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Ace

Carnelian wird immer nerviger, desto mehr sie intus hat. Irgendwann im Laufe des Abends hat sie aufgehört, sich Jack Daniels mit Ginger Ale hinter die Birne zu kippen, nein, jetzt trinkt sie nur noch den Jack. Aus der Flasche. Wenn ich zuvor dachte, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, weiß ich spätestens jetzt, dass nie Tassen im Schrank standen, sondern aus dem Fenster geworfen wurden.

Und das Bedürfnis, mich ebenfalls aus dem Fenster zu werfen, wächst stetig. Ihre Wangen sind schon gerötet, die Lippen leicht geöffnet, die Pupillen sind groß und schimmern im Glanz der Deckenlampe.

»Ist euch auch so heiß?«, fragt sie und wischt sich über die Stirn.

»Nein«, sage ich knapp. Caleb grinst verschmitzt und sagt: »Wenn dir so heiß ist, solltest du dich wohl besser ein bisschen entkleiden, hm?«

Carnelian zwirbelt eine Haarsträhne um ihren Finger und grinst verwegen. »Sollte ich wohl, oder?«

Okay, das wird mir jetzt echt zu viel. Ich habe nicht das Bedürfnis, eine halbnackte Carnelian zu sehen.

»Wir können auch einfach noch einmal Eis essen, ein bisschen ist doch bestimmt noch übrig«, werfe ich hastig ein und laufe in die Küche.

»Habt ihr Rum? Wenn ja, kannst du mir ein bisschen auf mein Eis kippen?«, brüllt Carnelian aus dem Esszimmer. Ich kipp dir kein Rum auf dein dummes Eis, sondern Gift, denke ich grimmig. Diese Frau ist der Horror. Es ist nicht einmal um zwei Uhr nachmittags, und sie ist schon total besoffen. Das ist doch peinlich. Und Caleb findet das auch noch total scharf. Ich hole drei neue Schalen aus dem Regal und stelle mit Genugtuung fest, dass Caleb noch mehr zum Abwaschen hat. Ich helfe ihm bestimmt nicht.

Schwer seufzend versuche ich, die Eispackung auszukramen, die Caleb wahllos zwischen Erbsen und Fischstäbchen gequetscht hat. Ich rüttle an der Packung, doch sie steckt fest. Ich werde immer aggressiver und reiße weiter rum, bis ich fast die ganze Schublade aus der Tiefkühltruhe rausreiße. Die Packung Eis konnte ich zwar befreien, allerdings taumle ich nach hinten und krache von hinten gegen ein Gewürzregal.

»Was demolierst du denn da, Kumpel?!«, ruft Caleb mir zu. Ich antwortete mal lieber nicht.

Ich schließe die Tiefkühltruhe und widerstehe dem Drang, noch einmal dagegen zu treten. Dann fülle ich die Schalen mit dem Eis, zugegeben sieht es bei Weitem nicht so schön aus wie bei Caleb, aber es könnte mich nicht weniger kümmern. Mit den Schalen auf dem Arm balancierend, gehe ich zurück ins Esszimmer und knalle den beiden ihr Eis vor die Nase.

»Hey!«, empört Caleb sich. »Geh mal sorgfältiger mit meinem tollen Holztisch um! Der wurde erst neulich lackiert.«

Ich rolle mit den Augen und werfe ihm einen Blick zu, der eindeutig klar macht, wie sehr mir das am Arsch vorbeigeht. Carnelian macht große Augen und... ja, was genau macht sie eigentlich? Es ist fast so aus, als würde sie den Tisch streicheln.

»Ich wünschte, ich hätte so einen tollen Tisch«, haucht sie ehrfürchtig. Ich verkneife es mir, sie auszulachen. Aber mal ehrlich, wer kann bitte bei so einem...Wesen ruhig bleiben? Ich weigere mich, sie als einen Menschen zu bezeichnen. Sie muss von einem anderen Planeten stammen, oder sie ist ein misslungenes Forschungsobjekt.

»Wenn du erstmal hier wohnst, kannst du den Tisch jeden Tag begutachten.« Caleb zwinkert ihr zu und sie errötet. Wobei, sie hatte schon vorher gerötete Wangen, also kann ich nicht genau bestimmen, ob es wirklich von der Bemerkung kommt. Ich rede mir gut zu, dass Caleb das bestimmt nur gesagt hat, weil er selber total dicht ist. Ist er dummerweise nicht.

Er hat zwar ein Bier getrunken und ab und zu von Carnelians Jack gekostet, aber er ist bei weitaus mehr nüchtern. Also kann diese Bemerkung nicht auf den Alkohol geschoben werden. Leider. Schweigend löffeln wir unser Eis. Ich genieße die Stille in vollen Zügen, nur leider hält sie nicht lange an. Natürlich.

I LIE TO YOUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt