7. Verhandlung

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Eine Weile starrten die Versammelten sie nur überrascht an. Dann wurde Liv ruckartig am Arm zurückgezogen und landete unsanft auf ihrem Stuhl. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie aufgestanden war, doch umso energischer kämpfte sie sich nun wieder auf die Beine. „Meine Gruppe sollte ohnehin diese Woche noch nach Süden. Wenn wir die Erlaubnis bekämen, unsere Expedition auszuweiten, wäre das eine große Ehre.", baute das Mädchen ihren Standpunkt weiter aus.

„Das kommt gar nicht infrage.", warf ihr Vater ein und versuchte, Liv wieder zurückzuziehen, doch sie entwand sich seinem Griff und starrte forschend in die Runde. Die meisten Gesichter wirkten nachdenklich – niemand schien direkt abgeneigt zu sein, ihren Vorschlag anzunehmen. Auf dem Gesicht des Verteidigungsministers erschien ein schmallippiges Lächeln, während sein Blick zwischen ihr und ihrem Vater hin und her schwankte.

„Warum eigentlich nicht? Ich bin mir sehr sicher, dass Liv bestens für diese Aufgabe geeignet ist. Sie hat sich während ihrer Zeit im Caraunt als besonders intelligent und loyal erwiesen. Warum sollten wir ihr diesen Auftrag nicht überlassen?" Liv versuchte, sich ihre Freude über das Lob nicht anmerken zu lassen. Noch dazu, da es der stärkste politische Konkurrent ihres Vaters war, der es ausgesprochen hatte. Bei seinen nächsten Worten trat ein hinterlistiges Blitzen in seine Augen. „Nur, weil sie die Tochter des Präsidenten ist?"

Damit hatte er Livs Vater erfolgreich in die Ecke gedrängt. Kein Bürger in Nurvia sollte anders behandelt werden als die anderen – egal, welchen Ruf er hatte oder aus welchem Stand er war.

Der Präsident knirschte mit den Zähnen und stand ebenfalls auf. „Ich habe bloß etwas dagegen, eine Handvoll Kinder unseren Kampf gegen die Tiere austragen zu lassen."

„Als wären noch genug Erwachsene übrig, die das stattdessen tun könnten." Diese erschöpfte Feststellung kam von der Volksministerin, die eher zu sich selbst gesprochen hatte, als etwas zu der Diskussion beizutragen.

Der Verteidigungsminister nickte in ihre Richtung und musterte Livs Vater herausfordernd. „Sie scheinen die jungen Leute maßlos zu unterschätzen. Ich werde Liv einen Trupp erstklassiger Hunter zusammenstellen, die sie bei der Mission unterstützen. Sie werden sehen: Sie werden ihre Sache besser machen, als wir alten, schlappen Leute es könnten."

Livs Vater runzelte die Stirn, als könne er nicht glauben, was er da hörte. „Aber... es sind doch noch Kinder." Er fing sich einen vernichtenden Blick seitens Liv ein. Nein – sie war ganz sicher kein Kind mehr. In diesen Tagen wurde man schnell erwachsen und lernte, was zum Überleben wichtig war. Anders war es auch gar nicht möglich. Ein unschuldiges Kind war verletzbar und die Monster dort draußen würden sicher kein Mitleid mit ihm zeigen.

Das Lächeln auf den Zügen des Verteidigungsministers wurde breiter. „Aber, aber, mein Guter. Das ist doch nicht allein unsere Entscheidung. Wir leben in einer Demokratie." Er erhob sich und schaute offen in die Runde. „Ich berufe eine Abstimmung ein."

Die Entscheidung war durch Handzeichen schnell gefällt. Fünf Minister waren dafür, Livs Vater dagegen. Der Rest enthielt sich. Sicher wollten sie im Falle eines Versagens nicht für den Tod einer ganzen Gruppe junger Menschen verantwortlich sein.

Feiglinge, dachte Liv. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh darüber, dass der Verteidigungsminister von Nurvia einen Sieg über die Meinung ihres Vaters errang. Das kam in letzter Zeit immer häufiger vor. Der Schutz Nurvias war das, was den Menschen am wichtigsten war. Die Machtposition des Präsidenten begann zu bröckeln.

Liv verstand eine Menge von Politik, da ihr Vater großen Wert darauf gelegt hatte, dass sie sich in dieser notdürftigen Zivilisation zurecht fand. Sicher wollte er auch, dass sie einmal seinen Posten als Präsidentin einnahm, doch Liv lag nichts ferner als das.

Sie hasste die Politik. Am liebsten hätte sie die ganzen Politiker so lange geschüttelt, bis sie zur Vernunft kamen. Der Fortbestand der Menschen stand auf dem Spiel und diese Idioten hatten nichts Besseres zu tun, als sich in ihren Verhandlungsräumen zu verschanzen, lange Reden zu halten und sich gegenseitig die Machtpositionen streitig zu machen. Typisch Erwachsene und ihre Bürokratie.

Doch von ihrem Vater wusste sie, dass das nötig war, um die Demokratie und somit die Würde der Menschen aufrecht zu erhalten. Sie konnten nicht einfach unüberlegt drauflosrennen, sondern mussten das Große und Ganze betrachten. Das sei schließlich das einzige, was sie noch von den Tieren unterschied.

Schnaufend verließ sie am Abend endlich den Verhandlungssaal und stapfte hinaus in die kühle Luft. Ohne sich noch einmal umzudrehen, strebte sie das Novizengebäude des Caraunts an. In drei Stunden würde sie ihren Expeditionstrupp kennen lernen und ihre Vorgehensweise besprechen. Dazu brauchte sie einen klaren Kopf und einen halbwegs gefüllten Magen, sonst konnte sie das sofort wieder vergessen. So schlug sie mit weit ausholenden Schritten den Weg zur Mensa ein.

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Hier das nächste Kapitel von Liv - ich hoffe, es gefällt! :) An dieser Stelle möchte ich mich einmal dafür entschuldigen, dass es so lange gedauert hat... ich hatte das ganze Wochenende über zu tun und bin erst heute dazu gekommen, zu schreiben...

(Dafür ist das nächste Kapitel jetzt aber - was die meisten von euch sicher freuen wird - ein Julia-Special :D Eigentlich hätte es das noch gar nicht geben sollen, aber mir ist vorhin auf dem Nachhause-Weg ein Gedankenblitz gekommen, wie man eure und meine Ideen für den Fortgang des Buches in einen schönen Kompromiss verpacken könnte ;) Viel Spaß beim Lesen!! :D :****)

Das oben erwähnte Julia-Kapitel hat soeben seinen Standort geändert: Es ist jetzt das dritte in der Abfolge! :) Ich hoffe, das verwirrt euch jetzt nicht, wenn doch, fragt mich einfach... :) :***

Hunters 2 - der Pfad des JägersWhere stories live. Discover now