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Ace

Mit offenem Mund starre ich sie an. Meint sie das Ernst? Ihre Fingerspitzen wandern durch meine Haare und ich dränge sie näher an die Tür. Ich rieche ihr Parfüm, spüre ihre angenehm warme Haut auf meiner. Am liebsten möchte ich sie überall berühren, jeden Zentimeter von ihr in Besitz nehmen und sie nie wieder loslassen - oder zumindest für den Moment.

Ein Moment, der sich in mein Gedächtnis brennt. Ich will sie, wie andere die Luft zum Atmen. Ihre Lippen. Die berauschende Sehnsucht.

Unsere Gesichter nähern sich, ihr heißer Atem streift meinen Hals. Unsere Lippen berühren sich, ganz leicht. Dieses Gefühl reicht aus, um das Verlangen in mir noch weiter zu bestärken. Bis wir von einer schrillen Stimme unterbrochen werden.

»Eww, Mummy! Da machen zwei große Kinder miteinander rum!«, ruft ein kleiner Junge. Was soll das, du kleiner Hosenscheißer? Irritiert schaut Paige zu mir und beißt sich auf die Lippe, um nicht loszulachen. Wir stehen noch immer eng beieinander, doch wie durch einen kalten Luftzug wurden die vorfreudigen Funken fortgeweht.

Der kleine Junge trägt einen blauen Pullover, der mit einem lächelnden Hai bedruckt ist. In der Hand hält er einen kleinen, ramponierten Hasen, der nur noch ein Auge hat. Gruseliges Kind.

Ich werfe ihm einen bitterbösen Blick zu. Er hat uns bei einer sehr wichtigen Sache unterbrochen, allein das ist ein Grund, ihn nicht zu mögen. Er erwidert meinen bösen Blick nur mit einem breiten Zahnlücken-Lächeln, das ihn wie die Grinsekatze höchstpersönlich lächeln lässt. Seine Mutter kommt auf ihn zu, dann fällt ihr Blick auf uns.

»Oh Entschuldigung, falls der Kleine sie belästigt hat. Mensch Cayden, du sollst doch nicht immer fremde Leute ansprechen!«, schimpft sie mit ihm. Die junge Frau streicht sich ihre blonden Locken aus dem Gesicht und lacht dann. »Oh je, irgendwann spricht er noch die falschen Leute an. Er nimmt einfach kein Blatt vor den Mund. Kinder«, seufzt sie theatralisch.

Kopfschüttelnd streicht sie ihm zärtlich durch das dunkelbraune Haar. »Mummy, die beiden wollten sich gerade ablecken«, sagt der kleine Scheißer vielsagend und gibt daraufhin Würgegeräusche von sich. Dann verschränkt er die Arme vor der Brust. »Das habe ich ganz genau gesehen!« Erschrocken keucht seine Mutter auf.

»Ich hoffe wirklich, du hast dein loses Mundwerk gehütet, kleiner Mann!«

Der kleine Junge kichert. »Natürlich, ich habe nur aufgepasst, dass sie sich nicht wirklich ablecken! Das darf man nämlich nicht.«

Paige lacht laut auf. »Du bist wirklich süß«, murmelt sie nachdenklich und betrachtet ihn eingehend. Süß? Was ist an diesem kleinen Bengel bitte süß? Er hat uns gerade unterbrochen! Die Mutter stimmt zögernd in Paiges herzliches Gelächter ein.

»Er ist sehr frech. Das lässt er sich aber auch nicht austreiben, egal was ich versuche!«

»Pah, das lasse ich auch niemals zu!«

Stolz reckt er sein Kinn in die Höhe. Naja, Willensstärke hat er wenigstens...

»Wie auch immer, Cayden. Entschuldige dich bitte, und dann müssen wir auch schon los.«

»Entschuldigung«, murmelt der Kleine. Dann rennt er vor, ohne sich umzudrehen.

»Noch einmal, es tut mir unendlich leid. Aber ich muss dann auch! Einen schönen Tag noch! Und Cayden, warte doch mal!«

Immer noch leicht lächelnd schaut Paige den beiden hinterher.

»So ein süßer Junge.«

Ich schnaube. »Was war denn daran süß? Er hat uns unterbrochen!«

I LIE TO YOUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt