 

"Ich weiß es nicht - ich hab es mir irgendwie vorhin zurecht gelegt, so als Begründung, warum es nicht funktioniert mit den Frauen. Das es ja vielleicht die Wahrheit sein könnte, die nur mein betrunkenes Ich kennt - weißt du, wie ich das meine? In die Richtung: Betrunkene sprechen immer die Wahrheit aus oder so..."

Langsames Nicken war zu sehen, aber definitiv auch etwas Unsicherheit, als er zu dem Braunhaarigen hinüber blickte. Es sah fast so aus, als ob dieser etwas sagen wollte, aber nicht wusste wie - dabei mussten sie beide nun wirklich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Er hatte wahrscheinlich noch mit niemanden so offen über sein Leben geredet, wie jetzt gerade. Jedenfalls nicht in den letzten Monaten. 

"Sag schon! Dir liegt doch was auf der Zunge, spuck es aus!"

Das Lächeln kehrte zurück in dessen Gesicht, aber es hielt nicht lange an. 

"Ich bin nicht schwul, Taehyung..."

Taste of Love - Taekook Where stories live. Discover now