Kapitel 7

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Ein lebloser Körper am Rand des Flusses.
Er war angespült worden, so sah es jedenfalls auf den ersten Blick aus. Besonders auffällig war er dadurch, dass er halb nackt war. Glücklicherweise hatte man den Mann bereits abgedeckt. Es war wirklich kein ehrwürdiges Bild. So sollte niemand aufgefunden werden, der gestorben war.
"Ich bin Kusanagi, von der Kriminalpolizei. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Mir wurde allerdings nicht gesagt, dass Sie in Begleitung kommen."
Skeptisch musterte der Detective Doyle.
Sie hatte wenig, von einer fähigen Ermittlern, was ihr Aussehen anbelangte. Noch dazu sah sie jünger aus als sie war. Sie war sogar noch kleiner als Ranpo, der selbst kein Riese war.
"Sie ist sowas wie eine Auszubildende. Sorgen Sie sich nicht, sie wird keine Probleme machen."
Was er eigentlich damit sagen wollte war, dass sie nur eine stille Zuschauerin war, die sich nicht einmischen durfte.
"Wurde schon Flussaufwärts kontrolliert?", fragte der Schwarzhaarige und scannte wachsam die Umgebung ab.
"Unsere Leute sind noch dabei, mögliche Stellen, abzusuchen. Bisher sind wir ohne Erfolg", erklärte Kusanagi.
Gelangweilt ging Doyle in die Hocke.

Es war anstrengend nur zu stehen, ohne sich großartig die Beine vertreten zu dürfen. Müde ließ sie ihre Augen über den Boden wandern. Das Gras unter ihr war feucht, aber unter der Leiche war es trocken. Die Wiese war vom Tau unberührt. "Die Wiese ist trocken, unter dem Mann. Aber sie müsste nass sein, wenn er angespült worden wäre", dachte sie laut und strich mit der Hand über den frischen Tau.
"Gar nicht so blöd."
Ranpo richtete sich auf und blieb vor Doyle stehen, die nur verwirrt auf seine braunen Schuhe sah. "Ich will sehen was du kannst. Heute lasse ich zum ersten Mal jemandem den Vortritt. Wenn du einen Fehler machst, mache ich weiter mit der Deduktion."
"Hast du mich gerade dumm genannt?", fragte sie provoziert und stand, sich auf ihren Knien abstützend, auf.
Sie reckte ihr Kinn in die Höhe und sah ihn aus zusammen gekniffenen Augen an. "Beweis mir das Gegenteil!" Sie war irritiert von seinem Selbstbewusstsein. Er lächelte ihr nur frech entgegen, anstatt Abstand zwischen sie zu bringen. "Du hast den Fall doch bereits gelöst, nicht wahr? Dies dient nur zu deiner Unterhaltung und zur Darstellung, ob ich so blöd bin, wie du denkst."
"Ganz recht!"
Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und kratzte sich unsicher am Kopf. Ranpo trat beiseite und gab Doyle freie Sicht auf den Tatort. Kusanagi ließ sie für keine Sekunde aus den Augen. Nicht ein Schritt blieb außer Acht. Auch er vertraute ihr nicht. Wie konnte er auch?
Sie vertraute sich selbst nicht.

