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Schon unser erster Kuss
entzündete ein Feuer,
das niemals ganz erlöschen könnte

Paige

Vibrierende Beats dröhnen durch meinen Körper, versetzen meine Haut in einen zittrigen Zustand und bringen mein Blut in Wallungen. Ich hebe die Arme, lasse meine Hüfte entspannt kreisen und bewege mich rhythmisch zu der Musik, die aus dem großen Boxen erklingt.

An diesem Abend schiebe ich alles weg, was mich belasten könnte. In gewisser Weise flüchte ich vor meinen Problemen, aber das tue ich schon seit Jahren.

Manchmal frage ich mich zwar, was passiert, wenn sich der aufbrausende Sturm in voller Kraft über mir entlädt, lasse diese Gedanken aber meistens in den hinteren Teil meines Kopfes verschwinden. Denn jetzt, in diesem Augenblick, setzt mein Kopf völlig aus und alles was noch eine Rolle spielt, ist die pulsive Kraft, in die mich die Welle der Musik mitreißt und immer weiter vom Ufer der Vernunft abtreiben lässt.

Keine Menschenseele würde mich hier in der Menge ausmachen können.

Es würde niemanden interessieren.

Ich seufze wohlig und gebe meinem Körper voll und ganz der fesselnden Melodie hin. Meine Wangen glühen und mein Körper kribbelt wohlig.

Im Club ist es dunkel. Einzig allein Scheinwerfer, die mit einer gepunkteten Schablone bedeckt sind, leuchten wie Sommersprossen gedimmt auf die Tanzfläche. Die Luft ist stickig, von Alkohol und Schweiß getränkt. Gleichzeitig befeuert diese sinnestränkende Mischung mein Hochgefühl und lässt es immer weiter in die Höhe reichen.

Nachdem das Lied verklungen ist und von einem langsameren, erotischeren erlöst wird, verschwinde ich von der Tanzfläche. Die weibliche Verstärkung im Club beginnt lasziv, sich in knapper Kleidung zu räkeln und jede Kurve perfekt in Szene zu setzen.

Mich jedoch zieht es zur Bar, auf deren Theke die bernsteinfarbenen Flüssigkeiten in verführerischen Gläsern auf und ab schwanken. Gepaart mit erheiterten Gesprächen, heißen Flirts und lockeren Gekicher verspricht die Bar genau die Art von Entspannung und auch Abwechslung, nach der ich mich nach dem Tanzen sehne.

Etwas wackelig auf den Beinen strauchle ich in unbeholfenen Schritten zu meinem Ziel und stütze mich schnappartig atmend auf den glänzenden Tresen. Ein Barkeeper mit schwarzen, nach hinten gegeltem Haar sieht mich an und scheint so auffordernd mit seinen Augen nach meiner Bestellung zu fragen.

»Einen Whiskey Sour bitte«, sage ich zu ihm und habe mit meiner sonst eher zarten Stimme stark gegen die laut entgegen steuernde Musik anzukämpfen.

Gleich nachdem ich meine Bestellung hinuntergerattert habe, beginnt er mit flinken Händen, mein Getränk zuzubereiten. Ich sehe ihm dabei zu und bin überrascht, wie jemand über eine derart schnelle Fingerarbeit verfügen kann.

Er schiebt mir den Drink zu. Dabei schabt das harte Glas auf der Theke. Bei meinem Blick runzelt er die Stirn. Wahrscheinlich kann er sich keinen Reim darauf machen, warum ich ihm so fasziniert auf die Hände starre. Um es nicht noch unangenehmer als ohnehin schon zu machen, nehme ich einen kräftigen Schluck und drehe mich von ihm weg.

Die Wärme des Alkohols verschafft mir eine angenehme Wärme, die mir die Kehle entlanggleitet und sich in meiner Magengegend ausbreitet.

Auf dem mit Leder gepolsterten Barhocker beobachte ich die feiernde Masse, die sich jetzt zu einem Hip-Hop Song auf und ab bewegt. Auf der gegenüberliegenden Seite der gewaltigen Lagerhalle stehen alle anderen, die gerade nicht tanzen. Sie unterhalten sich, lachen, spielen an ihren Handys, die ein helles Licht auf ihre Gesichter werfen.

I LIE TO YOUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt