Kapitel 18

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"Das sollten Sie sich mal ansehen, Chef." Ranpo, der wieder neben mir saß, sah nachdenklich auf den Computer vor ihm. Eigentlich hatte er vorgehabt mit Yosano Karten zu spielen, was sich nun wohl erübrigt hatte. Verwundert darüber, dass er plötzlich so ernst war, sah ich über seine Schulter und erschrak. Ich kannte den Mann, der dort so schelmisch in die Kamera grinste. "Chūya!", hickste ich und hielt mir die Hand vor den Mund. Die anderen warfen mir einen fragenden Blick zu.
"Du kennst ihn?", fragte der Chef misstrauisch.
"Er ist mein kleiner Bruder", kam es mir beschämt über die Lippen. Auch wenn wir nicht verwandt waren, war er für mich ein Bruder und es würde sich auch nicht ändern.
"Wir haben keine Zeit dafür."
Fukuzawa sah nicht so aus, als würde er mich verurteilen. Ich war erleichtert.
"Nummer 3, Nummer 4 und Nummer 8 Bild Ausfall!", kam es von Yosano, die die Kameras im Blick behielt.
"Automatische Gewehre los!", befahl Fukuzawa Ranpo, der den anderen Computer bediente.
"Weiß dein Bruder über dich bescheid?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Wir haben uns schon seit wir Kinder waren nicht mehr gesehen. Er sollte nicht wissen dürfen, dass ich eine Befähigte bin." Mein Chef nickte.
Auf den Bildern sah ich, wie rote Punkte auf meinen Bruder zielten.
>>Was hast du bloß getan?<<
Wütend biss ich mir auf den Fingernagel meines Daumens. >>Dieser Vollidiot!<<
Weitere Kameras fielen aus, nachdem Chuuya seine Fähigkeit einsetzte.

"Empfängt man einen Sondergesanten etwa mit so nutzlosem Zeug? Leidet ihr etwa an Personalmangel?", fragte er.
"Schickt gefälligst lebende Leute!", befahl er und sah grinsend in die Kamera.
Ranpo riet, unserem Chef, Vorsicht walten zu lassen. Zurecht. Mein Bruder war unberechenbar.
"Ich vermute das du mit mir einer Meinung bist."
Ranpo nickte Fukuzawa ernst zu. Sie schickten also Yosano und Kenji, obwohl wir Yosano doch beschützen sollten.
Sie war von uns allen die Wertvollste.
Wir verfolgten das Geschehen, über die noch funktionierenden Kameras.
Ich konnte bloß hoffen, dass er nicht wusste, dass ich auch hier war.
"Wo ist euer Chef?", fragte mein Bruder und bekam auch gleich die Antwort.
Yosano zeigte, mit ihrem Beil, auf die Kamera, die auf Chūya fixiert war.
"Ich habe hier ein Geschenk von meinem Boss", grinste er und zeigte ein Foto, auf dem zwei Männer abgebildet waren. Der eine hatte langes schwarzes Haar und machte einen kränklichen Eindruck, während der andere, wie Kenji, nach einem Landei aussah.
Fukuzawa erkannte die Männer, so wie ich. Sie waren aufgetaucht, als ich mit Kunikida auf dem Weg zu Kyoka war.
"Gehören die etwa zur Gilde?"
"Denen habe ich einen schönen Köder hingeworfen!", kam es meinem Bruder arrogant über die Lippen.
"Wann und wo sie auftauchen, steht hier hinten."
Er drehte das Foto um und zeigte uns für einen winzigen Augenblick die Notizen.
"So eine Chance gibt es nur einmal im Leben! Ihr könnt der Gilde mal so richtig eins auswischen!"