Sie drückte sich, mit dem Handballen, gegen die Stirn und nahm einen tiefen Atemzug, bevor sie vor der Leiche in die Hocke ging und den Blick wandern ließ. Nicht ihre erste Leiche, aber der Anblick war dennoch schwer zu ertragen.
Seine Haut hatte einen normalen Ton.
Seit Hals wird ein Hämatom auf und war verkümmert. Sein Gesicht war entspannt. Sie umgriff seinen Kopf und seinen Unterkiefer, öffnete diesen und schnupperte an ihm. Ein seltsamer Geruch ging von ihm aus. Sie zog das Tuch beiseite. Nichts abnormales war an ihm, außer der Geruch. Er kam ihr seltsam vertraut vor. Alkohol und etwas anderes.
Schlagartig kam ihr das Bild einer bestimmten Pflanze in den Sinn.
"Na schön. Du hattest jetzt so viel Zeit, wie ich, um dir ein Bild zu verschaffen. Was sagst du?" Ranpo hatte die Hände in die Hüften gestützt. Auf seiner Nase saß eine Brille, die er vor ein paar Minuten noch nicht getragen hatte.
"Zuerst, ist dies kein Mord, sondern viel mehr ein Unfall. Der Mann hat kein Oberteil an, aber seine Hose und Schuhe. Er ist Alkoholiker, was man an seinem Bauch sieht, außerdem riecht er noch etwas danach."
Doyle machte eine Pause und sah Ranpo abwartend an. Er jedoch machte bloß eine Geste, die soviel wie 'und weiter', bedeutete.
"Er hat Schlafmedikamente auf Pflanzenbasis intus. Zusammen, mit Alkohol, keine gute Idee. Er ist wohl spazieren gegangen und in seiner Trunkenheit von der Brücke gestürzt. Dabei ist er hier gelandet und durch Genickbruch gestorben. Das erklärt auch, warum das Gras unter ihm nicht feucht ist."
"Alles richtig. Gut gemacht."
Sie grinste schief und legte die Hand in ihren steifen Nacken und massierte die schmerzende Stelle. Es knackte leise. "Widerlich", kam es vom Detective der bei dem Geräusch das Gesicht verzog.

"Melden Sie sich, wenn Sie einen neuen Fall haben. Gehen wir, Doyle!"
Er nahm seine Brille ab und steckte sie mit dem Etui in seine Jacke. Ohne den Weg zu wissen ging er bereits vor, während Doyle ihm, nur mit offenem Mund verdattert, nachsah.
"Ich habe nie gesagt, dass du mich beim Vornamen nennen darfst, du Flegel!" Daraufhin lachte er nur und wandte sich, rückwärtsgehend um.
"Du nennst mich doch auch beim Vornamen!"
"Das ist nicht dasselbe. Du nennst jeden beim Nachnamen, außer Atsushi. Hast du keinen Respekt?"
Sie lief ihm hinterher, als er sich weiter entfernte. Er würde sich nur verlaufen, wenn sie ihn aus den Augen ließ, oder vielmehr, wenn er sie aus den Augen ließ.
"Du hast dir doch gerade ein wenig davon verdient. Warum regst du dich so auf?"
Ja, warum regte sie sich so auf?
"Ah! Ich verstehe. Du hast einen Komplex, wegen deines Namens. Aber ist es denn nicht schön, etwas einzigartiges zu besitzen?"
>>Was?<<
Sie hörte seine Stimme, wie durch Watte.
Es war seltsam.
Er war seltsam.
Für heute musste sie sich wohl geschlagen geben.
"Lass uns was essen. Ich habe glatt das Essen ausfallen lassen. Kennst du ein Lokal?", fragte er und hielt Ausschau, was in dieser Gegend wenig Sinn machte, da sie noch in der Parkanlage waren.
"Komm! Da hinten ist ein Waffelstand!", rief er plötzlich wieder voller Energie und zog die junge Frau, an ihrem Handgelenk, hinter sich her.

Sie stolperte, als er sie prompt los ließ, nachdem er vor dem Verkäufer stehen geblieben war.
>>Ein Kind, aber kein Erwachsener<<, dachte sie und schüttelte abermals den Kopf über den Wildfang.
Schweigend beobachtete sie, wie der Verkäufer ihm zwei Waffeln reichte. Die in seiner linken Hand, streckte er Doyle entgegen.
"Du hast auch noch nichts gegessen." Wortlos nahm sie die Waffel entgegen, die mit Eis und Erdbeeren gefüllt war. Sie frühstückte nie. Es war kein Kunststück dies zu erraten. Immerhin knurrte ihr Magen ständig, auch ohne das sie hungrig war.
"Magst du nichts süßes?"
"Im Gegenteil. Danke."
Er hob die Schultern und biss beherzt ein großes Stück der Süßigkeit ab. Das Eis, das an seinen Lippen kleben blieb, schleckte er einfach genüsslich ab.
Er schnurrte dabei zufrieden.
"Du bist anders."
Interessiert sah er sie, mit schief gelegtem Kopf an, die Augen nicht sichtbar.
"Anders... ist gut."
Sie lächelte und biss von ihrer Waffel ab.
"... Kalt..."

All I see is you (Bungou stray dogs FF Ranpo)Место, где живут истории. Откройте их для себя