Kapitel 9

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Jungkook

"Wirst du dich gleich fragen, was du hier eigentlich tust, wenn ich in mein Auto gestiegen bin?"

Eigentlich hatten sie sich beide schon verabschiedet. Er hatte Taehyung sogar schon halb den Rücken zugedreht, da kam doch tatsächlich noch eine Frage aus dessen Mund. Eine Frage, die ihn sehr verwirrte.

"Was meinst du?"

"Na das hier." Hände wanderten zwischen ihnen hin und her. Sollten wohl andeuten, das etwas zwischen ihnen ist, was noch keine so richtigen Worte gefunden hatte.

"Du meinst, ob ich mich Frage, ob ich verrückt bin, weil ich mich auf einen Kunden einlasse, der die Anzeichen eines Alkoholproblems hat und seine sexuelle Ausrichtung hinterfragt, in dem er mich als Versuchsobjekt verwendet?"

"Ähm...", zögerlich nickte sein Gegenüber. Wurde sogar leicht rot. "Ja, so könnte man es auch ausdrücken..."

"Nein, passiert mir öfter."

Eigentlich meinte er das als Scherz. Der betrunkene Taehyung wusste das auch, aber scheinbar nicht der nüchterne.

"Du hast sowas schon öfter erlebt?" Die Augenbrauen seines Gegenübers wanderten fast auf gleiche Ebene mit dem Haaransatz und er musste sich leicht das Lachen verkneifen bei dem Ausdruck.

"Das war nicht ernst gemeint. Ich habe wahrscheinlich in meinem ganzen Leben noch niemanden wie dich getroffen, hast also auf jeden Fall bei mir den Platz: besonderes Individuum inne."

Ein unsicheres Lächeln breitete sich auf dessen Gesicht aus und irgendwie hatte er ganz kurz den Wunsch, dass der betrunkene Taehyung da war, denn die Verabschiedungen waren definitiv eher sein Ding - ciao. Tür zu. Weg. Kurz und schmerzlos eben.

"Ähm OK... dann geh ich jetzt... Ich schreib dir dann, wann wir unser erstes Date haben, oder?"

"Natürlich, wie du magst" - es hörte sich zwar leicht danach an, als ob er ein Produkt war, das zur richtigen Zeit und am richtigen Ort genutzt werden sollte, aber ansonsten war er konform mit der Aussage. Er war noch nie sonderlich gut darin gewesen, sich zu melden, wahrscheinlich verliefen all seine Partnerschaften deswegen schon am Anfang dem Ende hin. Rein bildhaft ausgedrückt: er konnte schon zu Beginn, das Ende sehen. Mit Pauken und Trompeten. Nur diesmal hatte er irgendwie keine Ahnung in welche Richtung es gehen sollte. Vielleicht hatte er deswegen auch zugestimmt. Einfach, weil es diesmal anders war, als sonst.

"Und dir macht es wirklich nichts aus, dass ich ein Mann bin?"

Eigentlich hatte er gedacht, dass Taehyung endlich losfahren würde, stattdessen blickte dessen Gesicht aus dem Beifahrerfenster heraus und beobachtete ihn.

"Du bist ein Mann? Oh verdammt, das hab ich völlig übersehen." Gespielt theatralisch schlug er sich gegen die Stirn, konnte aber das Lachen nicht zurück halten und schnippste dem Schwarzhaarigen aufgrund dieser blöden Frage einfach gegen die Stirn.

"Halt dich nicht zu sehr an Geschlechtern auf! Ich hab auch noch nie einen Mann gedatet, aber mich wirst du sowas nicht fragen hören. Es kommt wie es kommt. Lass es einfach auf dich wirken."

Endlich schien Taehyung wohl bereit zu sein nach Hause zu fahren. Enthusiastisch winkte er ihm hinter her und erst als dieser aus seiner Sicht verschwunden war, ließ er sich auf dem Boden fallen, wie ein Häufchen Elend.

Oh verdammt verdammt verdammt! Was tat er hier bitte? Hatte er wirklich einem Mann zugesagt ihn zu Daten, obwohl er nicht Mal auf Männer stand? Alles nur, um seiner wenig noblen Vergangenheit aus dem Weg zu gehen? Um sich ein bisschen länger zu verstecken und eine passable Ausrede zu haben?

Was würde wohl passieren, wenn das alles hier aufflog? Wenn sie ihn fanden? Wenn der ganze Mist, den er angestellt hatte ihn einholte?

Warum hatte er sich nicht einen Anwalt suchen können, der wäre wenigstens im schlimmsten Fall noch hilfreich gewesen, aber der Typ arbeitet bei der Stadt. Was sollte ihm das bitte bringen, um seinen Arsch zu retten? Einen Arsch, den er scheinbar heute verkauft hatte, jedenfalls fühlte es sich so ähnlich an. Dabei ging es jedoch weniger um Geld, sondern um Leben.

Was hätte Taehyung wohl gemacht, wenn er nein gesagt hätte? Er konnte bereits die Anzeige in der Zeitung sehen: Mann springt von der Brücke und begeht Selbstmord.

Mit solchen Gedanken im Hinterkopf konnte er doch gar nicht anders handeln, das wäre doch fahrlässig.

Fix und fertig mit den Nerven holte er sein Handy aus der Jackentasche. Starrte auf die 23 entgangenen Nachrichten und den zig Sprachmemos. Er sollte sich wirklich überlegen seine Nummer zu wechseln...

"Du kleiner dreckiger Wichser! Wenn ich dich in die Finger bekomme, reiß ich deinen Arsch auf, dass du deine -" Er musste die Nachricht gar nicht zu Ende anhören, denn ihm war bewusst, was weiter folgte. Er hatte schon etliche davon erhalten. Anfänglich noch von seiner Mutter, die ihn anflehre das richtige zu tun und andere von deren Liebhaber. Drohungen war bei diesem an der Tagesordnung, welche er sich immer wieder gerne anhörte, um eine Bestätigung zu haben, warum er untergetaucht war. Er hing an seinem Leben und würde nicht zulassen, dass aufgrund von fehlendem Geld, dieses drastisch gekürzt wurde.

Geld was niemals jemand anderem als ihm selbst gehört hatte und sein Stiefvater vollkommen anders auslegte. Die Wahrheit so verdrehte, dass es für alle scheiße lief, außer für den Wichser.

Es war der Hauptgrund für seine derzeitige Lage. Statt seinen Lebensunterhalt in der Firma seines Vaters zu verdienen, wie er es eigentlich nach dem kurzzeitig abgebrochenen Militärdienst vor hatte, arbeitete er nun in einer Bar mitten in Seoul. Naja, in Bezug auf den Dienst beim Militär, bei dem er unehrenhaft entlassen wurde, weil er den Stabschef in die Güllekiste geworfen hatte, nachdem er diesen dabei erwischt hatte, wie dessen dreckige Finger sich an einer Krankenschwester vergehen wollten, aber seine Erklärungen waren in dem Fall nicht wichtig. Auch die der Frau nicht, die seine Geschichte bestätigt hatte.

Natürlich wäre die Option mit seinen 27 Jahren etwas neues zu lernen noch drin, schwierig wurde es nur, dass er sich dafür bei der Stadt Seoul melden musste und das würde der Liebhaber seiner Mutter sofort merken. Der hatte überall die Finger drin.

"Wirklich Jungkook! Als ob dein Leben nicht schon schwer genug ist, jetzt spielst du auch noch Retter in der Not für einen Mann, der dir seit drei Monaten die Ohren voll heult und sich danach nicht Mal an dich erinnern kann!!!"

Taste of Love - Taekook Donde viven las historias. Descúbrelo ahora