»Wo ist Paige?«, knurre ich, wie das wilde Tier in mir, welches soeben entfesselt wurde. Es ist bereit, sich ihm zu stellen, sich jedem einzelnen auf der ganzen Welt zu stellen, bis ich die Antwort auf meine Frage habe.

»Ich weiß gar nicht, wovon du redest«, meint er und tut so, als wäre alles in bester Ordnung. Nichts da. Er spürt meine Wut, bemerkt meine angespannten Muskeln und erkennt den Zorn in meinem Gesicht. Sein Grinsen wird immer breiter. Wie befreiend es wohl wäre, es weg zu prügeln.

»Du weißt, wovon ich rede. Was hast du mit ihr angestellt?«

Arion lacht neben laut auf. Mein Blick zuckt zu ihm, wie ein Blitz schlägt er ein in seine erbärmliche Existenz. Bald wird meine Faust folgen. »Sie ist in guten Händen. Diese kleine Lolita bekommt, was sie verdient. Nach dieser Nacht schaut ihr bestimmt niemand mehr hinterher, auch du nicht. Weil sie so beschmutzt sein wird, dass es nicht einmal helfen wird, sie im heiligen Weihwasser zu baden, außer man will sie dort drin ertränken.«

Wie ein scharfes Messer bohren sich die Worte in mein Herz. Ein bedeutungsloses Zucken von Arion - ein weiterer Schnitt, der mich schier ausbluten lässt. Sein dröhnendes Lachen - der Schnitt, der mich niederstreckt, mich erledigt. Ich packe Arion am Kragen und zwinge ich so, mich anzusehen.

»Ihr seid völlig gestört«, fauche ich, schlage ihm so fest ins Gesicht, dass ein Knochen knackt - nur ist es einer von seinen, nicht von meinen. Befriedigung. Einzig und allein Befriedigung ist es, die mich überwältigt.

Sein affektiertes Grinsen verzieht sich zu einer wütenden Fratze.

»Dein Schneewittchen wird untergehen«, röchelt er. Mit einem verachtenden Blick bedenke ich ihn. »Und du bist wohl die böse Stiefmutter, die sie mit einem vergifteten Apfel aus dem Weg räumen will? Das ist absolut lächerlich. Du bist lächerlich. Eine Lachnummer und so erbärmlich, dass dich niemand mehr mit der Kneifzange anfassen wird, wenn ich mit dir fertig bin«, raune ich ihm ins Ohr. Ich schlage ihn noch einmal. Blut verschmiert sein Gesicht, seine Lippe ist aufgeplatzt.

»Naja, es ist ja auch kein vergifteter Apfel, es ist ein vergiftetes Getränk.«

Die Erkenntnis trifft mich wie ein verdammter Eimer kaltes Wasser.

»Du hast Gift in den Drink gemischt? Wo hast du das überhaupt her?! Das ist ja Mord!«

Er stöhnt. »Pah, bestimmt nicht. Ich gehe für dieses kleine Bückstück doch nicht ins Gefängnis!«

»Dein Verstand muss schon ein Gefängnis sein, wenn du sowas absolut Krankes machst.«

Er schnaubt. »Du hast keine Ahnung, was hier vor sich geht, Ace. Nicht ein bisschen. Statt dich den relevanten Dingen zuzuwenden, kümmerst du dich um jemanden, der selber nur eine bewegliche Figur in einem abgekarteten Spiel ist. Das ganze hier hat Ausmaße, die du dir nicht einmal erträumen kannst. Du findest sie sowieso nicht. Sie bekommt das, was sie verdient, basta. Da brauchst du jetzt gar nicht den Ritter in goldener Rüstung zu spielen. Das hier ist kein Akt des Unheils, sondern der Abrechnung. Für Dinge, von denen wir beide keine Ahnung haben.«

»Rede noch einmal so über sie, und ich werde ganz andere Dinge tun«, fauche ich mit eiskalter Stimme. Seine Worte verunsichern mich, jagen mir Angst ein, weil ich ihm tatsächlich Glauben schenke. Was, wenn, was auch immer sie tun, der Bestandteil eines Plans ist, von dem sie selber nichts ahnen? Ich lasse Arion zurück und suche nach Josh, oder Lillian, Hauptsache einer hat Paige gefunden. Keiner von den beiden ist zu sehen, aber hinter mir ruft jemand meinen Namen.

Ich drehe mich um und sehe Lillian, die sich den Weg zu mir bahnt. Sie atmet ein paar Mal tief ein und aus. »Ich habe sie gesehen«, japst sie.

»Wo?«

I LIE TO YOUWhere stories live. Discover now