35. Besuch

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 „Das sollen deine Eindringlinge sein?“ Faryd drehte sich skeptisch zu seinem kleinen Bruder um. „Deshalb machst du so einen Aufstand – wegen zwei Leuten? Ich dachte, da käme eine halbe Armee auf uns zu…“

Ich starrte noch immer wie gebannt um die Ecke. Das konnte nicht sein. Sie sollten längst tot sein. Ich hatte gedacht, ich würde sie nicht wieder sehen… und jetzt waren sie hier?

Faryd machte Anstalten, seine Waffe zurück zu stecken, doch Nuh hielt ihn auf. „Sieh sie dir einmal genauer an. Die beiden sind auf die Zähne bewaffnet und kommen direkt auf uns zu. Als wüssten sie, wo sie das Versteck finden…“

Er hatte Recht. Die beiden Gestalten, die einsam die staubige Straße entlang wanderten, hielten direkt auf das Kloster zu. Sie waren ziemlich langsam, machten nur kleine Schritte. Als ich genauer hinsah, merkte ich, dass die kleinere von beiden ein wenig humpelte.

Faryd beugte sich über mich hinüber, um besser sehen zu können. Aus der Entfernung konnte man uns im Schatten nicht erkennen – doch wir beobachteten die Eindringlinge mit Argusaugen. Der eine groß wie ein Riese, der andere etwas kleiner. Der eine dunkel wie die Nacht, der andere mit heller Haut und blonden Haaren.

„Ob sie uns gefolgt sind?“, grübelte Faryd an meiner Seite.

Das war sicher nicht der Fall. In dem Zustand, in dem sich die beiden befanden, war es ihnen wohl kaum möglich gewesen, einem Klippendrachen zu folgen. Sie scheinen beide ziemlich angeschlagen, verzerrten die Gesichter und schlichen vor sich hin. Dazu kam, dass die großen Mengen an Waffen, die sie bei sich trugen – Messer, Säbel, Maschinengewehre mit Unmengen an Munition – schwer wogen und sie weiter aufhielten.

Andererseits war ich mit Thunder und Faryd in den letzten Wochen häufig zum Wald hin und wieder zurück gelaufen. Wenn sie mich erkannt hatten, waren sie vielleicht auf die Idee gekommen, mir zu folgen. Immerhin musste ich irgendwo einen Unterschlupf haben, zu dem ich jede Nacht zurückkehrte. Ich hatte nicht auf mögliche Verfolger geachtet und die Geisterstadt erkannte man schon von weitem, wenn man einmal in die richtige Richtung gelaufen war.

„Sie sehen auf jeden Fall nicht gerade wie besonders friedliche Menschen aus.“, meinte Nuh finster.

„Sie tun uns nichts.“, warf ich schnell dazwischen. „Ich kenne sie. Sicher wollen sie nur einen ruhigen Ort und etwas Verpflegung.“

Nuh und Faryd warfen mir skeptische Blicke zu, sagten jedoch nichts. Die Gestalten waren derweil immer näher gekommen. Langsam mussten wir uns entscheiden, was wir tun sollten. Am besten wäre es gewesen, sich einfach zu zeigen, doch ich hatte Angst, dass sie sich erschrecken und auf uns schießen würden. Wir hätten uns auch ins Kloster zurückziehen können, doch das große Tor ließ sich nicht geräuschlos schließen. Abgesehen davon war es möglich, dass sie herein kamen. Irgendwann mussten wir uns zeigen.

Bevor wir uns zu einer Lösung entschließen konnten, nahm Rashid uns die Entscheidung ab. Seine tiefe Stimme drang über das gesamte Gelände und dröhnte uns in den Ohren.

„Eindringlinge. Keinen Schritt weiter. Legt eure Waffen nieder und hebt die Hände hoch.“ Die Menschen blieben erschrocken stehen und starrten nach oben. „Ich habe gesagt, Waffen runter!“, befahl Rashid wieder.

Sofort machten sich die beiden von ihren Waffen frei und ließen sie auf den Boden fallen. Drei Hände reckten sich in die Luft. Der linke Arm des Mannes baumelte kraftlos an seinem Körper.

„Alle Hände!“, brüllte Rashid.

„Er kann nicht!“, rief ich zurück und trat aus meinem Versteck hervor. Sobald ich etwas weiter vom Kloster entfernt stand, sah ich Rashid auf einer der Zinnen des Klosters stehen. Ein langes Jagdgewehr war zielgenau auf den Mann mit dem schlaffen Arm gerichtet. Dessen Aufmerksamkeit ruhte nun auf mir. Zwei vertraute Paar Augen blickten mich an. “Leg die Waffe weg, Rashid. Sie werden uns nichts tun.“

Hunters 2 - der Pfad des JägersWhere stories live. Discover now