»Wusstet ihr, dass Carnelian der Name eines ockerfarbenen Halbedelsteins ist?« Carnelian blickt uns fragend an.

Woher sollte ich das bitte wissen? Warum sollte es mich überhaupt interessieren?

»Du bist mir sogar mindestens so viel wert, wie ein voller Edelstein.«

Ich rolle mit den Augen, und zwar so doll, dass sie mir fast aus den Augenhöhlen fallen und in mein Eis fallen, so genervt bin ich. Nur fast, leider. Sonst hätte ich sie wieder raus gepult und auf Carnelian geworfen. Vermutlich hätte ich sie nicht getroffen, immerhin wäre ich blind, aber sie hätte bestimmt trotzdem vor Schreck geschrien. Ja, wenn da ein augenloser Ace mit Augäpfeln auf sie wirft, das wäre bestimmt eine interessante Wendung an diesem Abend.

Aber gleichzeitig ist sie das auch nicht wert.

Caleb schleimt weiter rum und labert irgendwas davon, dass ockerfarben ja irgendwie wie Gold aussehen, und sie ja so goldig ist. Und wie wunderbar der Name zu ihr passt. Ist klar. Wenn der Name zu ihr passen sollte, müsste sie Mein Dorn im Auge heißen, oder Die Rache Gottes.

Mit einer eisernen Selbstdisziplin zügle ich mich und halte die Klappe.

»Und was bedeutet der Name »Caleb«? Ich finde Namen total interessant, müsst ihr wissen. Ich finde, sowas sollte an Schulen unterrichtet werden! Da würde der Unterricht sogar Spaß machen!«

Hier haben wir wieder einen typischen Kommentar eine betrunken Carnelian. Sie kann nicht mal mehr richtig reden, sondern brabbelt sich irgendwas in den Bart, weswegen ich echt damit zu kämpfen habe, sie zu verstehen. Wobei, Probleme beim Verstehen habe ich trotzdem, allerdings betrifft das eher den Sinn ihrer Worte.

»Stimmt, wer braucht schon Erdkunde oder Physik, die Schulen sollten lieber Namenskunde unterrichten, am Besten auch noch in Unis«, brumme ich sarkastisch. Aber irgendwie scheint die Gabe, Sarkasmus zu erkennen, bei Carnelian verlogen gegangen zu sein - oder sie war nie vorhanden -, sodass sie auch noch glaubt, dass ich das ernst meine.

Sie hebt ihr kristallklares Glas, in dem die bernsteinfarbene Flüssigkeit glänzt, und hebt es an, um mir zuzuprosten. Die Flüssigkeit im Inneren schwappt bedrohlich, als sie sich aufrichtet und das Glas mit einer schnellen Bewegung in die Höhe streckt. Allerdings ist schon zu wenig drin, also bleibt Calebs ach so geliebter Tisch verschont und nichts wird verschüttet.

Sie sieht fast so aus wie die Freiheitsstatue, nur eben mit einem Glas Jack in der Hand. Ihre Augen leuchten und machen der Lampe Konkurrenz, der Mund ist zu einem so breiten Grinsen verzogen, dass ihr Mund bestimmt gleich in der Mitte reißt.

Okay, nein, die Vorstellung ist echt absolut abscheulich, also vertreibe ich die Bilder, die mir sofort im Kopf schwirren, wie nervige Mücken.

»Ace, los! Stoß mit mir an!«, brüllt sie mir über das Ende des Tisches zu, völlig egal, dass uns nur eine Distanz von zwei Metern trennt.

Leider.

Ich wünschte, es wären zwei Kilometer. Oder zwei Ozeane. Ich hebe seufzend mein Glas Wasser und tue so, als würde ihr zuprosten.

»Nein, du musst schon herkommen! Unsere Gläser müssen aneinanderstoßen, sonst zählt es nicht!«

Ich will gar nicht wissen, was mit den Gläsern passiert. Erstmal werden sie bestimmt kaputt gehen, darauf habe ich herzlich wenig lustig, und zweitens habe ich noch weniger Lust, zu ihr zu gehen, auch wenn es nur zwei Meter sind.

»Hab keine Lust aufzustehen«, sage ich lahm und drehe mich zum Fenster. Ich wäre in wenigen Sekunden da und müsste es nur hochschieben... Bestimmt könnte ich rausspringen, bevor Caleb mein Vorhaben bemerkt... so würde ich den Schockmoment nutzen... Ich rufe mich wieder zur Vernunft, ich werde doch nicht wegen so einem lächerlichen Plagegeist in den sicheren Tod stürzen. Auch wenn ich ihn mir gerade wirklich wünsche.

I LIE TO YOUWhere stories live. Discover now