Chef schien zu überlegen.
Das Angebot klang tatsächlich sehr verlockend, aber auch sehr verräterisch.
Es konnte eine verzwickte Falle sein, die auch uns Ködern sollte.
Auf den Bildern der Kamera kämpften die drei. Yosano hatte den Kampf herauf beschworen. Allerdings war es nichts, was mein Bruder nicht hätte überwältigen können, da konnte Kenji noch so stark sein. Er war viel zu flink mit seiner Fähigkeit. Das sah auch Yosano ein, als Chūya plötzlich über ihr an der Decke des Tunnels hing. "Antworte, Sondergesanter der Mafia!", unterbrach Fukuzawa den Kampf.
"Häh?", kam es äußerst unintelligent von meinem Bruder zurück.
"In der Tat. Wenn die Detektei die Gilde in die Knie zwingt, könntet ihr ohne Mühe die feindlichen Kräfte schwächen. Und wenn ihr Glück habt, könnten Gilde und Detektei zu Grunde gehen. Diese Strategie klingt sehr logisch", erklärte unser Chef und hatte meinen Bruder bestens durschaut.
"Aber für euch ist das doch auch keine schlechte Sache. Nicht wahr?"
Es war eine richtige Zwickmühle.
Es war von vornherein klar, dass nur eine Organisation von uns überleben würde und nun wurde es umso deutlicher.
"Aber auch nur, wenn die Geschichte wirklich stimmt."
Fukuzawa zeigte auf seine Augen und deutete meinem Partner damit an, seine Brille aufzusetzen um seine Ultradeduktion durchzuführen.
Dank Dazai wusste ich bereits, dass Ranpo kein Befähigter war, sondern das er sich nur einredete das er die Brille zum deduzieren bräuchte.
"Sag, was verheimlichst du uns!", befahl der Chef. Ranpo konnte es genauso gut ohne seine Brille deduzieren. Seufzend setzte sich der Meisterdetektiv seine Brille auf. "Gar nichts!"
Chūya war schon immer ein scheinheiliger gewesen. Immer ein falscher Engel und unschuldig wie Lucifer.
"Ich möchte wissen, wie verhält sich die Hafen-Mafia in dieser Angelegenheit?"
"Na... Wir brauchen überhaupt nichts zu tun!"
Ranpo machte ein erschrockenes Gesicht. Auch ich war überrascht.
Wenn das stimmte, war es wirklich der Plan der Mafia, dass die Detektei und die Gilde sich als erstes bekämpfen würden und die Organisation die übrig bleiben würde, wäre geschwächt und könnte von der Mafia problemlos beseitigt werden.
Ihr Plan war es, dass wir uns gegenseitig auslöschten.
"Jetzt verstehe ich es. So ist das also, gut. Die Gilde wird wohl auch eine Falle vermutet haben, so wie wir. Aber sie sind hineingetappt. Also muss der Köder für sie viel zu verlockend gewesen sein. Womit habt ihr die Gilde gelockt?"
Dies war einer der Momente, in denen Ranpo sich nicht mehr so benahm, wie ein Kind. Er war von einer solchen Ernsthaftigkeit berührt, die mir jedes Mal Sorgen machte. Es verhieß nichts Gutes, wenn er so war.
"Ich habe den beiden von der Gilde bloß von euren Bürokräften erzählt, die ihnen schutzlos ausgeliefert sein dürften."
Der Chef war außer sich.
"Ihr habt unsere Bürokräfte zu Ködern gemacht?", schrie er fassungslos.
"Wenn ihr sie sofort in Sicherheit bringt, haut es bestimmt noch hin. Und die Gilde weiß ja nicht, dass ihr euch in Bewegung setzt. Leichtes Spiel also", erklärte Chūya. "Könnte es vielleicht auch sein, dass er uns nur anlügt?"
"Nein, dass... Dass tut er leider nicht", sagte Ranpo ernst.
"In so einem Fall ist die Wahrheit immer noch am wirksamsten", erklärte Ranpo. Gauner, wie die Mafia, wussten genau wann es besser war, die Wahrheit von sich zu geben um dem Köder auch Wirksamkeit zu verschaffen. Chūya kicherte.
"Obwohl sie genau wissen, dass es ein Loch ist, sind die Detektive gezwungen hereinzufallen. Das waren die Worte des Bosses."
Nun fiel auch die letzte unserer Kameras aus.

"Gib sofort Anweisungen, zur Evakuierung der Bürokräfte! Und dann verbinde mich... sofort mit Kunikida!"

All I see is you (Bungou stray dogs FF Ranpo)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt