34. Geschichte

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„Hier bist du." Eine warme Hand berührte mich an der Schulter, während ich langsam aus meinem Reich der Träume erwachte. „Ich habe dich in deinem Zimmer gesucht. Es ist Zeit zum Aufstehen."

Ich hob meinen bleiernen Kopf von der Matratze, auf der er ruhte. Mein rechter Arm war eingeschlafen und mein Nacken schmerzte. In meiner unmöglichen Schlafposition hatte er sich verrenkt. Sitzend auf einem Stuhl und mit dem Kopf auf Thunders Matratze - genauestens darauf bedacht, ihn nicht zu berühren.

Ich stellte mich Faryd gegenüber und brachte ein verschlafenes Lächeln zustande. Sicher sah ich furchtbar aus - verfilzte Haare und Schlaf in den Augen.

Mein Blick wanderte automatisch zu dem kranken Tier auf dem Bett. Thunder sah noch etwas schlimmer aus als ich. Das weiche Fell war von Schweiß verklebt und die großen Augen fest zusammen gekniffen, als würde er sich auf etwas konzentrieren, das nur er wahrnehmen konnte. Hin und wieder zuckte es unter den Lidern. Augenscheinlich musste er schreckliche Qualen erleiden, im hohen Fieber.

Als ich mitten in der Nacht in sein Krankenzimmer geschlichen war, hatte ich einen riesigen Schreck bekommen. Thunders Zustand verschlimmerte sich zusehends und es gab absolut nichts, was ich im Moment dagegen tun konnte. Ich fühlte mich so hilflos und elend. Es war kaum zu ertragen.

Faryds besorgter Blick traf mich. „Hast du die ganze Nacht hier verbracht?"

Ich schüttelte den Kopf und wischte mir über die Augen. Hoffte, dass er die Tränenspuren nicht bemerkte, die noch unter ihnen hafteten. „Nur ein paar Stunden." Wieder huschte mein Blick zu meinem Gefährten zurück. „Ich habe ihn nicht angefasst - keine Sorge."

Faryds Gesichtsausdruck erhellte sich durch diese Aussage nicht wirklich. „Du hättest dir ein Tuch um die Atemwege binden sollen.", bemängelte er in strengem Ton.

Ich ließ meinen Blick über sein Gesicht wandern. Er sah selber nicht besonders wach aus und trug genauso wenig einen Atemschutz wie ich.

Ich beschloss, nichts dazu zu sagen. Stirnrunzelnd strich ich mir über meinen schmerzenden Nacken. „Wie spät ist es?"

Faryd schaute zum Fenster hinüber, durch das kein einziger Strahl Sonnenlicht drang. Rashid war der Meinung gewesen, Lichteinfall schade bei Thunders Genesung und hatte alles mit Decken zugehängt. Bis auf das Licht, das durch die geöffnete Tür herein fiel, war es dunkel und die Luft stickig. Verseucht.

„Etwa Elf. Wir haben noch eine Menge zu besprechen, bevor es losgeht."

Ich nickte entschlossen, drehte mich aber noch einmal zu meinem kranken Freund um. Meine Hand zuckte, während ich den Reflex unterdrückte, ihm durch das lange Fell zu streichen.

„Ich rette dich, Thunder.", flüsterte ich in der Hoffnung, dass er mich verstand. „Es wird alles gut. Keine Sorge."

Der Tigerbär zeigte keine Reaktion - wie immer. Vielleicht hörte er gar nicht, was ich sagte. Vielleicht war er ganz allein in seiner kranken, fiebrigen Welt.

Ein schmerzhafter Stich ging durch mein Herz. Die Augen fest zusammen gekniffen, wandte ich mich ab. „Gehen wir.", beschloss ich und trat den Weg in die Küche an - unserem Besprechungsraum.

Am Tisch saßen bereits Rashid und Nuh. Amani wuselte zwischen ihren Beinen umher. Auf dem Tisch stand eine dampfende Schüssel kraftloser Suppe. Ein paar wenige Brocken Fleisch hatten sich hinein verirrt und trieben kraftlos in der Brühe vor sich hin.

Faryd und ich setzten uns. Wir beide nahmen uns etwas von der dünnen Flüssigkeit, rührten unsere Teller aber kaum an. Auch die anderen aßen nicht viel, hatten ihre Blicke ausschließlich auf mich gerichtet. Alle waren sehr gespannt, was ich zu berichten hatte.

Hunters 2 - der Pfad des JägersWhere stories live. Discover now