Kapitel 5

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Mehrmals blinzelnd öffnete sie ihre violetten Augen und blickte an die graue, kahle Decke des Krankenzimmers, das sich im Büro der bewaffneten Detektive befand.
Sofort wurde sie von Erinnerungen überwältigt. An den Überfall, an den Mann, den sie kannte, an Dazai, der versucht hatte, sie zu retten. Und nicht zu vergessen, der endlose Fall.
,,Ein Glück." Erleichtert schloss sie die Augen. Sofort entspannte sie sich. Dass sie noch lebte, war Grund genug, sich auszuruhen.
,,Wenn du dich erholt hast, kannst du das Bett für andere freimachen, die dringend Ruhe brauchen", sagte eine strenge Frauenstimme, obwohl es genug Betten und keinen Kranken außer Doyle gab. Der Schatten der Frau fiel auf Doyle und schirmte sie vom Licht der Deckenlampe über ihr ab.
,,Bin ich nicht tot?"
,,Ich habe die Fähigkeit 'Du sollst nicht sterben'. Du warst schwer verletzt und hast meine Behandlung gar nicht mitbekommen."
Doyle erhob sich von ihrem Bett. Sofort bemerkte sie, dass ihre Kleidung gewechselt worden war. Sicher war ihre reif für den Müll.
Sie trug einen türkisfarbenen Pyjama.
>>Wem der wohl gehört?<<
Yosano reichte ihr eine Decke, die Doyle sich sofort um die Schultern legte. Vor dem Bett standen ihre Schuhe, in die sie hineinschlüpfte. Sie fühlte sich noch etwas wackelig auf den Beinen, was mehr an der Erschöpfung und dem Stress der letzten Tage lag.
Sie waren blutbefleckt.
Ihr Blut.
,,Der Chef möchte noch kurz mit Ihnen sprechen, bevor wir Sie gehen lassen." Ihr Herz schlug einen Augenblick schneller. Sie hatte Angst vor dem, was kommen würde.
>>Es wird bestimmt um das Honorar gehen.<<

Yosano ging voraus und wartete vor der Tür auf Doyle, die ihr zögernd folgte. Schüchtern warf sie einen ersten Blick durch die Tür. Ungeduldig schob Yosano sie vor sich her, bis sie vor dem Büro des Chefs standen.
Es nützte ihr nichts, sich gegen die Schwarzhaarige zu wehren.
Sie klopfte an die Tür.
,,Frau Yanagi möchte Sie sprechen."
,,Sie kann eintreten", ertönte die unnahbare Stimme des Grauhaarigen. Yosano öffnete ihr die Tür und verschwand wieder im anderen Büro, als die Grünhaarige im Büro des Chefs stand.
,,Setzen Sie sich."
Schweigend folgte sie seiner Aufforderung und senkte den Blick auf ihre Hände, die sie nervös in ihrem Schoß knetete.
Er ließ sich viel Zeit und goss Tee in zwei traditionelle, handgefertigte Teetassen.
Den ersten stellte er ihr hin, den zweiten sich selbst.
,,Danke", sagte sie zurückhaltend und nahm den warmen Becher in die Hand.
,,Wie fühlen Sie sich?"
,,Nun, ich lebe noch", antwortete sie verlegen und trank vorsichtig einen Schluck Tee. Eine bittere Note. Ihr Mund fühlte sich trockener an als zuvor.
,,Sie sind sehr gefassr. Andere wären an ihrer Stelle noch sehr verwirrt. Aber Sie müssen es gewohnt sein, mit ihren Fähigkeiten seltsame Dinge zu erleben. Nicht wahr?"
Beinahe wäre ihr der Becher aus der Hand gefallen, sie hätte sich das heiße Getränk in den Schoß geschüttet und sich verbrannt. Umso fester umklammerte sie den Becher nun.
,,Sie sind wirklich gut in Ihrem Job."
Mit einem Lachen versuchte sie, sich Mut zu machen und sich aufzumuntern.
Es funktionierte nicht. Sie wurde noch angespannter, als sie Fukuzawas Blick bemerkte. Sie verstummte augenblicklich und sah verlegen aus. Woher wusste er von ihrer Fähigkeit? Sie hatte es nicht erwähnt.
,,Ihre Fähigkeit ist außergewöhnlich, wenn auch nicht sehr kampftauglich. Aber als Ablenkungsmanöver wäre sie Gold wert."
Überrascht sah sie ihn an, bis ihr Blick der Verzweiflung wich. Abwehrend hob sie die Hände und rutschte ein wenig auf ihrem Stuhl zurück.
,,Ich sehe, worauf das hinausläuft. Ich kann unmöglich ..."
Während sie noch unzusammenhängende Wortfetzen von sich gab, tippte Fukuzawa etwas in seinen Taschenrechner. Als er fertig war, schob er ihn ihr zu.
,,Ihr monatliches Gehalt. Bonuszahlungen nicht eingerechnet."
Regungslos saß sie vor ihm. Die Summe entsprach dem Dreifachen dessen, was sie in ihrem jetzigen Job verdiente.
,,Ist das nicht zu viel dafür, dass ich Ihnen nicht wirklich nützlich sein kann?"
Er schloss die Augen und nippte an seinem Tee. Fukuzawa war die Ruhe selbst.
,,Ihre Fähigkeit ist sehr nützlich, wenn man sie richtig einsetzt. Sie werden lernen, sie der Situation entsprechend einzusetzen. Ich habe jemanden aus dem Büro beauftragt, sich um Sie zu kümmern." 
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
,,Herein."
Quietschend öffnete sich die hölzerne Bürotür und ein ihr bekannter Mann mit wiesengrünen Augen stand in der Tür. Ein überhebliches Lächeln lag auf seinen Lippen.
,,Bitte nicht ..."

All I see is you (Bungou stray dogs FF Ranpo)Where stories live. Discover now