25. Beeren

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 „Kannst du schon nicht mehr?“ Faryds Stimme hallte von dem Hügel zu mir herab, den wir gerade im Begriff waren, hinaufzusteigen. Ich konnte die Belustigung deutlich aus seinen Worten heraushören.

Die Augen verdrehend legte ich einen Zahn zu. „Ich habe doch schon dreimal gesagt, dass ich da unten bei der Kuhle in eine Distelkugel getreten bin.“, schnaufte ich, konnte mir ein kleines Lächeln aber nicht verkneifen.

Distelkugeln, diese biestigen kleinen Dinger. Die Abkömmlinge des Igels waren nicht viel größer als mein Daumennagel, doch brannten höllisch, wenn man versehentlich hineintrat. Ich hatte sie zum Glück nur gestreift und die stark ausgebildete Hornhaut meiner Sohlen hatten die ärgsten Schmerzen abgefangen.

„Warum ziehst du auch keine Schuhe an?“, neckte der Mann mich. Er selber trug provisorische Bandagen aus Leder, die um seine Füße gewickelt waren. Das schien praktisch zu sein, doch auf Dauer würde ich es mit so etwas nicht aushalten.

„Ich fühle mich darin so… eingeengt.“ Meine Schuhe waren schon nach den ersten Wochen im  Matsch und Gestrüpp auseinander gefallen. Seitdem musste ich barfuß durch die Wildnis streunen – daran hatte ich mich inzwischen gewöhnt.

Eilig brachte ich die letzten Meter hinter mich. Faryd wartete an der Spitze. Er streckte seine Hand aus, um mir über einen Felsen zu helfen. Oben angekommen schaute ich mich erst einmal ausgiebig um.

Die Straße, die in die Stadt hineinführte, war von hier gut zu erkennen. Ebenso der Übergang, an dem sie mit Unmengen an Gras und Ranken überwuchert wurde, bis sie nicht mehr zu erkennen war. Je mehr Teer sie umgab, desto schwieriger hatten die Pflanzen es, durch das harte Zeug zu dringen. Es dauerte seine Zeit, bis die Natur das Schaffen der Menschen überwältigt hatte – doch früher oder später würde sie hier alles beherrschen. Auch innerhalb der Stadt hatte ich schon vereinzelte Grasbüschel und Moos gefunden.

Auf der anderen Seite des Hügels lag der Wald – täuschend friedlich. Die Blätter wurden beleuchtet vom hellen Sonnenlicht und wirkten geradezu freundlich. Ich versuchte, das Heer der Tiere auszumachen, das die steile Bergwand inzwischen überwunden haben musste, doch wir waren zu weit entfernt, um irgendetwas erkennen zu können.

Meine Gedanken schwankten zu Conec. Wenn er sich nicht beeilte… aber bestimmt waren die Hunters bereits in sicherer Entfernung. Ich sollte mir vermutlich nicht so viele Gedanken machen.

Faryd bemerkte meinen Blick. „Das wird ein ganz schlimmes Gemetzel werden.“, sinnierte er. Ich nickte einfach nur sprachlos, konnte meinen Blick nicht von dem Punkt abwenden, an dem irgendwo weit in der Ferne Nurvia liegen musste. In wenigen Tagen mussten die Hunters es erreicht haben. Hoffentlich…

Ich spürte Faryds Blick auf mir ruhen. „Du stammst aus der Stadt, oder nicht? Hast du noch Familie dort?“

Seufzend nickte ich wieder. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, als wollte sie mich trösten. Als ich mich umdrehte, begegnete ich Faryds zerknirschtem Lächeln. Er wusste augenscheinlich nicht recht, was er sagen sollte. Um das Thema zu wechseln, deutete er auf meinen Fuß.

„Darf ich mal sehen?“

Ich nickte und setzte mich auf den Boden. Er ließ sich vor mir nieder und untersuchte meinen Fuß mit kritischer Miene. Man merkte, dass er so etwas schon oft gemacht hatte. In der Wildnis blieb einem nichts anderes übrig, als sämtliche Arten an Verletzungen kennen und damit umgehen zu lernen.

„Es ist kein Stachel stecken geblieben und die Wunde ist nicht tief genug, dass sie sich entzünden könnte. In ein paar Minuten hört es auch wieder auf, weh zu tun.“ Der Mann richtete sich auf und hielt mir eine Hand hin. „Nuh läuft ständig in diese Viecher rein.“ Das erklärte auch, weshalb er so genau Bescheid wusste.

Hunters 2 - der Pfad des JägersWhere stories live. Discover now