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Ace

Langsam lösen Paige und ich uns voneinander. Meine Brust hebt und senkt sich, keiner wagt es, den Blickkontakt abzubrechen. Die Stimmung ist noch immer elektrisch aufgeladen und ich spüre die Erinnerungen an unseren Kuss in mir widerhallen. Paige bricht neben mir plötzlich in schallendes Gelächter aus.

»Was ist so lustig?« Fragend hebe ich eine Augenbraue. Macht sie sich etwa über mich lustig?

Sie grinst mich breit an. »Du müsstest dich mal sehen.«

Wieder kichert sie. »Dein... Dein Mund ist... Mein Lippenstift...« Sie schüttelt sich vor Lachen. Und ich verstehe. Vermutlich sind meine Lippen gerade knallrot, so wie ihre es zuvor waren. Ich grinse ebenfalls. Paige atmet tief ein und versucht, sich zu beruhigen, doch sofort fängt sie wieder an zu lachen. Sie wischt sich Lachtränen aus den Augenwinkeln, oder Regentropfen, wer weiß. Nach ungelogen Minimum zehn Minuten, fängt sie sich wieder. »Wollen wir wieder zurück in die Wohnung? Wir sind klitschnass. Ich könnte trockene Klamotten gebrauchen.«

Ich zucke mit der Schulter. »Ich habe keine Wechselsachen mit.« Warum auch? Als Paige mich zu sich eingeladen hat, habe ich sicher nicht damit gerechnet, mit ihr im Regen rumzuknutschen und dabei bis auf die Knochen nass zu werden. Bereuen tue ich es natürlich nicht. Wenn es eine Sache in meinem Leben gibt, die ich auf jeden Fall immer wieder tun würde, dann ist es das, was wir getan haben, so oft zu wiederholen, bis ich vor Glück geplatzt bin. Was niemals passieren wird, weil ich nicht genug von Uhr bekommen kann.

Paige wirft mir einen diabolischen Blick zu. »Für dich finde ich schon was.«

»Einen Kartoffelsack?«

Sie lacht auf. »Nein, viel hübscher, ganz so teuflisch bin ich doch nicht!«

Gemeinsam steigen wir die Sprossen hinab, zurück in die Abstellkammer, ich halte sie fest, damit sie nicht fällt. Unten angekommen läuft sie zielstrebig durch das Apartment und zieht mich hinter sich her, in ein Zimmer. Ihr Zimmer. Überall hängen Bilder, Fotografien und Zeitungsausschnitte. Es ist in hellen Cremetönen gehalten, mit roten und dunkelblauen Akzenten.

Ein monströses Bücherregal nimmt eine ganze Wand ein, es quillt förmlich über vor Büchern. Über ihrem Schreibtisch hängt ein alter Druck von der Brooklyn Bridge, ganz in schwarz-weiß. Bis auf die Lippen der Frau, die auf dem Bild zu sehen ist. Bücher, Hefte und Stifte liegen verstreut rum, ein wildes Chaos, wie sie selbst. Aufbrausend. Chaotisch. Hitzig. Als hätte sie mich in einen Teil ihrer Welt entführt.

Ein großes Fenster ist leicht angeklappt, daneben führt eine gläserne Tür auf einen kleinen Balkon mit zwei Klappstühlen und einem kleinen Tisch. Der Wind fährt durch einen Baldachin. Ihr kolossales Himmelbett ist aufgeräumt, im Gegensatz zum Rest des Zimmers. Die Kissen sind penibel ausgeschüttet, die Bettdecke fein säuberlich auf den Bettrand gefaltet, die Tagesdecke wirft nicht eine Falte auf.

Sie muss meinen belustigten Blick bemerkt haben. »Was denn? Das ist mein Heiligtum, mein Baby. Natürlich kümmere ich mich um diesen Schatz.«

Ich lache auf. »Das ist dein Schatz? Ernsthaft?«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Ich schreibe Tagebuch, seit Jahren, diese Bücher sind meine wahren Schätze. Aber das Bett ist auch wichtig.«

Sie öffnet eine Tür die in ein Ankleidezimmer führt. Wozu brauch man diese ganzen Klamotten? Sie macht einen Schrank mit Kleidern auf. Lange, kurze, aus Seide, aus Chiffon und in allen möglichen Farben. Sie zieht ein knall pinkes Kleid aus dem Schrank und reicht es mir.

Entsetzt starre ich dieses Monstrum an, das ein Kleid sein soll. Es hat kitschige Puffärmel die so groß wie mein Kopf sind, eine gigantische Schleife verziert die Taille. Der Rock besteht fast nur aus rosa Tüll und großen Glitzersteinen. Es raschelt laut.

I LIE TO YOUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt