»Ich habe doch gesagt, dass ihr mir folgen sollt!«, zetert sie.

»Sie hatte eine Panikattacke, Miss.« Beschwichtigend lächle ich sie an. »Es ist alles gut gegangen, keiner von uns hat zu viel Rauch eingeatmet.«

Sie zieht die Augenbrauen zusammen, mustert uns prüfend von oben bis unten und presst ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Na schön.« Sie dreht sich um und läuft auf einen Kreis zu, der sich um einige Schüler gebildet hat.

»Kannst du dich aufstellen?«, frage ich an Paige gewandt. Sie nickt und ich setze sie ab. Zischend atmet sie ein, sagt aber nichts.

»Alles okay bei dir?«

Sie nickt wieder nur, beschränkt die Kommunikation auf ein Minimum. Schmerz hängt zwischen uns, in der von rauch ertränkten Luft.

»Wir müssen reden«, presst sie plötzlich unter zusammengebissenen Zähnen hervor, zittert vor Anstrengung. »Worüber? Es ist alles gesagt.«

Heftiges Kopfschütteln ihrerseits, ein angestrengtes Ächzen. »Ist es nicht, nicht meinerseits.«

Hoffnung steigt in mir auf, so hoch, gleichzeitig verstecke ich den Rest meiner Gefühle tief in meinem persönlichen Keller – ich halte sie in Zaum.

»Von mir aus«, gebe ich betont lässig zurück. »Aber keine Lügen, Paige. Nicht heute. Nie wieder. Bitte.«

Wir entfernen uns langsam von der Gruppe und stellen uns ganz an den Rand. Sie holt tief Luft und beginnt zu reden.

»Es tut mir leid, dass es gestern so enden musste. Und es war wirklich nicht das, wonach es aussah.«

»Wie war es denn?« Abwartend schaue ich sie an.

»Ich kenne ihn schon seit meiner Geburt. Er ist der Sohn unserer ehemaligen Köchin.«

Geschockt schaue ich sie an. Toll, jetzt kennen sie sich auch noch schon Ewigkeiten! Das macht es natürlich auch viel besser. Sie teilen vermutlich eine gemeinsame Kindheit miteinander! Sie haben eine verdammte Vergangenheit und wahrscheinlich kennt er sie sie auch schon in und auswendig. Was hingegen habe ich vorzuweisen? Genau, nichts.

»Er war dabei, als meine Mom starb«, fährt sie fort.

»Und er weiß, dass mein Vater nicht viel Zeit hat. Also schaut er ab und zu mal vorbei, wenn Dad nicht kann...«

Das klingt... einleuchtend. Aber kann es wirklich so einfach sein?

»Aber er will trotzdem etwas von dir, hast du mal bemerkt, wie er dich anschaut?«

Paige legt den Kopf schief und schweigt kurz, bis sie fortfährt. »Kann sein, aber ich kann dir versichern, dass es nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Ich habe nichts mit ihm.«

Flehend schaut sie mich an und nimmt meine Hand. »Ich will nichts von ihm, absolut nicht. Ich will nur -« Sie unterbricht sich selber und schluckt schwer.

»Warum hast du es nicht gleich gesagt?«, frage ich weiter.

»Wenn ich dir gesagt hätte, dass ich ihn mein ganzes Leben lang kenne, hättest du doch noch eher geglaubt, dass ich etwas mit ihm habe. Du weißt schon, gemeinsame Vergangenheit und so. Aber nur damit du es weißt, er ist trotzdem noch ein Stückchen älter als ich. Als ich noch mit Kuscheltieren gespielt habe, hat er schon mit Lego gespielt. Das durfte ich damals noch nicht, zumindest nicht mit den kleinen Legosteinen, die sind nämlich ab einem bestimmten Alter. Und er hat immer gesagt, dass er kein Lego Duplo mit mir spielt, weil das für Kleinkinder ist.«

Ungläubig lache ich auf. Es ist total seltsam, sich seinen Lehrer als ein kleines Kind vorzustellen, das mit Lego spielt. Vor Erleichterung und Sehnsucht, ziehe ich sie ganz fest an mich, in eine innige Umarmung. Sie ächzt leise. »Du zerquetscht mich.«

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