Kapitel 22- Romantischer Spaziergang

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Als ich wieder zu Bewusstsein kam, stand vor mir ein mächtiger, schwarzer Wolf mit ozeanblauen Augen, die ich überall wiedererkennen würde. Jackson. Moment, das war doch der Wolf, der mich damals gerettet hatte? Oh mein Gott, er hat mir das Leben gerettet. Und ich hab es nicht gewusst. Okay, damals habe ich auch nichts von Gestaltenwandlern gewusst.

Ich versuchte mich aufzurichten, was erstaunlicherweise auch klappte, denn mein ganzer Körper fühlte sich total anders an. Irgendwie gebrochen. Ein weiterer Adrenalinschub erfasste mich und meine alte Stärke kehrte zurück. Am liebsten würde ich da weiter machen, wo ich unterbrochen wurde. Nämlich dabei, meiner Wut freien Lauf zu lassen und das Haus auseinander zu nehmen.

Jackson aber hatte andere Pläne. Als könnte er meine Gedanken lesen, knurrte er mich an, was ich erwiderte. Er sollte mich mein Ding machen lassen und nicht stören. Wütend knurrte er mich lauter an und seine Augen färbten sich rot, was bei mir ein neues Gefühl auslöste. Schwäche. Ich hätte niemals eine Chance gegen ihn. Nachdem ich dies eingesehen hatte, legte ich die Ohren an und machte mich ein wenig kleiner, mit dem Knurren hatte ich schon längst aufgehört. Er schien zu spüren, dass ich keinen Widerstand mehr leistete, und schmiegte sich an meine Seite. Um ehrlich zu sein, diese Berührung ließ mich viel ruhiger werden. Als wäre sie mein Fels in der Brandung.

*Justine? Während der Verwandlung hat dein Wolf die Oberhand gewonnen. Hör mir gut zu. Konzentriere dich auf meine Stimme. Du musst wieder her über deinen Körper werden. Du schaffst das!*, machte er mir per Mindlink Hoffnung. Mein Wolf hatte die Oberhand? Seinetwegen, oder besser gesagt ihretwegen, habe ich mein halbes Zimmer verwüstet. Nicht gut. Gar nicht gut. Also tat ich das, was Jackson mir gesagt hatte. Nur dass es schwerer war als gedacht. Es war wie eine Wand, die ich einfach nicht durchbrechen konnte. Meine Wölfin drehte grade komplett durch, total übermütig durch die viele Kraft, die durch meinen Körper floss. Nein, ich schaffe das!

Langsam spürte ich, wie ich einigermaßen die Kontrolle erlangte, ich kämpfte regelrecht mit mir. Immer mehr wurde ich wieder ich. Letzten Endes schaffte ich es, das wilde und zerstörerische Etwas, besser bekannt als meine Wölfin, in mir zu unterdrücken. Erschöpft ließ ich mich auf den Boden fallen. Erst jetzt viel mir das dichte, weiße Fell auf. Generell bemerkte ich jetzt erst, wie sehr sich mein Körper verändert hatte. Mit letzter Kraft hievte ich mich hoch und stellte mich vor meinen Spiegel, der zum Glück bis auf den Boden reichte. Dort blickte mir ein großer, schlanker Wolf mit blau-grünen Augen und schönem weißen Fell entgegen.

Jackson, in der Form eines noch größeren, schwarzen Wolfes, schmiegte sich wieder an meine Seite. Ein Teil von mir drehte bei der Berührung fast durch. Was war denn nur los mit mir? Aber egal, ich schloss meine Augen und genoss es einfach. *Wie wärs, wenn wir ein wenig durch den Wald rennen?* , fragte er mich. Ich öffnete meine Augen und sah ihn verwirrt an. *Das machen wir Wölfe nach unserer Verwandlung, oder auch einfach so. Dann können wir uns auspowern und das Gefühl der Freiheit genießen.*

Hörte sich garnicht mal so schlecht an. Vielleicht könnte ich so meine Kräfte besser kontrollieren. *Alles klar*, teilte ich ihm mit. Das mit dem Mindlink war garnicht so schwer. Als würde ich ihn ganz normal anreden. Er leckte mir einmal über mein Ohr und trottete hinaus. Das Haus verließen wir aber nicht durch die Tür, nein, er sprang durch unser... Badezimmerfenster?! Argh, lockt das die Wölfe irgendwie an? Ich sollte mir überlegen, ob ich es nicht zuschweiße. Elegant sprang er durch das Höllenfenster und rannte in den Wald. Schnell folgte ich ihm, auch wenn ich bezweifelte, dass es auch nur halbwegs so anmutig aussah wie bei ihm.

Jackson wartete auf einem kleinen Hügel inmitten einer Lichtung. Als ich ihn sah, legte ich einen Zahn zu und rauschte an ihm vorbei hinein ins Unterholz. Und mein Gott, er hatte recht: das Gefühl, das ich beim Rennen hatte, war einfach genial. So als wäre man wirklich frei. Befreit von allem. Ich konnte mein Blut in meinen Ohren pulsieren hören und fühlte mich einfach unglaublich. Ich blickte über meine Schulter um nach Jackson zu schauen, aber er war nicht hinter mir. Als ich meinen Kopf wieder umdrehte, krachte ich in irgendetwas hartes hinein und taumelte ein paar Schritte nach hinten. Ich schüttelte mich und fand mein Gleichgewicht wieder, welches mir aber gleich wieder genommen wurde, denn ich wurde auf den Boden gestoßen und fand mich in zwei blauen Augen wieder. Ich knurrte ihn spielerisch an und seine Augen blitzten belustigt auf. *Niemals während des Rennens nach hinten schauen, sonst verlierst du an Geschwindigkeit und achtest nicht mehr auf das, was vor dir liegt.*, belehrte er mich. Ich stieß ihn von mir hinunter und rappelte mich auf. *Wie konntest du mich überholen?* *Alpha-Gene*, war seine einzige Antwort.

Tz, Angeber. *Wie wärs mit einem kleinen Wettrennen? Kennst du die Lichtung mit dem Wasserfall hier im Wald?*, forderte ich ihn heraus. *Darling, ich will dir deine Hoffnungen nicht kaputtmachen, aber gegen mich hast du keine Chance. Und klar kenne ich den Wasserfall.*. Hmhm, wenn du nur wüsstest. Gegen dich zu gewinnen war nicht mein eigentliches Ziel.

*Na gut, eins... zwei... drei!* Sofort sprintete ich los. Der Rückenwind gab mir das Gefühl, als würde ich über den Boden fliegen. Ich achtete garnicht darauf, dass Jackson schon einen kleinen Vorsprung hatte, denn genau das wollte ich.

Als ich die Lichtung erkannte, stoppte ich in den Büschen und versteckte mich. Jackson wartete dort auf mich und trank seelenruhig aus dem kleinen See. Leise pirschte ich mich an ihn heran und stieß ihn dann von der Seite an, sodass er ins Wasser hineinfiel. Nach Luft schnappend kam er wieder an die Oberfläche und warf mir einen bösen Blick zu. Wenn ich jetzt in Menschengestalt wäre, würde ich ihn so dermaßen auslachen. Schadenfreude ist doch die schönste Freude, oder?

Jackson kam auf mich zu und schüttelte sich das Wasser aus dem Fell. Direkt neben mir. Quiekend sprang ich zur Seite und wollte weglaufen, doch er reagierte schneller und warf mich erneut auf den Boden. Dort hielt er mich fest und kuschelte sich an mich, sodass ich ganz nass wurde. *Jackson! Iiiieeeh!*, ermahnte ich ihn. Seine Reaktion war, dass er sich wie ein nasser Sack auf mich fallen ließ. Haha, Wortspiel.

Ich wand mich unter ihm, bis es mir gelang, ihn von mir runterzuschubsen, Völlig durchnässt lagen wir beide da und beobachteten den Sternenhimmel. Mir war garnicht aufgefallen, dass es bereits so spät war. Als mich ein kalter Windhauch streifte, kuschelte ich mich mehr an Jackson und schlief ein. Bevor ich in die Traumwelt abdriftete, ertönte ein *Ich liebe dich* durch meinen Kopf.

*Ich dich auch*

My Bad-Alpha-BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt